Читать книгу 2030 - Thomas Flichy De La Neuville - Страница 13
Konnektivität und Abkapselung
ОглавлениеDie mit der digitalen Revolution verbundenen neuen Technologien, die lange Zeit als Domäne der jungen Generationen galten, durchdringen jetzt die Gesamtheit der europäischen Bevölkerung. Die Generation 65+ ebenso wie die 40-Jährigen, die mit diesen Technologien aufgewachsen sind oder seit Jahrzehnten damit leben, haben sie komplett in ihre Lebensweise integriert, die immer stärker von Chips, Displays und virtuellen Anwendungen abhängig ist.
Die Entwicklung der Automatisierung verändert das Verhältnis zum Menschen grundlegend. Die Robotertechnik stellt inzwischen eine glaubwürdige Lösung für das immer drängendere Problem der Abhängigkeit der Senioren dar und bietet erstaunliche Lösungen, von denen alle profitieren. In Erweiterung der E-Dienste schweben leistungsstarke Drohnen durch die Lüfte der Siedlungen und beliefern diejenigen, die nicht mehr in der Lage sind, die Drive-ins anzusteuern, die jetzt fast alle Geschäfte ersetzt haben, mit Paketen und Vorräten.
Künstliche Organe, insbesondere Herzen, beseitigen den leidigen Mangel an Spenderorganen. Exoskelette ermöglichen nicht nur Menschen mit Bewegungseinschränkungen das Gehen, sondern auch gesunden Menschen das Tragen von tonnenschweren Lasten, was für bestimmte Berufe einen großen Fortschritt bedeuten würde. Der wunde Punkt dieser Roboterrevolution ist jedoch, dass dadurch die meisten minderqualifizierten Arbeitsplätze überflüssig werden, während Berufe rund um die Programmierung oder Wartung der neuen Maschinen Hochkonjunktur haben.
Das zwingende Bedürfnis, permanent und überall online zu sein, wird durch die „Chiplementierung“ gelöst, die Einpflanzung eines Chips in den menschlichen Organismus. Der Chip enthält nicht nur den fälschungs- und diebstahlsicheren Personalausweis, sondern auch Lebenslauf, Gesundheitskarte, Bankkarte, Adressbücher, Autoschlüssel, Wohnungsschlüssel usw. und vielleicht sogar die elektronische Fußfessel, die im Zusammenhang mit bestimmten Straftaten angewendet wird. So können besorgte Eltern entsprechende Benachrichtigungen erhalten, wenn beispielsweise ein Pädophiler nach Abbüßen seiner Strafe sich der Schule ihrer Kinder oder ihrem Haus nähert. Das einzige, was diese Entwicklungen aufhalten kann, die bereits im Gange sind, scheinen juristische Gründe zu sein.
Während das Erscheinen der Smartphones in den 2000er Jahren das Verhältnis von Wissen und Erinnerung tiefgreifend veränderte – Gedächtnis- oder Wissenslücken lösten ein hektisches Tippen auf winzigen Displays aus, um eine Antwort im Netz zu finden –, verknüpfen jetzt integrierte Systeme aus intelligenten Brillen und elektronischen Implantaten die Menschen immer stärker untereinander und isolieren sie zugleich voneinander. Die Illusion der permanenten, grenzenlosen Kommunikation geht mit einem Unverständnis der elementarsten menschlichen Beziehungen einher. Weil der Andere über seine digitale Identität nicht zu begreifen ist, wird er immer ein Unbekannter bleiben.
Im Bereich Fortbewegungsmittel bewahrheiten sich die sagenhaften Vorhersagen für das Jahr 2000 von fliegenden oder auf dem Wasser schwebenden Autos nicht, dafür gibt es aber selbstfahrende Autos. Die Entwicklung der Hybrid- und Elektroautos ist von Region zu Region unterschiedlich und hängt insbesondere vom politischen Willen und vom Zugang zu fossilen Rohstoffen ab, die in manchen Gegenden durch die Förderung von Ölsanden und Schiefergas in größeren Mengen verfügbar sind. In den USA beispielsweise verschwindet der Verbrennungsmotor zwar nicht, aber hubraumstarke Spritschlucker kommen aus der Mode, da sie als wenig ökologisch gelten in einem Land, in dem Benzin teuer bleibt.
In Europa und Südamerika fliegt der Schwindel mit den Biotreibstoffen auf. Nicht nur, dass Biokraftstoffe niemals eine ernsthafte Alternative zum Diesel dargestellt haben, weil der für die Produktion erforderliche Input größer ist als der Output, auch der massive Anbau von Soja, Zuckerrohr und Rüben zulasten des Anbaus von Nutzpflanzen zeigt dramatische Folgen. Da deren Anbau kurzfristig weniger rentabel ist, schnellen die Kurse für Getreide und Mais in die Höhe, worauf Aufstände in Brasilien, Mexiko und Afrika ausbrechen. Obwohl die Weltbevölkerung immer weiter wächst und damit auch die Nachfrage nach Nahrungsmitteln steigt, geht paradoxerweise das Angebot an Nahrungsmitteln proportional zurück, sodass es zu Notlösungen wie der Züchtung von Insekten kommt, die medial groß präsentiert werden, um sie schmackhaft zu machen. Da Länder wie Brasilien oder Argentinien über ein großes Agrarreservoir verfügen, wird die Lösung „Futter für Maschinen statt Menschen“ nicht überall aufgegeben. Das „grüne Benzin“ bringt allerdings niemanden mehr zum Träumen.