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Kurz vor Mittag nahm Ida vor dem Haupteingang zum Ehrenhof des Schlosses einen Umschlag entgegen. Sie stand unter einem Kastanienbaum und blickte auf den Hof, wo das übliche Treiben herrschte: Kutschen kamen und brachten Bedienstete, wie Adelige und Mitarbeiter der kaiserlichen Kanzlei. Handwerker und Lieferanten eilten ein und aus.

Ida wollte sich nicht zu weit vom Schloss entfernen, falls die Kaiserin ihre Dienste benötigte. Gleichzeitig wollte sie nicht beim Treffen mit dem ungehobelten Burschen beobachtet werden. Peter, der Helfer von Amalie Buback, hatte den langen Weg quer durch Wien zurückgelegt, um den Umschlag zu übergeben. Und schon gar nicht wollte sie, dass Peter herausfand, für wen sie wirklich arbeitete.

»Es sind drei«, sagte er. »Eines von einer Gräfin, eines von dem Selbstmörder und eines von einem Mann, der heute beerdigt wird.«

Ida kramte in ihrem kleinen Beutel nach Münzen, um den vereinbarten Preis zu bezahlen. Dann aber überlegte sie es sich anders.

»Ich will die Bilder sehen, bevor ich bezahle.«

Peter schob sich die Kappe in den Nacken. Widerwillig öffnete er den Umschlag und entnahm die Photographien. Es waren drei dünne Platten mit graubraunen Bildern.

Die Toten waren alle von der Seite aufgenommen worden. Ihre Köpfe ruhten auf Kissen. Die Qualität der Bilder war erstklassig, wenn auch Ida von den Motiven wenig begeistert war. Das musste sie aber auch nicht sein. Der Kaiserin sollten sie gefallen. Sie glaubte, die tote Gräfin zu kennen und sie schon einmal bei einer Festivität im Schloss oder in der Winterresidenz gesehen zu haben. Sie ruhe sanft, dachte Ida. Den Selbstmörder legte sie schnell unter die anderen Bilder, weil sie sich den Anblick und die Erinnerung an die klaffende Wunde an seiner Schläfe ersparen wollte.

Das dritte Bild zeigte einen älteren Mann mit dunklem Haarkranz und Glatze. Ida zog die Luft ein. Sie drehte das Bild, sodass der Kopf aufrecht vor ihr stand. Inständig hoffte sie, sich zu täuschen.

»Kennen Sie den Namen dieses Mannes?«, wollte sie von Peter wissen.

Der Bursche warf die Kappe mit einer Hand hoch und fuhr sich mit der anderen durch die Haare. »Irgendwas mit Land oder so. Albert, glaube ich.«

»Oberland?« Ida hoffte inständig, der Bursche würde verneinen.

»Ja, das ist der Name. Albert Oberland.«

»Alfred Oberland!«, korrigierte ihn Ida.

»Kann auch sein. Ich merke mir Namen nicht so gut.«

Sie wagte noch einen Blick auf das Foto. Kein Zweifel. Er war es.

In Idas Ohren begann es zu rauschen. Das Klappern der Pferdehufe auf der Straße verhallte. Die Leute, die geschäftig herumeilten, verschwammen in ihren Augenwinkeln. In ihrem Kopf lief noch einmal ab, was sie vor wenigen Tagen erlebt hatte.

Sie sah Alfred Oberland vor sich stehen, das Päckchen in der Hand. Er hatte von großer Dringlichkeit gesprochen und davon, der Kaiserin eine vertrauliche Mitteilung machen zu müssen.

Der Vorfall war Ida seltsam erschienen, doch die Beschaffung schöner Leichen hatte sie darauf vergessen lassen.

Alfred Oberland war tot.

Vor wenigen Tagen war er ihr noch gesund erschienen, wenn auch ausgesprochen nervös.

»Woran ist der Mann gestorben?« Sie sah Peter auf eine strenge Art an, die ihn dazu bringen sollte, seine Erinnerung etwas anzustrengen.

»Weiß ich nicht.«

»Haben Sie nichts von den Verwandten erfahren?«

Peter zuckte mit der Schulter. Doch dann erhellte sich sein Gesicht. »Da war etwas. Sein Bruder wollte, dass wir ein Foto machen, für die Gattin des Verstorbenen. Er sagte etwas von einer Biene, die ihn gestochen hat. Imker wäre er gewesen. Amalie hat ihm den Mund aufgemacht.«

»Wieso hat sie so etwas getan?« Ida spürte, wie bei der Vorstellung ihre Beine schwächer wurden.

»Das müssen Sie Amalie selbst fragen. Sie hat gemeint, irgendetwas sei eigenartig. Aber ich habe nicht nachgefragt. Bin froh, wenn ich die Toten nicht zu lange sehen muss.«

Ida schaffte es gerade noch, dem Burschen das Geld in die Hand zu drücken. Mit den Fotos eilte sie zum Schloss.

Was sollte sie der Kaiserin sagen?

Ida hätte den Mann unter keinen Umständen vorlassen dürfen. Aber wenn sie gewusst hätte, dass er so kurze Zeit später tot sein würde…

Was hatte das Päckchen enthalten?

Alfred Oberland war ein Lehrer des Kronprinzen. Sie wollte Latour nach ihm fragen. Er musste mehr wissen. Vielleicht konnte er ihr auch einen Rat geben, wie sie ihre seltsame Begegnung mit Alfred Oberland der Kaiserin erklären sollte.

Ida bekreuzigte sich im Gehen. Friede der Seele des armen Mannes.

Sisis schöne Leichen

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