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Der Abstieg europäischer Mächte

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Deutschland, seit Jahrzehnten die größte Wirtschaftsmacht Europas, vor allem mangels ernstzunehmender Konkurrenz seitens der europäischen Partner, behauptet sich endlich als politische Macht. 85 Jahre nach 1945 sind die letzten Zeugen des Zweiten Weltkriegs und seiner Gräuel gestorben. Die Erinnerung daran ist geblieben, aber die Schuldgefühle, die bei den jungen Generationen nach einer Überdosis der Reue nur schwach ausgeprägt waren, sind so gut wie verschwunden.

Der in unguter Erinnerung gebliebene Militarismus interessiert Deutschland nicht. Zu lange hatten die Deutschen geglaubt, dass der Krieg die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln sei, und sich in ebenso wahnwitzigen wie waghalsigen Unternehmungen aufgerieben. Clausewitz ist tot, Bismarck lebt wieder ein bisschen auf. Doch wozu eine starke deutsche Militärmacht? Frankreich und Großbritannien stellen die nukleare Abschreckung für die EU sicher, ohne dass Berlin eine Euro-Mark dafür ausgeben muss; Deutschland stellt die Polizei für ein Meer, das ihm fremd ist, dafür hält die europäische Marine im Mittelmeer den Zustrom illegaler Migranten vom Land fern; und was die Sicherung europäischer Interessen in Afrika angeht, leisten Bundeswehr und Luftwaffe punktuelle logistische und materielle Hilfe, womit sie sich einen Platz am Verhandlungstisch sichern, aber kein Soldatenleben aufs Spiel setzen.

Deutschlands Hard Power beruht auf der Wirtschaft, aber auch auf der Diplomatie und der deutschen Kultur. Als echtes Gravitationszentrum Europas sucht sich das Land einen neuen Platz. Auch auf die Gefahr hin, die Randstaaten im Westen und Süden Europas zu vernachlässigen, richtet sich Deutschland wieder auf Mitteleuropa aus, baut seine strategischen Partnerschaften mit den baltischen und slawischen Ländern aus und investiert sein Kapital lieber in Russland statt in Griechenland oder in Frankreich. Im europäischen diplomatischen Spiel ist Deutschland führend.

Deutschland profitiert von der Reform der UN-Statuten. Unter dem Druck einiger Großmächte, die damit gedroht haben, außerhalb des Rahmens der UNO zu handeln, wenn ihr Anspruch auf einen Sitz im UN-Sicherheitsrat nicht anerkannt wird, verändert sich seine historisch bedingte Zusammensetzung. Indien, Brasilien und Indonesien werden ständige Mitglieder des Sicherheitsrates, Frankreich und Großbritannien verlieren ihren Sitz, da Europa nur noch mit einem Sitz vertreten ist. Paris und London machten zwar nationale Interessen geltend, mussten jedoch einsehen, dass im Rahmen der Europäischen Union die Positionen Deutschlands die Oberhand gewonnen haben.

In Deutschland selbst verändert sich die demografische Lage. Das Land leidet immer noch unter einem starken Geburtenrückgang, trotzdem stabilisieren sich die Bevölkerungszahlen dank der Anziehungskraft, die das Land auf die jungen Europäer aus den failed States ausübt. Die schwere Wirtschaftskrise, die auf die Auflösung der Eurozone folgt, löst eine Wanderungswelle junger hochqualifizierter Arbeitsloser in Richtung Deutschland aus, wo Anreize für eine gezielte Zuwanderung geschaffen werden.

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