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Paris, 7. Juli
ОглавлениеIn lebhafter Eile ging er die Rue Saint-Jacques entlang, ein schmächtiger Mann mit messerscharfen Zügen und einer großen Nase, der die Uniform eines chef de brigade der Armee der französischen Republik trug. Er sang ein paar Zeilen aus einer Opernarie, mit rauher, hoher Stimme, und das erregte Aufmerksamkeit. Wenn jemand ihn ansah, dann grüßte er mit einer Handbewegung. Er hätte gern alle Vorübergehenden umarmt, sie allesamt ins Café eingeladen, um auf französisch und auf englisch anzustoßen. Vor seinem erfreuten inneren Auge sah er einen jungen, gut gekleideten Offizier an einem schönen Sommerabend durch die Hauptstadt der Revolution gehen. Er war der Bürger Wolfe Tone, hatte einst in Irland gelebt und würde bald wieder dorthin zurückkehren. Er war der Gründer der Society of United Irishmen, ihr anerkannter Vertreter in Frankreich, und an diesem Abend hatte er die endgültige Entscheidung des Direktorats erfahren.
Er war seit fast drei Jahren in Paris, war zwischen Hoffnung und Verzweiflung und Hoffnung hin und her gependelt, hatte Denkschriften entworfen, lange Stunden in den Vorzimmern der Minister gesessen, Politiker umschmeichelt und sich genug Geld gewünscht, um sie zu bestechen. Geldlos und wortreich in seinem elenden Französisch. Als sie ihm seinen Posten in der Armee gaben, hatte er um einen Soldvorschuß bitten müssen, um sich eine Uniform kaufen zu können. Sein Vorschlag war die Einfachheit selber gewesen: Er war nach Paris gekommen, um für eine französische Invasion in Irland zu sorgen. Sechs Monate lang hatte er an einem Tischchen in seiner Herberge gesessen und seine endlosen Denkschriften verfaßt, Darstellungen irischer Parteien, der Regierung, Beschreibungen der religiösen Gruppen, einen laienhaften Bericht über die Verteidigung der Insel, die Ziele der Gesellschaft. Alles in ordentlicher Anwaltsschrift niedergelegt, die Tatsachen aufmarschieren lassen wie Regimenter, mit Logik so hart und direkt wie Kanonen, die über ein offenes Feld bewegt wurden. An den Nachmittagen war er durch Paris gewandert, hatte die Sehenswürdigkeiten angestarrt, hatte sein Französisch an Kellnern und Gastwirten ausprobiert. Abends drei Flaschen vin ordinaire und dann Oper oder Theater. Dann Wochen der Aufwartung bei Carnot oder einem anderen Minister, wenn er auf einer harten Bank neben anderen Bittstellern saß, eine billige Lederaktentasche balancierte auf seinen knochigen Knien. Ein halbes Dutzend Nationen wetteiferten um die Dienste der Revolution, aber Tone gewann den Wettbewerb. Er bot dem Direktorat eine verärgerte und unzufriedene Insel in Englands Flanke an, ein Volk von Bauern, bewaffnet mit Piken und voller Sehnsucht nach einem Aufstand, ein umfassendes revolutionäres Netz unter der Kontrolle der Radikalen.
Im Dezember 1796 setzte die Expedition in Brest Segel, 43 Segel, die eine Armee von Fünfzehntausend unter dem Kommando des großen Hoche, des brillanten jungen Generals, der die Vendée unterworfen hatte, nach Irland bringen sollten. Der Weihnachtstag sah Tone auf der Indomptable in der Bucht von Bantry, während das Schiff vom Sturm herumgeworfen wurde. In seinen großen Mantel gewickelt stand er voller Nervosität an Deck und starrte durch den tosenden Wind die kahle Küste von Munster an. Nach einer Woche in der Bucht wurden die Schiffe immer noch vom Sturm umhergeschleudert, während eine britische Flotte irgendwo vor der Küste lauerte, und die Franzosen beschlossen, die Anker einzuholen und nach Hause zu fahren.
Tone redete sich bei ihrem Kriegsrat in einer schaukelnden Kajüte heiser, während die Landkarten und Pläne an den Tisch angekettet werden mußten. Er forderte das Kommando über die Légion de France, eine Kompanie artillerie légère, einen Vorrat an Gewehren und die Offiziere, die sich freiwillig meldeten. Dann würde er um die Küste herum nach Sligo segeln und den tosenden Winden entgehen. Oder sie sollten einem französischen Offizier das Kommando übertragen, und er würde unter ihm als einfacher Soldat dienen. Alles, was einen Vorrat an Waffen und eine Armee erfahrener Soldaten nach Irland bringen konnte, jetzt, während die United Irishmen stark und vorbereitet waren.
Die französischen Offiziere waren alle jung, Söhne einer Revolution, die sie aus der Obskurität geholt hatte. Sie lauschten schweigend, mit kühler Bewunderung für diesen hitzigen jungen Iren, so glühend, so patriotisch. Aber nur einer war bereit, das Kommando zu übernehmen, ein sehr junger Brigadier namens Jean-Joseph Humbert, der mit Hoche in der Vendée gewesen war und der sich mit der Leitung irregulärer Truppen auskannte. Er unterstützte Tone mit seinen Argumenten. Mit zweitausend Mann und Waffen für zwanzigtausend Rebellen könnte er in einer Woche in Mittelirland stehen; dort könnten die Rebellen zu ihm stoßen. Hoche zögerte. Es war ein attraktiver Plan, für Frankreich fast ohne Risiko. Ein Erfolg würde einen neuen Verbündeten schaffen. Ein Mißerfolg würde ihnen die Legion nehmen, eine auserlesene Zusammenstellung von Schurken und Knastbrüdern. Wenn sie dich fangen, erinnerte Hoche Tone, dann werden sie dich hängen und deine Eingeweide herausreißen. Gehenktwerden ist keine angenehme Aussicht, erwiderte Tone, und was das mit den Eingeweiden angeht, je m’en fiche. Ein attraktiver Mann, dieser Colonel Ire, geistreich, tapfer und, zweifellos, wie sein neuer Verbündeter Humbert ein wenig skrupellos. Hoche befahl den beiden, seine Kajüte zu verlassen, während er seinen Entschluß fällte.
Sie standen an Deck, Landrattenbeine gespreizt, Hände, die die Eichenreling umklammerten. Humbert sprach kein Englisch und konnte Tones Französisch nur mit Mühe verstehen. Ihr Ehrgeiz brachte sie zusammen, stärker als Sprache: Für beide gab es genug Ehre, hinter den Hügeln, hinter dem Schnee gerade noch spürbar. Ich kann all ihren Hohn aus der Mündung einer Muskete beantworten, dachte Tone. Daß ich nicht der Sohn eines bankrotten Kutschenbauern bin, sondern ein Bastardsproß der Wolfes aus Kildare. Ich habe eine Antwort für die Whig-Politiker, die meine Dienste wollten und mir dann zum Lohn ein paar miese Prozesse hingeworfen haben. Er sah den massiven, breitschultrigen Franzosen an. Was ist mit ihm, dasselbe vielleicht? Günstlinge des Schicksals, wir beide, bereit für den Wurf des Spielers. Am Vortag, einem Tag ohne Schnee, hatte er Bauern auf den niedrigen Hügeln stehen sehen. Keiner von ihnen kannte seinen Namen, keiner von ihnen könnte Englisch mit ihm reden. Er zitterte in seinem französischen Mantel und staunte den Westen Irlands an, den er zum erstenmal sah. Vor dem Direktorat hatte er voller Zuversicht gesprochen: die westlichen Counties, ungezähmt, wütend in ihrem Haß auf England. Er hoffte, daß das stimmte, er kannte den Westen nicht, hatte nur ein paar Tage in Ballinasloe verbracht, in Connaught, und versucht, vorsichtige papistische Krautjunker zu umschmeicheln. Diese Küste von Bantry war wild genug, und die Männer auf den Hügeln unendlich weit entfernt und fremd.
Hoche rief Tone und Humbert wieder in seine Kajüte. Sein Entschluß war gefaßt. Die Franzosen, und mit ihnen Tone, würden bei der Flut des nächsten Morgens in See stechen. Die Invasionsflotte würde aufgelöst werden. Tone stand an Deck und summte tonlos vor sich hin, als er die Küste zurückweichen sah. Wieder in Frankreich, setzte er sich gleich an neue Denkschriften, drängte auf einen zweiten Versuch. Über ihm, im Labyrinth der französischen Politik, wand und krümmte sich das Direktorat. Hoche, seine größte Hoffnung, starb. Seine Denkschriften nahmen zu an Anzahl und Umfang, seine Forderungen für Irland wurden immer hektischer. Der neue General der Stunde, Buonaparte, gewährte ihm eine Unterredung, ein hagerer, bläßlicher Mann mit wütenden dunklen Augen, der ihn ungerührt ausreden ließ und dann fortschickte. Andere Vertreter der United Irishmen schlossen sich der kleinen Kolonie irischer Landflüchtiger an, Lewines und Napper Tandy aus Dublin, Bartholomew Teeling aus Belfast. Edward Fitzgerald und Arthur O’Connor trafen sich in Hamburg mit französischen Sendboten. Sie erzählten über Streitereien im Dubliner Direktorat. Belfast wollte einen Aufstand im Herbst 97, Dublin bestand auf dem folgenden Frühling. Tom Emmet wollte nicht ohne französische Hilfe handeln, O’Connor mit oder ohne losschlagen. Truppen wurden nach Wicklow und Wexford verlegt, und die United Men wurden in Belfast und Antrim verfolgt. Sie konnten nicht länger warten.
Tone ließ nicht locker, wandte sich jeden Tag an Mitglieder des Direktorates. Vielleicht, sagten sie ihm. Vielleicht eine begrenzte Invasion, mit französischen Soldaten und niederländischen Schiffen. Im Herbst 1797 wurde die niederländische Flotte vor Camperduin zerstört. Eine Armee wurde an der Küste zusammengezogen, und Buonaparte erhielt das Oberkommando. Tone erreichte eine zweite Unterredung mit ihm, holte seine Karten und Papiere hervor und faltete sie auseinander. Wieder lauschte Buonaparte schweigend, seine dunklen Augen beobachteten Tones dünne, rasche Hand, die über die Kartoffel Irland huschte, die Küstenlinien, Buchten, tiefe Flüsse zeigte. »Ihr seid ein sehr mutiger Mann«, sagte er zu Tone in einer flachen, tonlosen Stimme, die Tones eigener sehr ähnlich war. Eine sinnlose Unterredung: Buonaparte, der sich zu einer ägyptischen Expedition entschlossen hatte, entzog der Englandarmee in aller Stille Regimenter. Aber trotz dieses Wissens ließ Tone nicht locker. Er war für das Direktorat eine Art Witz geworden. »Colonel Ire«, »der wilde Ire« war aber nicht nur ein Witz, denn er sprach für ein Volk am Rande eines Aufstandes.
Dann, Anfang Mai, erreichte die Nachricht Paris, daß die Rebellion für den 24. dieses Monats geplant war. Zwei weitere Botschaften trafen ein, dann brach die Verbindung zusammen. Am Morgen des 24. wurden alle Dublin verlassenden Postkutschen von mit Pistolen und Piken bewaffneten Männern überfallen. Das war das Signal. Die United Men schwärmten aus den Hügeln von Antrim im Norden und den kleinen Dörfern von Wexford im Süden. Tone ritt aus Rouen, wo er bei der Armee diente, nach Paris und nahm seine Bemühungen wieder auf. Aber noch immer war das Direktorat nicht bereit, etwas zu unternehmen. Er erschöpfte alle Argumente, schlief nicht, trank zu schnell zuviel Wein und wurde krank. Er brachte jedes Argument, das ihm einfiel, und verlegte sich dann aufs Lügen. Jeder Papist und Presbyterianer in Irland war ein eingeschworener United Irishman. Jeder County in Irland würde sich beim Anblick eines französischen Segels erheben. Die Rebellion war schon im Gang und mußte unterstützt werden. Er suchte Grouchy, Kilmaine, Humbert in ihren Küstengarnisonen auf und trug der Armee seinen Fall direkt vor. Doch, alle stimmten zu, jede Möglichkeit dieser Art mußte ausgenutzt werden. Auf jeden Fall würde es einen Teil der englischen Energien von Buonapartes Expedition ablenken. Kilmaine, der irischer Abstammung war, war enthusiastisch, ebenso Humbert, Tones alter Verbündeter.
Humbert musterte ihn über den kleinen Tisch hinweg und fragte ihn sorgfältig aus. War er sich in jedem Fall sicher? Wie verbreitet war die Organisation der United Irishmen? War auf sie Verlaß? Gehörten auch Führer, wohlhabende Männer dazu? Waren die Vorbereitungen sorgfältig getroffen worden? Tone beschloß, mit dem schwindelnden Gefühl, daß er abermals alles auf eine Karte setzte, Humbert in etwa die Wahrheit zu erzählen. Die Society of United Irishmen war eine Flickwerkorganisation, eine unruhige Allianz aus städtischen Radikalen, einigen Presbyterianern aus dem Norden, einigen Papisten aus dem Süden. Tom Emmet hatte recht, nicht O’Connor und Fitzgerald, ohne französische Unterstützung hatte ein Aufstand keine Chancen. Wenn jedoch Frankreich genügend Soldaten schickte, dann würde alles anders aussehen. Überall in Irland gab es eine tiefe, trotzige Abneigung gegen die englische Herrschaft. Es fehlte nur eine einigermaßen aussichtsreiche Gelegenheit.
Als er fertig war, lächelte Humbert, das träge Lächeln einer riesigen, mächtigen Katze. »Dann habt Ihr das Direktorat belogen. Kein Wunder, daß Buonaparte Euch einen mutigen Mann genannt hat.«
Tone schüttelte ungeduldig den Kopf. Sein Französisch war jetzt viel besser. »Ich habe ihnen gesagt, daß es in ihrer Macht steht, Irland zu befreien. Und das stimmt. Vielleicht habe ich hier und dort übertrieben. Wenn wir erst gewonnen haben, wird das niemanden mehr interessieren.« – »Wenn wir erst gewonnen haben«, wiederholte Humbert, immer noch lächelnd. »Mein Gott«, sagte Tone. »Muß ich einem französischen General sagen, daß man manchmal Risiken eingehen muß? Es ist ein Spiel, ein gutes Spiel.« – »Und wenn wir verlieren«, sagte Humbert, »hat Frankreich eine Armee weggeworfen.« Tone zuckte die Schultern. »Wir werden nicht verlieren.« – »Und warum seid Ihr mir gegenüber so offen?« fragte Humbert. »Ich kenne Euren Ruf«, antwortete Tone. »Von allen Generälen brauchen wir Euch am meisten.« – »Wegen der Vendée?« fragte Humbert. »Das ist lange her. Alles ändert sich.« Er rückte seinen Stuhl nach hinten und schob die Hände unter den Hosenbund, der seinen umfangreichen Bauch beengte. »Kilmaine und ich haben bereits nach Paris geschrieben und eine irische Expedition empfohlen. Was sagt Ihr dazu?« – »Sie muß groß sein«, antwortete Tone sofort. »Macht es richtig, oder laßt es ganz sein. Sie muß so groß sein wie die Expedition unter Hoche. Und sie muß sofort lossegeln, solange Ulster und Leinster noch kämpfen.« Humberts Lächeln verbreiterte sich. »Ihr seid ein bemerkenswerter Mann, Colonel Ire. Ihr hättet als Franzose geboren werden sollen.« – »Ich bin als Ire geboren«, erwiderte Tone. »Was immer das bedeuten mag.« – »Wir werden noch herausfinden, was es bedeutet«, sagte Humbert.
Nun, kaum mehr als eine Woche später, waren die Jahre des Bettelns zu Ende, und er ging benommen und jubelnd an den Seinebrücken vorbei durch Paris. Er sah sie kaum, aber irgendwo in seinen Gedanken erweckten sie vage, wäßrige Erinnerungen an die Liffey und ihre Brücken, an die Four Courts, das Zollhaus, das Parlament.
Er betrat das überfüllte Café und zwängte sich an den Tischen vorbei in die Ecke, wo Lewines und Bartholomew Teeling ihn erwarteten. Er schüttelte den Kopf, als er die fast leere Burgunderflasche sah und bestellte beim Kellner eine neue. Als er Atem geschöpft hatte, sagte er lässig, mit seiner schauspielerhaften Liebe zum Effekt: »Heute abend ist es beschlossen worden. Eine richtige Expedition. Sie bricht Ende des Monats auf.«
»Was verstehen sie unter ›richtig‹?« fragte Lewines.
»Tausend Männer unter meinem Liebling, Humbert, fünftausend unter Hardy und später noch neuntausend unter Kilmaine. Ça ira, ça ira.«
»Es ist ein Wunder«, sagte Teeling.
»Ach, Teeling, alter Belfaster Papist, du denkst auch immer nur an Wunder. Dieses Wunder haben die unleugbare Gerechtigkeit unserer Sache und meine glänzende Persönlichkeit bewirkt. Wütend in der Schlacht, weise im Rat, jungenhaft und aufrichtig unter seinen Freunden, so hat Bürger Wolfe Tone aus Dublin doch endlich das Direktorat gestürmt. Es ist eine Tatsache, eine beschlossene Tatsache, die Befehle sind geschrieben, unterzeichnet und abgeschickt. Colonel Tone wird Hardy begleiten, Colonel Teeling Humbert, Bürger Lewines wird dem Stab General Kilmaines zugeteilt. Es hat überhaupt nichts geschadet, daß Kilmaine Ire ist, nicht im geringsten.«
»Kilmaine soll nachkommen«, sagte Teeling. »Was bedeutet das?«
»Das bedeutet, daß Humbert und Hardy Fuß fassen und Unterstützung finden müssen. Wenn ihnen das innerhalb einer Woche gelingt, dann wird Kilmaine in See stechen. Und sie segeln nach Ulster, Bartholomew, um deinem Freund MacCrakken zu Hilfe zu kommen. Die United Irish und die Franzosen werden sich das Kommando teilen. Ich bestehe darauf als Bürger der zukünftigen Republik, geliebt und geschätzt von den wenigen, die meinen Namen gehört haben.« Aus dem Augenwinkel sah er sein Bild in einem Spiegel und zwinkerte ihm zu.
»Wohin in Ulster?« fragte Teeling. »Wo wollen sie landen?« Graue Augen in einem langen, gutaussehenden Gesicht musterten Tone sorgfältig. Seine Stimme hatte den Singsang von Ulster.
»Loch Swilly«, Tone zuckte die Schultern. »Spielt das eine Rolle? Ich habe ihnen klargemacht, daß wir überall in Irland landen können, und die dortige Bevölkerung wird aufspringen, mit vor Liebe zur Freiheit glühenden Gesichtern.«
»Gott gebe, daß MacCracken noch Verwendung für unsere Hilfe hat«, sagte Teeling. »Jetzt kann schon alles vorbei sein, so oder so.«
Tone zog eine Taschenkarte hervor, so groß wie seine beiden ausgebreiteten Hände und vom vielen Zusammenfalten arg mitgenommen. »Es wird gefährlich, wenn wir irgendwo vor der Küste von Cork der englischen Flotte entgehen müssen, wir müssen dort in einem weiten Bogen segeln, was uns ein oder zwei Tage kosten wird. Dann halten wir bei Galway aufs Land zu, gehen hier in Mayo in die Kurve und segeln an Mayo und Sligo vorbei, bis wir im Norden wieder auf Loch Swilly zuhalten. Heute abend war ein Schiffskapitän da, der mit nautischen Fachbegriffen um sich warf, die ich nicht verstehen konnte, aber er hat so ungefähr dasselbe gesagt.«
»Das war aber eine kühne Behauptung«, meinte Teeling, »daß die Leute sich erheben, egal, wo in Irland wir landen.«
»Nun ja«, antwortete Tone. »Vielleicht nicht überall. Nicht in Galway oder Mayo, wo die Eingeborenen rohen Fisch essen und Dennis Browne und Dick Martin anbeten.«
Lewines schüttelte den Kopf, ein dunkler, runder Mann. »Vielleicht hast du ihnen zu viel versprochen.«
»Wenn ich ihnen weniger versprochen hätte, hätten sie uns nicht einmal einen Wachtposten in einem Ruderboot gegeben. Ich kenne diese Froschfresser inzwischen. Ihre Vorstellung von Sport ist eine kleine Wette, nachdem das Rennen schon gewonnen ist.« Er nahm dem Kellner die neue Flasche ab. »Colonel Teeling, würdet Ihr diesen Mann bezahlen, auf Aufforderung des Kämmerers der Irischen Republik. Was hältst du von dieser Idee, Bartholomew? Soll ich Kämmerer werden? Kannst du dich selber als ersten Lord der Irischen Admiralität sehen?«
Teeling zog seine Börse hervor. »Du hast ein Wunder zustande gebracht«, sagte er und zählte die Silbermünzen auf den Tisch. »Und wir können es vielleicht verwirklichen. Zu Hause kämpfen jetzt Männer, ohne etwas anderes in Händen zu halten als Piken. Ich würde alles riskieren, um ihnen zu helfen.«
Tone goß Wein in ihre Gläser und sagte, ohne aufzublicken: »Aber irgend etwas macht dir Sorgen, nicht wahr? Du bist zu pessimistisch. Ihr Leute aus dem Norden seid alle so. Auch MacCracken.«
»Tausend und fünftausend segeln jetzt, und neuntausend werden folgen. Insgesamt fünfzehntausend. Aber sie schicken eine große Armee nach Ägypten, und sie müssen einen halben Erdteil verteidigen, viele Grenzen.«
»Aber du kannst dich darauf verlassen, Bartholomew.« Er hob zwei der Gläser und reichte sie Lewines und Teeling. »In wenigen Tagen werdet ihr an Deck stehen. Es ist eine seltene und herausfordernde Erfahrung.«
»Ist das Direktorat einer Meinung in dieser Frage?«
»Weiß ich nicht«, antwortete Tone, »um dir die glatte Wahrheit zu sagen. Aber das spielt keine Rolle. Carrot hat mit mir gesprochen, und Carrot hat da keine Zweifel. Es ist entschieden, hat er gesagt. Das reicht mir.«
»Sicher hat der Mann recht«, sagte Lewines aufgeregt. »Wenn nur fünftausend Männer landen, dann sind das viel mehr, als wir jetzt haben.«
»Und Waffen für zwanzigtausend«, fügte Tone hinzu. »Und keine Piken. Gewehre und Pistolen.«
Teeling lächelte. Das Lächeln verwandelte sein ernstes, blasses Gesicht. »Ihr habt wirklich recht«, sagte er. »Ich bitte um Entschuldigung. Und ich trinke auf dein Wohl. Es war ein langer, harter Kampf. Kein anderer hätte das geschafft.«
»Ich danke für diesen Trinkspruch«, erwiderte Tone, und sie tranken. »Aber ich möchte einen angemesseneren vorschlagen. Auf die Irische Republik!« Er füllte ihre Gläser.
Teeling betrachtete die Karte, die im Schatten lag, wenn ihre Gläser sich berührten. Irland breitete sich von seiner Mitte her aus, die Städte von Leinster, die scharfen Einschnitte an der Küstenlinie von Munster. Mayo war fast leer: wenige Städte, verteilt auf einer weiten weißen Fläche.