Читать книгу Sisis schöne Leichen - Thomas Brezina - Страница 19
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ОглавлениеDie Unterredung fand im Gartenzimmer statt. Elisabeth saß auf dem Sofa, Houseguard lag neben ihr. Seine Pfoten hingen über die Kante. Er machte einen sehr majestätischen Eindruck. Während sie ihm den Kopf streichelte, hörte sich Elisabeth an, was ihr Ida und Latour zu sagen hatten.
»Was kann er damit gemeint haben: eine Entdeckung, die meinen Schutz benötigt?«, fragte Elisabeth, als die beiden fertig erzählt hatten.
»Ich habe leider keine Erklärung, Majestät«, sagte Latour.
»Ich hätte den Mann ernst nehmen sollen«, sagte Ida betroffen. »Jetzt ist es zu spät.«
Die Kaiserin machte den beiden keine Vorwürfe. »Es ist Ihre Pflicht, mich vor zudringlichen Menschen zu bewahren.«
Oberlands Annahme, sie könnte eine wissenschaftliche Erkenntnis schützen, berührte Elisabeth. Sie wurde manchmal um finanzielle Unterstützung gebeten, aber nie zuvor hatte ihr jemand eine solche Aufgabe zugetraut.
»Der Mann war mutig genug, zu mir vorzudringen«, überlegte Elisabeth laut. »Er wollte mir etwas geben, von dem wir nicht wissen, was es sein könnte.«
»Ein Buch vielleicht. Das Päckchen hätte eines enthalten können«, warf Ida ein.
Elisabeth strich mit einem Finger über das Foto des Toten.
»Vor den Augen meiner Kinder stirbt der Mann ganz plötzlich«, setzte sie fort. Sie sah ihre beiden Vertrauten an. »Eine Anhäufung recht eigenartiger Ereignisse, finden Sie nicht auch?«
Ida und Latour gaben ihr recht.
»Ich weiß nicht, ob es sich schickt, davon zu erzählen…« Ida zögerte.
Elisabeth deutete ihr, weiterzureden.
»Die Photographin hat dem Toten den Mund geöffnet.«
»Aus welchem Grund?« Die Vorstellung war Elisabeth unangenehm. »Ist so etwas überhaupt gestattet?«
Ida sah von Latour zur Kaiserin. »Die Photographin fand an der Leiche etwas ›eigenartig‹.«
»Schon wieder dieses Wort.« Elisabeth erhob sich, der Wolfshund mit ihr. »Eigenartig. Alle Geschehnisse im Zusammenhang mit Oberland sind eigenartig. Die Anhäufung ist noch größer als zuerst angenommen.« Sie deutete auf Ida. »Suche diese Photographin sofort auf. Sie soll dir erläutern, was sie an dem Toten so eigenartig fand.«
Zu Latour sagte sie: »Was ist mit dem Sohn des Toten? Hat er seinen Dienst als Lehrer wieder angetreten?«
»Er kam gestern, aber heute findet die Beerdigung seines Vaters statt, für die ich ihn wieder freigestellt habe.«
»Wenn er sich morgen zum Dienst einfindet, reden Sie mit ihm. Das Päckchen muss im Nachlass seines Vaters zu finden sein. Wenn es etwas enthält, das ich als Kaiserin schützen soll, so werde ich den Willen des Mannes gerne erfüllen.«
Elisabeths Neugier war erwacht. Die Strenge des Hofes schien verschwunden und sie fühlte sich so lebendig wie damals, als junges Mädchen in Bayern.
Was war sie doch für ein mutiges Kind gewesen. Sogar auf das Trapez hatte sie sich gewagt, das ihr Vater im Hof hatte aufhängen lassen. Wild war Sisi hin und her geschwungen. Sie wollte besser sein als die Artisten im Zirkus. Ihr Sturz hätte damals auch tödlich enden können. Die Mutter hatte die Akrobatik danach streng verboten. Doch die Aussicht auf Gefahr hatte Sisi nie geängstigt. Vielmehr war sie ihr immer Ansporn gewesen.
Nachdem Latour und Ida das Appartement verlassen hatten, beschloss Elisabeth, sich noch körperlich zu ertüchtigen. Der Nebenraum war ihren Wünschen entsprechend dafür eingerichtet worden.
Es gab Ringe an Seilen, eine Sprossenwand, Gewichte und ein Turngerät, das »Pferd« genannt wurde.
Wenn sie sich in den Ringen aufstützte und schwang, fühlte sich Elisabeth in ihre glückliche Kinderzeit versetzt. Das dunkle Gewand, das sie an diesem Tage trug, wehte um ihre Beine. Sie sah aus wie ein schwarzer Paradiesvogel mit langen Federn.
Sie war wieder Sisi. Sie fühlte sich frei.