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»Wie kommt diese Photographie ins Schloss? Wieso bringen Sie sie in die Gemächer des Kronprinzen?« Latour bemerkte, dass er fast schrie. Ida starrte ihn überrascht an.

Latour bewohnte die Landschaftszimmer neben Rudolfs Appartement. Sie waren vom Boden bis zur Decke von einem Künstler gestaltet und bemalt worden. Die Wandbilder gaben den Eindruck, über eine Insel zu blicken, auf der sich schmale Pfade zwischen Bäumen dahinzogen, die große Früchte trugen. In der Ferne schimmerte das Blau des Meeres. Normalerweise hatten die Malereien eine beruhigende Wirkung auf Latour. Diesmal aber konnten die sanften Farben seine Aufregung nicht mäßigen.

Ida wich seinem Blick aus. Sie sah über seine Schulter und fixierte etwas an der Wand. Er drehte sich um. Es handelte sich um ein Stillleben aus aufgeschnittenen Melonen, das Teil des Landschaftsbildes war.

Latour sprang auf.

»Das Foto darf unter keinen Umständen in die Hände der kaiserlichen Hoheiten fallen. Sie sind über den Schock noch immer nicht hinweg.«

»Was für ein Schock?«

Latour schilderte mit wenigen Worten den Tod des Imkers. »Wie kommen Sie an das Bild und weshalb bringen Sie es zu mir?«

Ida erzählte ihm von der neuen Leidenschaft der Kaiserin, schöne Leichen zu sammeln. Latour ging, während sie sprach, im Raum auf und ab. Als sie fertig war, ließ er sich auf das Sofa niedersinken und faltete die Hände vor dem Gesicht zu einem Dach. Er lehnte die Stirn dagegen und überlegte.

»Soll ich die Kaiserin vom Auftauchen des Lehrers unterrichten?«, wollte Ida von Latour wissen. »Haben tatsächlich Sie Herr Oberland bei der Kaiserin angekündigt, wie er behauptet hat?«

»Er hat sich vor einer Woche an mich gewandt und inständig gebeten, dass ich für ihn bei der Kaiserin vorspreche. Ich hatte aber keine Gelegenheit dazu und wollte es gleich nach dem Besuch des Kronprinzen und seiner Schwester bei Oberland tun. Die Hoheiten hätten ihrer Mutter sicherlich begeistert vom Besuch beim Imker erzählt. In diesem Zusammenhang sah ich eine gute Gelegenheit, Ihre Majestät um Audienz für den Lehrer zu bitten.«

»Hat er Ihnen gegenüber das Päckchen erwähnt?«

Latour verneinte. »Er sprach von einer wissenschaftlichen Entdeckung, bei der er …« Latour versuchte sich an den genauen Wortlaut zu erinnern. »Oberland redete von einer wissenschaftlichen Entdeckung, die den Schutz einer Kaiserin benötigt.«

»Verstehen Sie, was er damit gemeint hat?«

»Nein«, sagte Latour. »Oberland war ein guter Lehrer und bei den Hoheiten sehr beliebt«, fuhr er fort. »Er verstand es, lebendig über Musik und Komponisten zu erzählen. Er spielte den beiden auch gerne auf seiner Geige vor. Gleichzeitig aber war Oberland auch ein seltsamer Zeitgenosse, sehr in sich gekehrt, sehr in seine Studien vertieft. Und oft mit seinem Steckenpferd, der Imkerei, beschäftigt.«

»Was raten Sie mir?«, wollte Ida wissen. »Was soll ich der Kaiserin sagen?«

»Die Wahrheit. Sie haben die Pflicht, der Kaiserin die Begegnung mit Oberland zu schildern.«

»Würden Sie mich begleiten? Ich nehme an, die Kaiserin wird Fragen stellen. Wahrscheinlich können Sie einige eher beantworten als ich.«

Latour war bereit.

Sisis schöne Leichen

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