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2 Mount Pleasant, 16. Juni
ОглавлениеEs war ein langer Brief, der fast drei Bögen exzellenten Papiers bedeckte. Abschriften waren über Nacht an Coopers Tür und an die Tür der Markthalle von Killala genagelt worden. Cooper preßte die eine Hand auf die Bögen, während die andere, mit Hilfe des auf den Frühstückstisch gestemmten Ellbogens, einen Kopf stützte, in dem Brandy herumzuschwappen schien wie in einem halbvollen Krug. Ihm gegenüber saß seine Frau Kate, neben ihm hockte sein Verwalter Fogarty auf der Stuhlkante.
»Es ist kaum zu glauben«, sagte er, um Zeit zu gewinnen, während er das wilde Wortgewirr studierte.
»Nicht alle, nicht einmal die meisten«, versicherte Fogarty ihm. Er war ein jovialer Mann, und brachte selbst den unangebrachtesten Umständen noch einen Hauch seiner Lebenskraft. »Nur die Kühe, die wir auf O’Malleys Feld getrieben haben. Erinnert Ihr Euch noch, wie er seinen Kopf hin und her bewegte, wenn er mit Euch sprach? Das lag an seinem kranken Auge.« Er imitierte diese Gestik, und Cooper schloß seine Augen bei diesem Anblick.
»Es sind schreckliche Zeiten für Mayo«, meinte Kate, »wenn ein Mann sein Land nicht so nutzen kann, wie er es für richtig hält.«
»Richtig hält, verdammt«, sagte Cooper. »Wie irgend so ein verfluchter Hypothekengeier in Capel Street es für richtig hält. Ich glaube, ich könnte ein wenig Tee vertragen.« Er schlürfte ihn rot und stark, mit viel Zucker. Er preßte kleine, viereckige Hände auf plumpe Knie, die seine ledernen Hosen zu sprengen drohten, ein kurzbeiniger Mann mit einem runden und kompakten Kopf wie eine Kanonenkugel. »Als ob dieses Land nicht schon genug Ärger hätte. Die Whiteboys von Killala. O Jesus, womit habe ich diesen ganzen Ärger bloß verdient!«
»Schwere Zeiten, Captain«, sagte Fogarty. »Schwere Zeiten.«
»Ich werd sie noch schwerer machen«, sagte Cooper, »so schwer, daß sie am Ende an einem Seil in Castlebar tanzen.«
»Das werdet Ihr gewiß, Captain. Das werdet Ihr gewiß. Kein besserer Mann. Sowie wir wissen, wer sie sind.«
»Meine eigenen Pächter, das sind sie, und ich hab davon nicht so viel, daß ihr Benehmen ein Geheimnis bleibt. Und wenn mir das Gesetz keine Genugtuung verschaffen kann, dann mach ich mich mit einer Bande von MacCaffertys über sie her.«
»Aber sicher doch, Captain.«
»Wir sind hier nicht in Dublin, wißt Ihr. Wir sind hier in Mayo, und wir bringen die Dinge auf unsere Weise in Ordnung. Wir sind hier Iren, und Iren, bei Gott, die auf ihren eigenen Füßen stehen.«
»Wenn du jetzt damit fertig bist«, sagte Kate, »dann erzählst du uns vielleicht, was du vorhast.« Sie war eine gutaussehende Frau mit groben Zügen, mit breitem, humorvollem Mund und achatgrünen Augen.
Er warf ihr einen Blick zu und schaute dann in die andere Richtung. »Fogarty, Ihr braucht hier nicht mit leerem Magen zu sitzen. Kate, klingel doch mal nach Brid und gieß dem Mann eine Tasse Tee ein, solange er wartet.«
»Tee wäre wunderbar«, stimmte Fogarty zu. »Ich habe schon vor zwei Stunden gefrühstückt. Ich habe Paddy Joe und seinen Sohn an den umgeworfenen Zaun gesetzt.«
»Ihr seid doch wirklich ein umsichtiges Luder«, sagte Cooper, fügte dann aber schnell hinzu: »Ach, Tim, tut mir leid, ich bin ganz außer mir.« Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ich wollte dieses Vieh auf dem Markt verkaufen. Jetzt weiß ich einfach nicht, was ich tun soll.«
»Schon gut, Sam. Es ist eine üble Sache.« Er nippte an dem glühendheißen Tee und fügte Zucker hinzu.
»Und nun, Sam«, sagte Kate, »was hast du vor?«
»Ich habe ein Fünftel des Landes als Weideland vorgesehen, und das ist der einzige Ausweg. Das wißt ihr beide. Und ich werde nicht der letzte Grundbesitzer hier sein, der das macht, nur hatte ich das Pech, der erste zu sein.«
»Dann hättest du lieber warten sollen«, meinte Kate. »Bis du Gesellschaft bekommst.«
»Warten war nicht möglich, Kate, dafür stecken wir zu sehr in der Klemme. Diese Hure von einer Baronie ist nicht für Bauern geschaffen. Das hier ist Weideland.«
Das Zimmer war zu klein für die Möbel, die hineingepfercht worden waren, ein riesengroßer Mahagonitisch, schwere Sessel mit weiten Lehnen und hohen, mit Gobelins bespannten Rücken, eine Anrichte aus Olivenholz. Zwei vom Rauch nachgedunkelte Porträts sahen einander über den Tisch hinweg an.
»Du mußt was unternehmen«, sagte sie. »Die Drohung der Whiteboys hängt doch bei jedem Schritt, den du tust, über dir.«
»Und diese Dubliner Schmarotzer hängen mir am Arsch. Meinst du vielleicht, ich wüßte das nicht?«
Auf der anderen Seite der Diele, in seinem kleinen Büro, war sein ganzer Schreibtisch mit Papieren übersät. Wie konnte jemand so viel Land haben und doch so arm sein? Das Land war zwar schon so schwer belastet gewesen, als sein Vater starb, und auf der Straße der hohen Hypotheken war keine Umkehr möglich. Aber die Straße hatte einst, vor sieben oder acht Jahren, einladend ausgesehen. Es waren gute Jahre gewesen, nach dem Tod seines Vaters und vor seiner Hochzeit. Damals hätte er Mount Pleasant genausogut Liberty Hall nennen können, auch wenn er sich im Grunde keine Leichtlebigkeiten geleistet hatte. Jeden flotten jungen Mann der Baronie hatte er zu Gast gehabt und durchaus nicht nur Protestanten, er war kein Frömmler. Die beiden Routledges waren willkommen gewesen, Tom Bellew und Corny O’Dowd, der alte katholische Stamm, gute Reiter für die Jagd. Der Dielenboden trug immer noch die Spuren von damals, als Corny O’Dowd hereingeritten war. Das alles war nun vorbei, und wieder braute sich schwarzer Haß zwischen den Konfessionen zusammen.
»Du mußt sie jetzt aufhalten«, sagte Kate.
Er verschüttete seinen Tee. »Du bist so schlimm wie die anderen. Hat mein eigener Vater mir nicht gesagt, ich könnte genausogut mein Haus auf Sumpfboden bauen wie eine Papistin heiraten?« Er rutschte auf seinem Sitz herum. »Warum zum Teufel ich dich überhaupt heiraten mußte, das frage ich mich jede Nacht, wenn ich nicht schlafen kann.« Wenn sie Kinder bekämen, würde sie ihnen den Rosenkranz beibringen, das war doch immer so bei Mischehen.
»Dann brauchst du dir diese Frage ja nicht gar zu oft zu stellen.«
»Nun, Ma’am«, sagte Fogarty, »ganz herzlichen Dank für den Tee.«
»Ihr sitzt, wo man es Euch befohlen hat«, sagte Kate, »und Ihr geht, wenn man Euch verabschiedet hat.« Sie beugte sich zu ihrem Mann hinüber. »Du hast diese spezielle Papistin geheiratet, weil du dermaßen auf die Wonnen des Bettes erpicht warst und ein gutes Geschäft erkanntest, wenn du eins sahst.«
Cooper setzte zu einer Antwort an, platzte dann aber heraus: »Bei Gott, Kate, du hast recht. Es war ein verdammt gutes Geschäft. Aber ich kann doch deine verdammten Papisten nicht ...«
»Meine verdammten Papisten, ja? Meinst du, Thomas Treacy wäre sicher, oder George Moore? Wenn Whiteboys ohne Strafe davonkommen, ist kein Grundbesitzer mehr vor ihnen sicher.« Sie legte ihre Hand auf den Tisch. »Hast du nicht genug Verstand, um das selber zu begreifen? Du hast eine Handvoll Männer, die Angst haben, sie könnten vom Land vertrieben werden, und vielleicht ein paar Landstreicher, die gern Unheil anrichten. Und wenn du keinen Denunzianten findest, wirst du nie erfahren, wer sie sind, ehe nicht die Hälfte aller Männer in der Baronie den Eid abgelegt hat, und das wird für dich zu spät sein. Ihr habt keine Andeutungen über diese Sache gehört, Tim, oder?«
»Nein, Ma’am. Als wir Sqint O’Malley verjagt und seine Hütte abgerissen haben, stand ein Haufen von ihnen jammernd auf der Straße, aber das ist immer so. Ihr habt schon recht, Ma’am. Jetzt sind’s nur eine Handvoll Männer, aber sie werden schnell mehr werden.«
»Hast du das gehört, Sam? Es gibt nur einen Ausweg, und zwar mußt du dafür sorgen, daß sie vor dir mehr Angst haben als vor den Whiteboys. Und du kannst ihnen nur Angst einjagen, wenn du ein paar Hütten abreißt und einige von ihnen in einem Karren nach Castlebar schickst.«
»Jesus, was bist du für eine harte Frau, Kate.«
»Irland ist hart. Ich habe gelernt, hier zu leben, indem ich meinen Vater beobachtet habe. Das war ein Mann, von dem man etwas lernen konnte. Auf der einen Seite hatte er die Protestanten und auf der anderen die Whiteboys, und alles, was er auf dieser Welt besaß, als er anfing, waren ein paar hundert Hektar schlechtes Pachtland, das er an Leute vermietete, die nichts besseres bekommen konnten. Und er hatte nichts zu seiner Verteidigung als eine Peitsche mit Blei im Griff.«
»Jetzt ist nicht die richtige Zeit für Geschichten über deinen Vater«, sagte Cooper. Zottig, riesenhaft, behaarte Ohren und Nasenlöcher, die bleierne Peitsche, über die es viele Sagen gab.
»Ihr erinnert Euch doch an meinen Vater, nicht wahr, Tim?«
»Selbstverständlich, Ma’am«, sagte Fogarty ehrerbietig. »Selbstverständlich.«
Sie ähnelten einander sehr, ihr Vater und Fogarty. Irgendwo im Strohdach von Fogartys Hütte war ein Ledersack voller Silberschillinge und Goldsovereigns versteckt, jedes Jahr kam etwas dazu, und er hatte ein Stück Land im Auge, vielleicht einen Teil von Coopers Land. Sie hungerten nach Land wie andere Männer nach Frauen oder Whiskey. Irgendwann würde Fogarty erscheinen, das graue, fettige Band seines Hutes streicheln, über eine langfristige Pacht reden, und den Sack einfach auf den Tisch hauen. Dann könnte er sein Geschäft als Mittelsmann beginnen. So hatte der alte Mahoney, Kates Vater, vor vierzig Jahren angefangen, als Papisten kein eigenes Land kaufen durften. Sie klagen über die ketzerischen Grundbesitzer, aber ihresgleichen läßt sie am ärgsten bluten. Die schlimmsten Pachtwucherer sind die papistischen Mittelsmänner. Knechte werden schlechte Herren.
»Castlebar ist nicht einmal nötig«, sagte Kate. »Laß doch die Richter ein paar von den wahrscheinlichsten Schurken festnehmen und ins Gefängnis von Ballina werfen. Und wenn sie bei der Auswahl zu vorsichtig sind, werden sie den Schaden davontragen. Es wirkt Wunder, einen Kerl ins Gefängnis zu sperren und ihm die Peitsche unter die Nase zu halten.«
»Das ging vor vierzig Jahren, Kate. Jetzt gehört eine Anklage dazu.«
»Bist du denn nicht jetzt das Gesetz in Killala? Ist die Miliz von Tyrawley nicht das Gesetz? Wieso hast du sonst das bitter nötige Geld für rote Uniformen aus dem Fenster geworfen?«
»Das ist doch etwas ganz anderes«, sagte Cooper, plötzlich steif. Er schien auf seinem Stuhl zu wachsen. »Die Miliz ist gegründet worden, um diese Baronie für Seine Majestät den König zu halten.«
»Was immer das heißen mag«, sagte Kate beißend.
»Nun, du weißt, was das heißt. Es ist unsere Aufgabe, diese Küste gegen die Franzosen zu verteidigen und diese Baronie vor Rebellen zu schützen.«
Kate mußte plötzlich lachen. »Hört ihn Euch an, Tim. Hört ihn Euch an!« Sie packte Fogartys Arm, als wollten sie gemeinsam ihr Urteil über ihren Mann fällen. »Ich schwöre bei Gott, daß alle Männer Kinder sind.«
Alle, außer ihrem Vater.
»Du Riesentrottel«, sagte sie zu Cooper. »Was ist denn ein Whiteboy anderes als ein Rebell?«
»Aber nicht gegen die Krone«, erklärte Cooper und zwang sich zur Geduld. »Hast du denn keine Ohren im Kopf? Hast du nichts über den Süden dieser Insel und ihren Norden gehört? Die Bauern haben sich gegen die Krone erhoben. Sie haben Wexford zerstört. Die Engländer mußten eine Armee herüberschicken, um sie niederzuschlagen. Gott sei Dank gibt es in Mayo keine United Irishmen, es gibt keine Rebellen. Es gibt nur Whiteboys.«
»Nur Whiteboys«, wiederholte Kate verächtlich. »Es sind die Whiteboys, nicht die Rebellen von Wexford, die dich nackt und hungrig auf die Straße jagen können. Die Whiteboys rebellieren gegen dich, und du hast hundert Männer, die dir ihre roten Jacken verdanken.«
Cooper schüttelte den Kopf. »Ein Whiteboykrieg mitten in der Rebellion. Mein Gott, was für ein Land!«
»Kaum ein Unterschied«, meinte Kate. »Dieses Jahr Whiteboys, nächstes Jahr Rebellen. Wenn es jemals in Mayo eine Rebellion gäbe, wären dann deine Whiteboys nicht mittendrin?«
»Doch, bei Gott«, antwortete Cooper.
»Na also! Nimm deine Miliz und stell die Baronie auf den Kopf. Bring den Zorn Gottes auf dieses Pack herab. Das hätte dein Vater getan. Er war ein gemeiner, gelbhäutiger Protestant, aber er wußte, wie er mit Whiteboys umzugehen hatte.«
»Kannst du mir nicht zuhören, wenn ich dir erkläre, daß die Zeiten meines Vaters vorbei sind, und die Zeiten deines Vaters erst recht? Ich bin von Dublin aus eingesetzt und Dublin verantwortlich.«
»Du hast einfach Angst, die Miliz einzusetzen, nicht wahr? Warum muß ich dir sagen, was du zu tun hast? Sprich mit Dennis Browne. Er ist der High Sheriff von Mayo und Parlamentsabgeordneter für Mayo und Bruder von Lord Altamont. Wenn es einen Mann gibt, der Mayo mit einem Fingerschnippen regieren kann, dann ist es Dennis Browne.«
»Dennis Browne, ja?« Er lachte und wandte sich an Fogarty, der mit einem Lächeln reagierte. »Du weißt wenig über die Angelegenheiten deines eigenen Ehemannes. Erst vor fünf Jahren standen Dennis Browne und ich auf dem Feld und schossen mit Pistolen aufeinander.«
»Nein, das wußte ich wirklich nicht. Was war denn in euch beide gefahren?«
»Es berührte die Ehre einer jungen Dame. Und damit ist genug über diese Angelegenheit gesagt.«
»Es berührte die Ehre einer Dame?« wiederholte Kate. »Das ist doch der einzige Teil einer Frau, den Dennis Browne niemals berühren würde. Er ist genauso schlimm wie MacCarthy unten in Killala.«
»Es gab gewisse Umstände«, erklärte Cooper. »Sehr delikate Umstände. Aber alles war aus und vorbei, als ich dich kennengelernt habe, Liebste.«
»Darauf kannst du dich verlassen«, sagte Kate.
»Aus und vorbei«, wiederholte Cooper. »Aber es gibt wenig Zuneigung zwischen uns. Ach, und was konnte er denn je mit Leuten wie mir oder Gibson oder Saunders oder den anderen kleinen Grundbesitzern anfangen? Er interessiert sich nur für die reichen Männer, für seinen Bruder, den Hohen Lord und ihresgleichen. Und sein Bruder und er selber sind da draußen in Westport sicher.«
»Niemand wird sicher sein.« Kate biß sich nachdenklich auf die Lippe. »Gibt es denn hier niemanden, auf den er hört?«
»Nur einen«, antwortete Cooper. »George Moore von Moore Hall.«
»Ein gutaussehender Mann«, sagte Kate. »Ist nicht sehr gesellig, aber er ist ein gutaussehender Mann. Und er ist römisch-katholisch.«
»Die Brownes sind doch selber halbe Papisten. Sie sind weder Fisch noch Fleisch. Und George Moore ist verrückt. Ein Mann, der mitten in Mayo sitzt und Bücher schreibt, ist verrückt.«
»Anders als du«, sagte sie, »hat er nie versucht, Dennis Browne umzubringen, und anders als du gehört er zum Landadel!«
»Landadel, ja? Bei Gott, das ist eine feine Rede für Mick Mahoneys Tochter.«
»Schön, daß sie dir gefällt. Ich kann dir noch viel mehr erzählen.«
»Fogarty, warum zum Teufel sitzt Ihr hier und glotzt bessere Leute als Euresgleichen an, während die Angelegenheiten der Baronie diskutiert werden? Der Tee ist eiskalt, und Paddy Joe und sein Sohn stehen unten am Weidezaun und fragen sich, wie sie einen Stein auf den anderen legen sollen, ohne daß er wieder herunterfällt.«
»Das wollte ich gerade sagen, Captain. Das wollte ich gerade sagen. Ich werd mich sofort um sie kümmern.« Er erhob sich und zeigte dann auf den Brief. »Mrs. Cooper hat allerdings recht, Captain. Sie müssen jetzt gestoppt werden. Ihr habt gesehen, an wen sich dieser Brief richtet. Nicht an Euch allein. ›An die Grundbesitzer und die Mittelsmänner der Baronie‹, fängt er an. Das ist die echte Whiteboysprache, und es muß ausgemerzt werden, wie Euer Vater das in den alten Zeiten gemacht hat.«
Cooper behielt die Tür im Auge, bis sie geschlossen war. Fogarty hatte gut reden. Vor dreißig, sogar noch vor zwanzig Jahren hätte sich sein Vater ein paar muntere junge Protestanten gesucht – oder besser noch, seine Lieblingspapisten, die MacCaffertys – und Tyrawley auf den Kopf gestellt. Jetzt war nichts mehr klar. Vielleicht gehörte Cooper nicht zum Landadel. Vielleicht war er nur ein Bauer, der versuchte, in einem harten Land seinen Boden zu halten. Selbstmitleid schwoll wie ein weicher Schwamm in seiner Brust an. Er quetschte ihn aus.
»Vielleicht gehöre ich nicht zum Landadel, Kate, aber ich werde dazu gezählt. Ich habe ein Bild von meinem Urgroßvater an der Wand hängen. Nicht deine großen Lords haben seit Cromwells Tagen Mayo für die Krone gehalten. Es waren Männer wie ich und Gibson, und schön hat man uns dafür gedankt. Als deine großen Lords in England waren, haben Männer wie mein Urgroßvater die Straßenräuber vertrieben. Männer wie wir haben Mayo genommen und gehalten.«
»Dann solltest du es auch weiter halten.«
»Wie denn? Was zum Teufel soll ich denn machen?«
»Geh nach Ballintubber und bitte George Moore, mit Dennis Browne zu reden. Und dann schickst du diesen Schurken deine Miliz auf den Hals.«
»Mein Gott, was bist du bloß für eine Frau! Du hättest als Mann geboren werden sollen.«
»Dann würde ich mich in deinem Bett aber schön ausmachen. Ich bin eine Frau, und das weißt du sehr gut. Mir ist es doch egal, Sam, ob du zum Landadel gehörst oder nicht. Wenn du so aufgewachsen wärst wie ich, Sam, als Papistin unter Papisten, hättest du die Nase voll von solchem Gefasel. Jeder O und jeder Mac reitet darauf herum, wie groß sie in den Zeiten vor Cromwell waren und wieviel Land er ihnen weggenommen hat. Wenn du all dieses Land zusammenlegtest, würde Mayo so weit ins Meer hineinreichen, daß du auf Croagh Patrick stehen und bis nach New York sehen könntest. Das ist alles aus und vorbei. Jetzt geht es um das Land, und wem es gehört. Ich will, daß wir Mount Pleasant behalten, und wenn wir aus jeder Rute Landes eine Weide machen müssen.«
»Werden sehen, Kate. Werden sehen. Aber jetzt gehe ich wohl besser nach unten. Fogarty weiß wenig über Steinzäune, und Paddy Joe noch weniger.«
»Und Paddy Joe wird ›Schönes Wetter heute‹ zu dir sagen, und du antwortest ›In der Tat‹, und dabei könnte Paddy Joe einer von denen sein, denen wir auf die Finger hauen sollten.«
»Nicht doch, Frau. Bist du verrückt? Paddy Joes Vater hat dieses Stück Land von uns gepachtet, als der Vater meines Vaters starb. Sie sind keine Fast-Fremden, wie die O’Malleys.«
»Und glaubst du, die Whiteboys sind vom Mond gekommen? In Mayo zahlt es sich nicht aus, weich zu sein.«
»Dann habe ich wirklich Glück, Kate, denn du mußt Millionen wert sein.«
Sie saß auf ihrer Stuhlkante und umklammerte die Lehnen, ihre schwarzen Haare fielen lose über ihren Schlafrock. Er wußte, daß er Glück hatte. Wer zu Hause mit so einer Frau, die eine Art natürliches Genie für die Freuden des Bettes hatte, sein Temperament messen konnte, brauchte kaum noch die Aufregungen von Glücksspiel und Jagd. Es war eine beeindruckende und erschreckende Mischung, ihre Dickköpfigkeit und ihre Lust. Eine solide, turbulente Ehe.
Cooper öffnete die Doppeltüren, die aus dem Eßzimmer hinausführten und ging auf die Terrasse, von wo aus er in der Ferne Fogarty und die beiden Paddy Joes sehen konnte. Kate hatte recht. Sie kannte diese Leute in- und auswendig – wer kannte sie besser? – und doch, wie er die Dinge auch drehte und wendete, er konnte keinen Ausweg finden. Es konnte vielleicht Kates feminine Blutrunst befriedigen, wenn sie sich vorstellte, wie er mit Feuer und Schwert durch Killala tobte, an der Spitze der Miliz, aber diese kriegerische Vorstellung hatte nur wenig mit den Tatsachen zu tun. In Wexford hatte, nach allem, was man so hörte, General Lake seine Soldaten auf das Land losgelassen, aber in Wexford hatte es einen Aufstand gegeben, und Lake hatte unter Kriegsrecht gehandelt. Es wäre für Cooper eine Freude, diese Whiteboys in Castlebar hängen zu sehen, aber ihm fehlte Kates Skrupellosigkeit. Ohne es aussprechen zu können, liebte er Mayo innig.
Er war weder von Phantasie noch von historischem Wissen sonderlich belastet, aber manchmal fragte er sich doch, wie sein Land zuerst auf seinen Urur-oder-so-Großvater gewirkt hatte, einen Sergeant, der mit Ireton marschiert war. Die Papisten hatten sich erhoben, wie sie das immer machten, hatten Hunderte von Siedlern erschlagen und Tausende vertrieben, die dann im Winter auf den Straßen von Ulster umgekommen waren. Cromwell, der in England Probleme genug hatte, hatte sich die dringend benötigte Zeit abgeknapst, um über Irland herzufallen und eine Rebellion zu unterdrücken, die sich über das ganze Land verbreitet hatte. Irisches Land wurde an englische Gesellschaften verkauft, kleinere Parzellen wurden den Soldaten anstelle ihres Soldes zugeteilt. Auf diese Weise war Sergeant Joshua Cooper, ein Londoner Schlosser, nach Mayo gekommen, hatte Land in Besitz genommen, das er nicht durch das Schwert der irdischen Eroberungen, sondern durch Christi züchtigendes Schwert erworben hatte, das zur Rache für Seine gemordeten Heiligen in die Wüste getragen worden war. Umgeben von einem düsteren und geschlagenen Volk, das in Barbarei versunken war und das Licht haßte, hatte er seine Felder beansprucht und behalten.
Die Kette der Generationen verband Sergeant Cooper aus London und Captain Cooper von Mount Pleasant. Aber wer in dieser Kette hatte als erster das Land wirklich als sein Eigentum betrachtet, ihm zugeteilt durch stärkere Ansprüche als die, die in gesetzlichen Dokumenten stehen? Wer hatte als erster die Schlosserwerkstatt abgeschüttelt und sich als Gentleman betrachtet, nicht nur als Besitzer von Mount Pleasant, sondern als seinen Herrn? Vielleicht Joshuas Sohn Jonathan, der 1690 seine Kompanie ausgehoben hatte, um König Billy an der Boyne und in Aughrim und Limerick zu dienen, der heim nach Mount Pleasant ritt und es fünf Jahre lang gegen die sporadischen Überfälle der Straßenräuber verteidigte, der nun herrenlosen Schwertkämpfer des geschlagenen James Stuart. Es war Jonathan, der dieses Haus gebaut und der ihm seinen Namen gegeben hatte. Schwere Blenden mit Schießscharten zeugten noch immer von den Gefahren jener Zeit, der Name selber jedoch, Mount Pleasant, deutete an, daß er in Mayo mehr als nur Moore und Morde gefunden hatte. Joshua und Jonathan, die aufeinanderfolgenden Gründer von Coopers Familie, sahen einander von den Wänden des Eßzimmers her an; grimmig schauender Roundhead und dickhalsiger Williamit, mit einem Tupfer von Spitzen unter dem Kinn, erstes Anzeichen der Vornehmheit, ein weißer Ausschlag. Der biblische Klang ihrer Namen gefiel Cooper; er allein war schon ein Anspruch auf ihren Besitz, Mayo war ihr Kanaan.
Zu Lebzeiten von Coopers Großvater hatte Efeu begonnen, an den Wänden des einst befestigten Farmhauses emporzuklettern. Im Haus waren die Zimmer mit schweren Kommoden und Betten vollgestopft worden, in Dublin gekauft und per Schiff um die Küste herum nach Killala gebracht. Der Großvater prahlte damit, daß in seiner Jugend einmal Carolan, der große blinde Harfner, im Salon gespielt und zu dieser Gelegenheit sein »Planxty Squire Cooper« komponiert hätte. Hochzeiten hatten aus Mount Pleasant einen Knoten im Netzwerk der protestantischen Grundbesitzer werden lassen, das die Geschichte über Mayo ausgebreitet hatte. Es bestand keine Notwendigkeit mehr für die Blenden mit den Schießscharten, und Joshua und Jonathan waren zu patriarchalischen Legenden geworden. Das Land gehörte jetzt Cooper. Es besaß ihn. Einst, weit weg im braunen Moor der Vergangenheit, hatte es einer O’Donnell-Familie gehört. Ein junger Bauer auf Coopers Land, Ferdy O’Donnell, hatte ihm einmal eine wertlose Kuriosität gezeigt, ein Stück Pergament, das die Tatsache in verblaßter Tinte von der Farbe alten, getrockneten Blutes bestätigte.