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Moore Hall, 17. Juni

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Ein großes, schönes Haus, erbaut aus blaßgrauen Kalksteinquadern, erhob sich vier Stockwerke hoch gegenüber dem sanften, von Bäumen überschatteten Loch Carra. Es war ein neues Haus, weniger als zehn Jahre alt, und von einem früheren George Moore, dem Vater des derzeitigen Besitzers, nach seiner Heimkehr aus dem spanischen Exil erbaut worden. Um 1750 war er, unterdrückt von den Penal Laws gegen die Katholiken, nach Spanien ausgewandert und hatte geschworen, dort sein Glück zu machen oder zu verderben. Er arbeitete zunächst als Buchhalter und heiratete nach einigen Jahren die Tochter eines anderen irischen Emigranten. Um 1780 war er einer der mächtigen Kaufleute von Alicante, Besitzer von Weinbergen und einer Flotte, die zwischen Spanien und den Küstenstädten Galway, Westport und Killala Handel trieb. Dieselben Schiffe machten auch weniger offene, aber einträglichere Geschäfte. Sie schmuggelten Schnaps und Spitzen, Satin und Seide zu den einsamen Stränden von Connaught. Porträts von Moore und seiner Frau, in spanischer Hofkleidung, hingen in Moore Hall. Aber er war nur halb-hispanisiert gewesen und hatte von Anfang an vorgehabt, nach Mayo zurückzukehren. Er ließ seine beiden Söhne George und John in England von katholischen Hauslehrern erziehen. Und er besuchte 1780 Irland, wo nun durch den Act of Relief Katholiken gestattet wurde, den Gefolgschaftseid für George III abzulegen und Land in langfristiger Pacht zu übernehmen. Wenn er an den Mittelmeerabenden auf der Terrasse seines weißen, flachdachigen Hauses saß und über Mandelbäume und Orangenbäume auf die Bucht von Alicante blickte, dann dachte er an braune Moore und vom Regen durchtränkte Felder in Mayo. Er hatte an Mayo gedacht, als er auf den verwitterten Brettern der spanischen Werften stand und zusah, wie seine Schiffe mit Wein nach Connaught segelten und mit dem grünen und braunen Seetang Connemaras aus Connaught zurückkamen. Und als er sein Vermögen angehäuft hatte, an die 250.000 Pfund, wie in Mayo behauptet wurde, verkaufte er seinen gesamten spanischen Besitz mit Ausnahme der Weinberge und des Hauses im Schatten der Palmen und kehrte heim.

Er hatte in der Nähe von Ashbrook, seinem Geburtshaus, bauen wollen, war aber bei seiner Inspektionsreise an dem niedrigen, einsamen Hügel von Muckloon vorbeigekommen. Er hielt seine Kutsche an, kletterte auf den Hügel und sah Loch Carra zu seinen Füßen. Hier baute er, nachdem er zuerst den Hügel und achthundert Hektar durch direkten Kauf erworben hatte, was ihm ein neueres Gesetz erlaubte. Ein Architekt namens Aitken wurde aus London geholt und entwarf nach Moores Angaben ein streng symmetrisches, aber elegantes Haus, das mit der exakten Feinheit einer Graviernadel vor seinen Hintergrund aus dichtem Wald gezeichnet war. Drei Kalksteintreppen marschierten wie ein Regiment auf die massive Tür zu, die sich öffnete, um eine Halle unter einer gewölbten Decke zu zeigen, blau wie der Himmel von Mayo, mit ovalen Medaillons aus weißem Stuck. Lange, ehe das Haus vollendet war, hatte er sein Motto über der Tür angebracht: Fortis cedere non potest. Mayo brachte eine freie Übersetzung: »Kratz einen Moore, und du blutest selber.« Über dem Säulengang mit seinen vier Säulen befand sich ein Balkon, hinter dem das Sommerzimmer lag, und hier saß er abends und schaute auf Loch Carra, während die Hämmer der Steinmetze unter ihm widerhallten.

Er hatte seinen eigenen Krieg geführt und gewonnen. Die Moores waren reicher und mächtiger nach Mayo zurückgekehrt, als sie gewesen waren, ehe das katholische Irland durch James’ Niederlage an der Boyne zerschlagen worden war. Da ihm jegliche Sympathie für tote Ziele fehlte, war er ein treuer, wenn auch zynischer Untertan König Georges und ein gewissenhafter, wenn auch kein frommer Katholik. Er hatte in Moore Hall eine Kapelle gebaut und sie mit einem Altar, Altardecken, die das Weiß ihrer Umgebung mit scharlachroten und goldenen Farbtupfern versahen, und einem massiven goldenen Kreuz aus Spanien ausgestattet. Er hatte die Abschaffung vieler der Penal Laws miterlebt, die ihn in seiner Jugend unterdrückt hatten, und angenommen, daß die übrigen auch abgeschafft werden würden. Er gab den verschiedenen katholischen Organisationen großzügige Spenden, kümmerte sich aber nicht um ihre Unternehmungen. Daß ihm das Gesetz verbot, im Dubliner Parlament zu sitzen, scherte ihn nicht, denn er hatte gar kein Verlangen danach. Ihm war viel wichtiger, daß seine Stimme bei der Auswahl der Männer zählte, die Mayo dort vertreten sollten, und er teilte mit den anderen Gentlemen von Mayo das befriedigende Wissen, daß Dennis Browne sich aufrichtig um ihre Interessen kümmerte. Die Brownes und die Moores kamen aus derselben Welt, und wenn die Brownes ihren Glauben gewechselt hatten, um ihren Besitz zu behalten, war er nicht derjenige, der eine Entscheidung kritisierte, die er selber nicht getroffen hatte. Noch andere Familien des katholischen Landadels waren spärlich über Mayo verteilt: Blakes und Dillons, O’Dowds und Treacys und MacDonnells. Er hatte vorgehabt, daß seine Söhne in diese Familien einheiraten sollten, aber da hatte er die Rechnung ohne das Temperament seines Sohnes George gemacht.

Eines Abends im Sommer 1795 saß der ältere Moore länger als gewöhnlich in seinem Sessel auf dem Balkon von Moore Hall, und ein Diener, der ihn wecken wollte, stellte seinen Tod fest. George Moore verkaufte sofort seine kleine Villa an der Themse und ließ dann seine Papiere und seine beträchtliche Bibliothek per Schiff nach Mayo schaffen. Er konnte seinen englischen Freunden keine Erklärung geben, nicht, weil er keine hatte, sondern weil er befürchtete, daß sie ihn nicht verstehen würden. Was die Moores hatten, behielten sie, und was sie behielten, war ein Hügel in Mayo, mit Blick auf einen See. Alicante, London, Paris waren die drei Punkte auf seinem Kompaß, aber die Nadel zeigte nach Westen, nach Mayo. London bedeutete ihm so viel und so wenig wie die Orangenhaine von Alicante seinem Vater bedeutet hatten. Sohn und Vater teilten diese fast heimliche Liebe zu einem Ort, eine vergilianische Frömmigkeit.

Der jüngere George Moore war ein schlanker Mann, etwas größer als der Durchschnitt, aber mit den gebeugten Schultern des Gelehrten, und sein Gesicht war gutaussehend, blaß und gelassen. Er sprach voller Ernst, aber oft mit der Höflichkeit, die sorglos über Ironie geworfen wird. Er war ein Schriftsteller und wollte zum Historiker werden. Sein kleines Buch über die englischen Whigs und die Glorreiche Revolution hatte die Aufmerksamkeit von Burke erregt, und die beiden waren Freunde geworden. Seit einem Jahr befaßte er sich nun mit einem Experiment, einem Versuch, die jüngste Geschichte mit der meditativen Neutralität zu behandeln, die andere Autoren der Vergangenheit widmeten. Er schrieb eine Geschichte des Aufstiegs und der Zerstörung der Girondistischen Partei in Frankreich, und seine Bereitwilligkeit, sich auf ihre Ideale einzulassen, mit ihren Taten, ihren Fehlern und ihrer Torheit zu sympathisieren, hatte mehrere seiner englischen Freundschaften verdüstert.

In London hatte er zur Holland-House-Gruppe gehört, was seinem Freund Burke sehr mißfallen hatte, und seine Neigung zur Gelehrsamkeit hatte ihn nicht daran gehindert, sich in verschiedene Liebesaffairen einzulassen, die schließlich zu Skandalen geworden waren. In einem Fall war es zu einem Duell mit einem Ehemann gekommen, zum großen Mißvergnügen seines Vaters. Nur weniges an George Moore hatte seinem Vater gefallen, der sich einen praktischen Land-Gentleman erhofft hatte, der sich in nichts von seinem protestantischen Nachbarn unterschied. Und George hatte sich seinerseits darüber gegrämt, daß sein Vater John, das Kind seiner alten Tage, ein erfolgloser Jurastudent, aber hervorragender Jagdreiter, ein lebhafter, temperamentvoller junger Mann, für den George selber eine fast väterliche Zuneigung empfand, so offen vorgezogen hatte. Keiner von beiden war der Erbe, den sich der alte Mann erhofft hatte, aber bei John hatte er Nachsicht gezeigt. Und weil sie niemals darüber sprachen, kamen weder Vater noch Sohn auf die Idee, daß sie eine tiefe, irrationale Liebe zu Mayo teilten.

Den ehemaligen Sommerraum seines Vaters machte er zur Bibliothek und arbeitete dort, nachdem er sehr früh aufgestanden war, an seiner Geschichte, mit Hilfe zahlloser kleiner Tassen auf französische Art zubereiteten Kaffees. Später frühstückte er unten zusammen mit John und zog sich dann ins Büro zurück, um sich den Angelegenheiten seines Landes zu widmen. Seine Nachmittage verbrachte er im Freien, denn das Gut war noch längst nicht vollendet, und er hatte wie sein Vater vor, es zu einer Gemeinde zu machen, die sich selber versorgen konnte, mit Schmiede, Wäscherei, Bäckerei, Ställen. Eine Stunde täglich jedoch, am späten Nachmittag, saß er auf dem Balkon über dem Säulengang und blickte auf den See. Diese Stunden brachten ihn seinem Vater näher, als er es zu seinen Lebzeiten je gewesen war. In seiner Vorstellung diskutierten Vater und Sohn, machten Pläne für das Gut, debattierten über Johns Zukunft. Die Bediensteten hatten gelernt, daß sie ihn nicht stören durften. Er saß auf dem Balkon, als Cooper in seiner roten Uniform die Auffahrt hochgeritten kam.

Er empfing Cooper mit ruhiger, zurückhaltender Höflichkeit und führte ihn in sein Büro, wo Cooper kurz vorgab, die Bücher zu bewundern, die aus der überfüllten Bibliothek hierhergebracht worden waren.

»Ihr habt hier wirklich eine Menge Bücher, Mr. Moore. Ich möchte wetten, daß es hier mehr Bücher gibt als im ganzen restlichen Mayo.«

»Das mag wohl so sein«, antwortete Moore. Er füllte zwei Gläser mit Sherry und reichte Cooper das eine. Dann steckte er den Stöpsel sorgfältig wieder in die Karaffe aus Waterford-Kristall.

Cooper nippte fachmännisch an seinem Glas. »Das ist spanischer Wein. Den würde ich überall herausschmecken. Aus Euren eigenen Weinbergen, nehme ich an?«

»Nein«, erwiderte Moore. »Sherry kommt aus der Umgebung von Cadiz. Unsere Weinberge liegen in Alicante, am Mittelmeer. Unser Wein ist zu süß für den britischen Geschmack.«

»Nun ja, auf jeden Fall ist es sehr guter Wein. Sehr mild in der Kehle.«

»Eure gute Meinung freut mich«, sagte Moore abwartend.

»Es ist wunderbar«, sagte Cooper, »sich vorzustellen, daß der Wein, den wir trinken, aus so seltsamen, weit entfernten Orten kommt.«

»In Spanien, natürlich, gilt Mayo als weit entfernt.«

»Aber nicht zu weit, eh? Ich weiß noch, daß mein Vater Fässer von den Schiffen Eures Vaters kaufte, die der Zoll nie gesehen hatte. Sie wurden an mondlosen Nächten in Kilcummin an den Strand gebracht, die Hälfte aller Gentlemen von Mayo wartete dort schon auf ihre Fässer. Ihr versteht, was ich meine?«

»Durchaus«, antwortete Moore. »Ich verstehe.«

»Es ist wirklich schade, daß wir uns nicht öfter sehen. Das habe ich erst heute morgen zu meiner Frau Kate gesagt. Ihr müßt sie kennen, sie ist eine der Euren.«

»Eine der meinen?« fragte Moore verwirrt.

»Eine Papistin. Ihr Vater war Mick Mahoney, der Viehzüchter. Den müßt Ihr doch sicher gekannt haben.«

»Nein«, sagte Moore. »Jedenfalls kann ich mich nicht an ihn erinnern.«

»Dann habt Ihr ihn nicht gekannt«, sagte Cooper enttäuscht. »Wenn Ihr diesen Burschen gekannt hättet, würdet Ihr Euch an ihn erinnern können.« Er nippte am Sherry. »Wirklich sehr schade, daß wir uns nicht besser kennen.«

»Vielleicht lernen wir uns ja besser kennen«, meinte Moore.

»Ja«, sagte Cooper. »vielleicht. Ich bin in einer offiziellen Angelegenheit hier. Einer Angelegenheit der Miliz.«

»Seid Ihr sicher, daß ich damit etwas zu tun habe? Soviel ich weiß, besteht die Miliz von Tyrawley ausschließlich aus Protestanten.«

»Nun, daran besteht kein Zweifel«, antwortete Cooper.

Verlegen polierte sein Daumen einen Messingknopf. »Weitgehend protestantisch in ihrer Zusammensetzung.«

»Aber nicht ausschließlich?«

»Nun ja, das ist eher eine Frage der lokalen Gewohnheit. Es ist besser, wenn die beiden Bekenntnisse unter sich bleiben.«

»Versteht mich nicht falsch, Captain Cooper. Ich habe durchaus keine Ambitionen in dieser Richtung, keine Begabung für das militärische Leben.«

»Im Grunde bin ich wegen der schwerwiegenden Unruhen hergekommen, die wir in Kilcummin gehabt haben. Ihr habt doch sicher davon gehört?«

»Nein«, sagte Moore. »Was waren das für Unruhen?«

»Es hat einen Ausbruch von Whiteboytum gegeben. Die Whiteboys von Killala nennen sie sich. Sie haben etliche Rinder abgestochen. Meine eigenen, ehrlich gesagt. Und sie drohen, allen Grundbesitzern, die ihr Land zu Weideland machen wollen, dasselbe anzutun.«

»Das könnte natürlich schwerwiegend sein«, stimmte Moore zu. »Wie ist das alles passiert?«

Er füllte ihre Gläser aufs neue.

»Ich habe es selber herausgefordert, nehme ich an. Ich hatte einen Pächter namens Squint O’Malley. Und er war ein verdammt schlechter Pächter, das kann ich Euch sagen. Er war überhaupt keiner von uns. Er ist vor ein paar Jahren von Achill herübergekommen. Er war weit im Rückstand mit der Pacht. Vor zwei Wochen habe ich ihn von meinem Verwalter vom Land vertreiben lassen.«

»Ihr hattet keine andere Wahl?«

»Keine. Meint Ihr, es gefällt mir, einen Mann und seine Familie auf die Straße zu jagen? Die Hypotheken und die Schulden machen mich einfach fertig. Im März habe ich den schlimmsten Gläubiger in Dublin aufgesucht, und er hat es mir offen gesagt. Ich muß beweisen, daß Mount Pleasant sich rentieren kann, und das geht nur durch Viehzucht. Da hat er völlig recht. Ich habe keine andere Wahl.«

»Vielleicht sind es keine Whiteboys«, meinte Moore. »Vielleicht will O’Malley sich nur rächen.«

»Das kann nicht sein«, widersprach Cooper. »O’Malley hat nichts mehr damit zu tun. Ich habe gehört, er ist in Erris, auf einem Stück Land, das dem Bruder seiner Frau gehört. Nein, es sind Whiteboys, und sie haben es auf uns alle abgesehen.« Er steckte die Hand in die Tasche, zog den Brief heraus, faltete ihn auseinander und reichte ihn Moore. Moore räumte seinen Tisch frei und glättete den Brief mit langer, blasser Hand. Dann nahm er seine Lesebrille aus ihrem Etui. »›An die Grundbesitzer und Mittelsmänner der Baronie. Laßt euch Cooper eine Warnung sein.‹« Er las den Brief, warf Cooper einmal einen Blick zu, und las den Brief dann noch einmal mit größerer Aufmerksamkeit. Er lächelte mehrmals, behielt aber ansonsten seinen ruhigen Ernst bei.

»Das ist ein höchst kurioses Dokument«, sagte er. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«

»Natürlich habt Ihr das nicht, nicht in London oder an einem anderen zivilisierten Ort. Aber in der Vergangenheit gab es hier oft genug solche Briefe.«

»Ihr mißversteht mich«, sagte Moore. »Das hier ist mit beträchtlicher Beredsamkeit geschrieben. Hört doch nur. ›Clownischer Knecht, kümmerst dich nicht um Kinderleben, nur um Kühe.‹«

»Damit bin ich gemeint«, sagte Cooper. »Soll ich Unverschämtheit etwa als Beredsamkeit bewundern?«

»›Laßt Cooper allen Knechten eine Warnung sein. Das Volk von Tyrawley hat mit seinem Schweiß die Äcker getränkt, die es bestellt. Wenn die Sonne aufgeht, sind sie schon an ihrer mühseligen Arbeit, und der weiße Mond wacht über ihrer Armut.‹ Das hat kein Pflüger geschrieben.«

»Natürlich nicht«, sagte Cooper gereizt. »Jeder von den zwanzig Schulmeistern der Baronie hätte es schreiben können. Diese Schulmeister sind verdammte Bastarde.«

»Ja«, sagte Moore zufrieden. »Das könnte sein. Es hat die Steifheit einer Übersetzung.«

»Früher gab es Gesetze gegen die Schulmeister, und das waren gute Gesetze. Wieso sollen papistische Bauern denn lesen und schreiben lernen?«

Zorn, wie Eisstücke, zuckte durch Moores milde blaue Augen und verschwand wieder. »Es könnte wirklich eine ernste Angelegenheit sein«, sagte er. »Darf ich annehmen, daß Ihr den ganzen Weg von Ballintubber hergeritten seid, um einen Rat einzuholen?«

»Nicht so ganz. Oder doch, wir wären sehr glücklich über Euren Rat, aber vor allem brauchen wir Eure Unterstützung.«

»Und mit ›wir‹ sind Gibson und Saunders und Eure anderen Nachbarn gemeint, nehme ich an?«

»Stimmt. Die kleinen Grundbesitzer von Kilcummin und Killala. Wir haben hier schon vor Jahren Ärger mit Whiteboys gehabt, und wir wissen, wie wir mit ihnen umzugehen haben. Jetzt brauchen wir die Unterstützung von Dennis Browne.«

Moore strich sich mit den Fingerspitzen über die Stirn. »Ich verstehe das alles nicht, Captain Cooper. Wenn Ihr Dennis Browne braucht, solltet Ihr mit ihm reden, und nicht mit mir. Aber warum braucht Ihr Browne? Wenn es in Tyrawley Unruhen gibt, dann müßt Ihr General Hutchinson in Galway City darüber informieren.«

»Das ist keine Aufgabe für Hutchinsons Soldaten. Wir können mit den Burschen fertig werden, wenn man uns freie Hand läßt.«

»Das ist doch sicher ein Fall für die Gerichte. Ihr seid selber Richter, nicht wahr? Und Gibson auch?«

»Das sind wir, sicher.« Cooper bezweifelte langsam, daß Kates Rat so weise gewesen war. Moore dachte offenbar sehr langsam, sein Gehirn war in seinen Büchern vergraben. »Und wir wollen auch nichts tun, was das Gesetz nicht gestattet.«

»Eine sehr löbliche Haltung der Richter, wenn es mir als Papisten gestattet ist, etwas dazu zu sagen.«

Vielleicht war es das. Kratze einen Papisten tief genug, und heraus kommt irgendein nagender Ehrgeiz. Ein Sitz im Parlament oder auf der Gerichtsbank. Alles und jedes, was das Gesetz ihnen verbot.

»Das ist durchaus keine konfessionelle Frage«, versicherte er Moore auf eine Weise, die er für versöhnlich hielt. »Es ist Whiteboy-Ärger, und wir wissen beide, was das bedeutet. Aber wenn wir erst ein paar Burschen hinter den Karren gebunden und Riemen aus ihrem Hintern geschnitten haben, dann sind wir der Sache schon sehr nahe gekommen. Und die Angelegenheit wird vorbei sein, ehe sie richtig angefangen hat. So muß man’s machen.«

Moore starrte ihn ungläubig an. »Und das versteht Ihr unter ›freier Hand‹? Habe ich Euch richtig verstanden? Ihr seid um Hilfe gekommen, um Eure Miliz auf die Bauern der Baronie hetzen zu können?«

»Nicht Eure Hilfe, Mr. Moore. Aber Ihr steht Euch sehr gut mit Dennis Browne. Alle wissen, daß die Brownes und die Moores seit undenklichen Zeiten befreundet sind.«

»Ihr seid ein törichter Mann«, sagte Moore.

»Vielleicht seid Ihr hier der Törichte, Moore«, sagte Cooper. Diese plötzlichen, unerwarteten Worte beleidigten ihn weniger als die lässige Art, in der sie ausgesprochen worden waren. »Ihr kennt Mayo noch nicht.«

»Ich kenne es gut genug, um entsetzt zu sein«, erwiderte Moore. »Und Dennis Browne wäre das auch, wenn ich ihn nicht gänzlich falsch beurteile. Alle Männer von Umsicht und Diskretion wären entsetzt. Habt Ihr Eure Vorstellungen mit George Falkiner diskutiert? Er scheint ein vernünftiger Mann zu sein.«

»Ihr kennt Mayo nicht«, wiederholte Cooper stur. Und er hatte den ganzen Nachmittag mit dem Ritt hierher vergeudet, um sich von einem Papisten beleidigen zu lassen, der keine Ahnung von diesem County hatte. Umsicht und Diskretion in einem County, den die Hunde und Pistolen des Landadels, die bleiernen Peitschen der Mittelsmänner und die Keulen der Bauern regierten.

»Ihr seid ein Richter, Captain Cooper, wie auch Eure Freunde, und die Richter dieses Landes haben mehr Macht, als ich früher für möglich gehalten hätte. Benutzt sie, und haltet Eure Tyrawley-Miliz aus der Sache heraus. Das letzte, was wir im Moment brauchen, ist die Verwüstung des Landes durch Protestanten in roten Uniformen.«

»Protestanten, ja?« fragte Cooper und stürzte sich glücklich auf dieses Wort. »Jetzt sind wir endlich so weit.«

Moore seufzte. »Ich will Euch keine Vorträge über Moral und Gesetz halten, es wäre eine Kraftverschwendung. Ihr habt gesagt, mein Rat sei Euch willkommen, und Ihr sollt ihn erhalten. Teile dieser Insel haben rebelliert, und die Gefahr ist noch nicht vorbei. Die Franzosen könnten einen weiteren Versuch unternehmen. Wir haben in Mayo sehr viel Glück gehabt, und wir sollten unser Glück schützen. Ihr müßt natürlich mit diesen Whiteboys fertig werden, aber es wäre höchst unklug, das Land aufzureizen. Ich bin ziemlich sicher, daß Dennis Browne Euch ebenfalls diesen Rat geben würde.«

»Welchen Rat?« fragte Cooper, den seine Gereiztheit würgte wie der Kragen seiner Uniform. »Ruhig hier herumzusitzen, bis ich ruiniert bin und von meinem eigenen Land vertrieben werde?«

»Ich bin sicher, daß es nicht ganz so schlimm um Eure Angelegenheiten steht«, sagte Moore. »Ihr habt Zeit genug, um ruhig und im Rahmen des Gesetzes zu handeln. Muß dieser County denn in diesen unruhigen Zeiten auf den Kopf gestellt werden, weil ein Grundbesitzer schwer verschuldet ist?«

»Bei Gott«, sagte Cooper, aufs neue von Moores unerträglich kühlem Wesen beleidigt. »Und wenn ich denke, daß ich aus der Güte meines Herzens hergekommen bin, um Euch ein wenig in die Angelegenheiten dieses Countys hineinzuziehen!«

»Das war nett von Euch«, erwiderte Moore. »Ich nehme so weit teil an den Angelegenheiten dieses Countys, wie Eure Gesetze es mir gestatten.«

»Diese Gesetze«, sagte Cooper, dessen Zorn nun endlich seinen Damm durchbrochen hatte, »sind zu dem sehr sinnvollen Zweck erlassen worden, Papisten da zu halten, wo sie hingehören.«

»Ganz recht«, stimmte Moore zu. »Ich bin da, wo ich hingehöre. In Moore Hall. Und ich wünsche mir das Land um mich herum so ruhig wie möglich.«

Cooper blies die Wangen auf und stieß dann die Luft in einer Geste erstaunter Niederlage heraus. Was wußte denn dieser Mann, dessen blaue Decken mit nackten Göttinnen verziert waren, von den Problemen eines armen Mannes, der zwischen den Hütten und den Hypothekenmaklern eingeklemmt war und keinen Ausweg sah?

»Nun kommt«, sagte Moore. »Es ist töricht von uns, uns so gehen zu lassen. Laßt uns weiter diskutieren, während Ihr noch ein Glas Sherry kostet.« Er zog die Uhr aus der Tasche, klappte sie auf und informierte sich ausgiebig über die Uhrzeit.

»Wir beide haben immer schon wenig genug zu diskutieren gehabt«, sagte Cooper würdevoll. »Und jetzt haben wir weniger als je zuvor.« Er erhob sich und glättete seinen scharlachroten Mantel. Das schien ihn zu besänftigen, aus der Wolle ging Autorität in seine Fingerspitzen über. »Ich muß jetzt aufbrechen. Es ist ein weiter Ritt.«

Moore hob sein Glas, und Spanien verbreitete sich auf seiner Zunge. In einem hatte Cooper recht: Spanien war weit weg von hier. Er schaute durch das Fenster auf den See und versuchte, sich die brennende Sonne über gewundenen Straßen mit weißen und ockerfarbenen Mauern vorzustellen. »Tut nichts Übereiltes, Captain«, sagte er, ohne den Kopf zu wenden. »Seid vorsichtig.«

»Ich werde vorsichtig sein«, antwortete Cooper. »Darauf könnt Ihr Euch verlassen. Wir haben nun schon viele Jahre für diesen County gesorgt und wissen, was getan werden muß.«

Moore beugte sich plötzlich zu ihm herüber, mit seinen dünnen Lippen und seinen glitzernden blauen Augen. »Seid Ihr sicher? Kann dieses Land denn nicht anders regiert werden als mit Peitsche und Knüppel, ohne andere Justiz als den blutigen Rücken eines Bauern und den schmierigen Sovereign in der Hand des Denunzianten?«

Überrascht starrte Cooper Moore an.

»Der Stäuppfahl und die Peitsche und der Galgen, das ist Euer Gesetz«, sagte Moore und spuckte seine Worte aus. »Egal, welche Gesetze in Dublin erlassen werden. Kein Wunder, daß Eure zum Vieh gemachten Bauern Eure Verwalter ermorden und ihre Leichen ins Moor werfen. Und Ihr habt die Unverschämtheit, meine Unterstützung für Eure dreckigen Pläne zu verlangen.«

»Seid Ihr verrückt?« fragte Cooper. Diese Frage war ernst gemeint. Der abrupte Wechsel von Moores sonstiger eisiger Gleichgültigkeit war verwirrend. Es war idiotisch von ihm gewesen, sich an Kates Rat zu halten und Moore damit die Möglichkeit zu geben, ihn zuerst mit kühler Ironie zu verhöhnen und ihm dann wie ein presbyterianischer Prediger die Leviten zu lesen.

»Vielleicht«, antwortete Moore und gewann mit einiger Mühe wieder die Kontrolle über sich. »Wo ich doch hier gesessen und mir Euer törichtes Gerede angehört habe.«

»Und es war töricht von mir, herzukommen«, sagte Cooper.

»Vergeßt das hier nicht«, sagte Moore und reichte ihm den Whiteboy-Brief. Clownischer Knecht. Wer immer diesen Brief geschrieben hatte, wußte sich auszudrücken. Wirklich ein höchst kurioses Dokument. Er begleitete Cooper zur Tür und verabschiedete sich höflich von ihm. Cooper war sprachlos vor Empörung.

Auf seinem kastanienbraunen Wallach ritt er in düsterer Stimmung die Allee hinab. Vielblättrige Ebereschen warfen fleckige Schatten auf seinen Weg. Sie waren alle gleich, Fogarty, Moore, trickreiche, gerissene Männer, die einen derben, offen sprechenden Protestanten immer in Grund und Boden reden konnten. Er stellte sich die Reden vor, die er hätte halten können, um Moore zum Schweigen zu bringen, gab den Versuch aber auf. Was war er denn überhaupt für ein Papist, mit seinen feinen Manieren und seiner englischen Redeweise? Was konnte er denn für ein Gentleman sein, der Sohn eines Krämers, der in alten Zeiten in Kilcummin Wein an Land geschmuggelt hatte? Es würde ihm guttun, wenn ihm solche Worte an den Kopf geworfen würden, diesem Mann, der niemals auf der Richterbank sitzen oder ein königliches Amt einnehmen würde. Ach, was würde ihm das schon ausmachen, mit seinem schönen Haus, seinem vielen Land und seiner Viertelmillion Pfund. Der alte Joshua Cooper hätte ihm seinen Platz gezeigt. Coopers Stimmung hob sich etwas, als er an den alten Joshua dachte und sich an das Gesicht des Porträts erinnerte, ein harter, fähiger Soldat, der alle Moores, alle Papisten in die Knie gezwungen hatte.

Moore stand auf dem Balkon und beobachtete die kleine, plumpe Gestalt in der leuchtendroten Uniform. Genau die Art von kleinem Mann, die großen Ärger machen konnte, ein Musterexemplar seiner Art. Als Skeptiker in Glaubensfragen war Moore in London auf seine Gleichgültigkeit konfessionellen Dingen gegenüber stolz gewesen. Hier war es jedoch anders. Unter seiner Verachtung für Coopers törichtes Benehmen hatten die heißen Kohlen des Zornes geglüht. Wie kann dieser unbedachte Bauer es wagen, sich für etwas besseres zu halten als mich, bei diesem Gedanken hatte er sich zu einem bestimmten Zeitpunkt ertappt. Und jetzt, als er Coopers Rücken sich entfernen sah, war die Kohle immer noch warm. Schlechterzogener, vulgärer Mensch, Sproß irgendeines Cromwellschen Soldaten, aber die Geschichte hatte ihm erlaubt, auf diesem Misthaufen von einem Land zu krähen. Clownischer Knecht, bewundernswerter Ausdruck. Er drehte Cooper den Rücken zu und verließ den Balkon.

Doch nicht einmal beim Abendessen war es ihm erlaubt, Coopers Besuch zu vergessen. John kam zu spät zum Essen und trug immer noch seine Reitkleidung, lose Halsbinde, die blonden Haare fielen ihm in die Stirn.

»Als Vater noch lebte«, sagte er und griff nach seiner Serviette, »wäre ein Mann wie Cooper niemals Gast in diesem Hause gewesen.«

Moore blickte von seiner Suppe hoch. »Da irrst du dich. Vater war ein politischer Mann, weit mehr als du oder ich. Und als junger Mann, vor Spanien, mußte er sich vor solchen Burschen hüten. Sie hatten hier zu sagen. Jetzt ist alles ein bißchen besser.«

»Das sieht vielleicht so aus«, sagte John.

»In Kilcummin sind Whiteboys aufgetreten. Als Grundbesitzer war ich dankbar für diese Information.«

»Whiteboys?« fragte John verwirrt. »Ist er da sicher?«

»Ziemlich sicher«, antwortete Moore. »Er hat mir ihren Brief gezeigt, es war das übliche bombastische Gefasel, besser geschrieben als die meisten. Sie sind nicht ...« Er unterbrach sich und wartete, bis Haggerty Johns Suppe aufgetragen und das Zimmer verlassen hatte. »Sie sind bestimmt keine Rebellen, wenn du das gemeint hast.«

John sagte nichts. Er nahm seinen Löffel und rührte in seiner Suppe herum. »Ich war bei Malcolm Elliott«, erzählte er. »Seine große kastanienbraune Stute hat gefohlt. Es wird ein entzückendes Tier werden.«

»Elliott geht es gut, nehme ich an, und auch Mrs. Elliott? Auch sie ist auf ihre Weise entzückend. Ich mag Mrs. Elliott sehr gern.«

»Es geht ihr gut«, antwortete John kurz.

»Und Elliott und du hattet zweifellos Zeit für eine lange Unterhaltung über Politik?«

John legte seinen Löffel auf den Tisch und sah seinem Bruder ins Gesicht. »Ja«, sagte er. »Das hatten wir. Elliott und ich diskutieren oft über Politik.«

»Es muß eine deprimierende Zeit für Elliott sein«, meinte Moore. »Die Führer seiner Organisation sind in Dublin im Gefängnis, und der Aufstand ist niedergeschlagen.«

»Sei vorsichtig«, sagte John mit einem Blick auf die geschlossene Tür.

»Ach, hier bist du schon sicher«, meinte Moore. »Und bei Malcolm Elliott in Moat House wohl auch. Aber überall sonst solltest du besser deine Zunge hüten. Es ist eine schlechte Zeit für Aufruhr. Dieser Wein ist ein bißchen schal. Ist dir das aufgefallen?«

»Nein«, sagte John. »Wenn du das für Aufruhr hältst, dann bleibst du dabei aber verdammt kalt, George.«

»Wofür ich das halte, ist nicht der Punkt«, erwiderte Moore. »Es ist ein Verbrechen, das mit dem Galgen bestraft wird.«

Mehr sagten sie nicht, bis Haggerty mit Hilfe einer unordentlichen Magd den nächsten Gang aufgetragen hatte.

»Ich will mich nicht in die Politik eines anderen einmischen«, sagte Moore. »Du warst ein Jahr in Dublin. Vielleicht bist du dort in die Gesellschaft eingetreten, vielleicht hat das auch Malcolm Elliott gemacht. Aber als dein Bruder bin ich dankbar dafür, daß du in Mayo in Sicherheit bist, viele Meilen weit weg von der Society of United Irishmen.«

»Das kann ich mir denken«, sagte John. »Du hast nie irgendwelche Sympathie für die Ideale dieser Gesellschaft gezeigt.«

»Für ihre Ideale?« fragte Moore. »Sehr große Sympathie.« Er legte sein Messer hin. »Warum können sie in diesem Land das Fleisch nicht richtig zubereiten? Das beste Rindfleisch in Europa, und sie lassen es zu Asche verbrennen. Man könnte doch annehmen, daß sie mit ihrer langen Tradition des Brandstiftens ...«

»Nicht genug Sympathie, um sie ernst zu nehmen.«

»Ich habe mehrere Führer der United Irishmen getroffen. Ich kenne Tom Emmett und MacNevin. Und ich habe viele Männer wie sie gekannt, in Frankreich, in den ersten Revolutionsjahren. Freiheit, Gleichheit. Sie wollen alles Richtige, alles Bewunderswerte. Und es endet mit einem Gemetzel.«

»Das muß nicht so sein«, widersprach John.

»In der Geschichte ist es aber so«, sagte Moore.

»Sein Land von Unterdrückung zu befreien gilt normalerweise als Tugend«, erklärte John. »Zum erstenmal in der Geschichte dieses Landes haben sich Protestant und Katholik in einer gemeinsamen Sache zusammengeschlossen.«

»Ein Zusammenschluß von einigen Dubliner Juristen und beschäftigungslosen Anwälten, ein paar katholischen Ärzten und Kaufleuten. Aber als der Aufstand in Wexford ausgebrochen ist, hatten die United Irishmen keine Kontrolle darüber. Glaubst du, die Bauern von Wexford hätten Tom Paine gelesen? Es war ein Aufstand der Bauern gegen die Wohlhabenden, der Papisten gegen die Protestanten. ›Die Gälische Armee‹ haben sie sich genannt.«

»Um sich Freiheit zu wünschen, braucht man doch nicht Tom Paine gelesen zu haben«, sagte John.

»Wie recht du hast«, erwiderte George. »Aber du solltest das deinen Freunden sagen, nicht mir. Sie haben sich eine Republik in den Kopf gesetzt, aber die Bauern, die für sie kämpfen, denken an etwas anderes. Wenn Bauern sich gegen Unterdrükkung wehren, dann werden sie brutal, gewalttätig. Diese Anwälte in Dublin wissen nichts über die irischen Bauern. Ich glaube nicht, daß Wolfe Tone je mit einem gesprochen hat. Ich glaube auch nicht, daß er dazu fähig wäre.«

»Aber du gibst zu, daß sie unterdrückt werden.«

»Aber natürlich.« Moore schob ungeduldig seinen Teller beiseite. »Die Grundbesitzer dieser Insel sind im allgemeinen barbarisch und blöd. Eine gefährliche Kombination. Männer wie Cooper sind unerträglich. Sogar Dennis Browne ...«

»Welche Hoffnung besteht aber dann für das Land, außer ...«

»Ach John. Du kannst das hier doch nicht als Land bezeichnen, diesen schrottreifen Seelenverkäufer, der auf dem Atlantik treibt. Du hast Frankreich und England und Spanien gesehen. Du weißt, was eine Nation ist. Frankreich befreit sich gerade aus einem Krampf, aber es ist eine Nation geblieben. Irland ist nie eine Nation gewesen. Es kann keine sein. Wir haben uns zu lange gegenseitig zerfleischt, und wir haben zu viel zerstört.«

John lachte. »Bei Gott, wenn du Irland so kompliziert findest, wie kannst du dann eine Geschichte der Französischen Revolution schreiben wollen?«

»Das ist gar kein Problem«, erklärte George. »Die Französische Revolution ist nur eine folgenschwere Umwälzung, die den Lauf der Geschichte der Menschheit verändert hat. Ich könnte niemals eine Geschichte Irlands schreiben.«

»Jetzt sind die meisten von ihnen im Gefängnis«, sagte John. »Wenn ich in Dublin geblieben wäre, wäre ich das vielleicht auch.«

»Tone nicht«, korrigierte George. »Tone ist immer noch in Frankreich und macht Ärger. Nicht alle Schurken der Welt befinden sich in Irland.«

»Ich wünsche ihm alles Gute«, sagte John leise.

George warf ihm einen scharfen Blick zu und lächelte leicht. »Du glaubst mir kein Wort, nicht wahr?«

»Ich glaube jedes Wort«, antwortete John. »Sie spielen keine Rolle. Ich weiß, was dieses Land braucht.«

»Cooper auch«, sagte George. »Ich beneide euch um dieses Wissen.«

Als das Obst serviert wurde, war es ihnen gelungen, das Thema zu wechseln. John beobachtete die langen, geschickten Finger seines Bruders, die einen Apfel von seiner Schale trennten, wobei das scharfe Silbermesser eine gleichmäßige rote Schalenlocke produzierte.

»Später in dieser Woche«, sagte John, »möchte ich nach Ballycastle reiten und die Treacys besuchen.«

»Eine hervorragende Idee«, meinte Moore. »Sie ist ein prächtiges, kluges, kesses Mädchen. Sie ist genau, was du brauchst.«

»Thomas Treacy ist kein reicher Mann«, sagte John. »Macht dir das nichts aus?«

»Das interessiert mich nicht. Es freut mich, daß es dir nichts ausmacht. Aber ich empfehle dir, Thomas Treacy nicht mit deinen politischen Ansichten zu kommen. Da hast du den alten katholischen Stamm in Hochpotenz. Er wartet immer noch auf die Stuarts, der Arme.«

»Ellen nicht«, sagte John. »Sie teilt meine Sympathien.«

»Dann ist sie in dich verliebt«, erwiderte Moore. »Frauen haben keine Politik, Gott sei Dank. Du solltest nicht so dumm sein und mit einer Frau über Politik diskutieren. Ich habe das einmal in London versucht, und wir hatten einen teuflischen Streit. Die Versöhnung war allerdings sehr angenehm. Ich glaube, das hat sie gewußt und deshalb den Streit provoziert. Sie sind sehr klug.«

»Und Judith Elliott«, sagte John. »Sie ist sehr patriotisch.«

»Das ist etwas anderes«, meinte Moore. »Mrs. Elliott ist Engländerin, und die werden oft sehr patriotisch, wenn sie sich hier niederlassen. Das hat etwas mit dem Wetter zu tun. Mrs. Elliott ist eine Romantikerin, das erhöht ihren Charme. Sie und Ellen Treacy sind sich überhaupt nicht ähnlich, und von beiden ziehe ich, glaube ich, Ellen vor. Das ist mein eigener Patriotismus.«

»Aber du findest Mrs. Elliott doch entzückend. Das hast du gesagt.«

»Durchaus entzückend, und von sehr liebenswürdiger Art, da bin ich sicher. Aber eine feste Diät tiefer Gefühle wäre nicht nach meinem Geschmack. Immerhin, Elliott bekommt es gut. Ich irre mich vielleicht.«

Bei dieser Unterhaltung erinnerte sich John daran, wie er ein sehr kleiner Junge in Alicante war, die Luft schwer von Gerüchen, die Dächer über ihm färbten sich im Abendlicht purpurn, ihr Vater sorgfältig in seine spanischen Kleider gekleidet. Er sprach von zu Hause, einem unvorstellbaren Ort namens Mayo, tiefgrün, warm von den Erinnerungen an die Familie. Nun waren sie hier, zwei Brüder, auf unterschiedliche Weise ruhelos.

Ein Traum von Freiheit

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