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Berlin

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„Boarding completed.“ Im Cockpit des Air Berlin-Fluges AB352 um 17.55 Uhr von Tegel nach Köln schloss Heiner Marquardt gerade die letzten Checks ab, bevor es losgehen sollte. Seine imposante Erscheinung entsprach ziemlich genau dem Klischee eines Flugkapitäns. Etwas über einsneunzig groß, durchtrainiert, kurze blonde Haare, gebräunte Haut, tiefblaue Augen und ein riesiger Schnurrbart führten regelmäßig dazu, dass er die Blicke der Leute um sich herum auf sich zog. Er lebte mit seiner Frau in Köln. Heute freute sich ganz besonders auf den Flug, denn es war an diesem Freitag der letzte auf dieser Pendelstrecke, und abends würde er nach längerer Zeit seine Tochter Julia wiedersehen.

Aus diesem Grund wollte er den Abend zu etwas besonderem machen und hatte einen Tisch in einem kleinen Restaurant in der Kölner Altstadt reserviert. Es würde bestimmt ein sehr schöner und langer Erzählabend mit Julia und seiner Frau Simone werden.

Mit dieser guten Laune begann er dann mit seiner sonoren Bassstimme die übliche Ansage an die Passagiere: „ Guten Abend, meine Damen und Herren. Ich begrüße Sie aus dem Cockpit auf unserem Air Berlin-Flug nach Köln. Mein Name ist Heiner Marquardt und ich bin Ihr Kapitän auf diesem kurzen Flug. Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl bei uns an Bord. Machen Sie es sich bequem und genießen Sie sowohl den Flug als auch das anschließende Wochenende. Meines wird sicherlich schön, und daher habe ich ein doppelt so großes Interesse wie sonst, uns alle heile nach Köln zubringen .“ Ein leises, entspanntes Lachen aus der Kabine, das durch die angelehnte Tür zu ihm herein drang, ließ ihn schmunzeln. „ Ich werde Ihnen im Verlauf des Fluges weitere Informationen geben. Good evening, ladies and gentlemen, ....“

Nach zwei Minuten kam die Starterlaubnis vom Tower. Langsam wurde der Airbus zurückgeschoben, bevor er begann, von Gate 2 nach rechts Richtung Startbahn zu rollen. Aus dem Augenwinkel sah er gegenüber am Wald einen Lichtschein. So, als ob jemand mit einer riesigen Taschenlampe nachts in den Himmel leuchtet, oder wie die Lichtfinger, die bei Konzerten oder anderen Veranstaltungen über Städten zu sehen sind. Aber er gab dem keine Bedeutung. Seine jahrelange Routine und die ungezählten Flugstunden ließen ihn sich auf die Instrumente und die letzten Startvorbereitungen konzentrieren.

In der letzten Linkskurve, die seine Maschine in die Startposition Richtung Westen brachte, sah er kurz zu seinem Copiloten herüber, um ihm ein „alles klar“ zu signalisieren. In derselben Blickrichtung bemerkte er wieder den Lichtstrahl über dem Wald, nur diesmal deutlich intensiver, in der Mitte gleißend hell, in allen Farben schillernd und an den Rändern wabernd, so dass er den Durchmesser kaum abschätzen konnte. Der Strahl schien aus dem Wald zu wachsen und verschwand nach oben in der tief liegenden dünnen Wolkendecke.

Er versuchte, Details zu erkennen, aber er konnte nicht einmal wage Konturen erkennen. Es war einfach nur grell und bunt. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte er an das Beamen aus den alten Raumschiff Enterprise-Filmen. Nur dass dies nicht der Fantasie eines Schriftstellers oder Filmproduzenten entsprang, sondern absolut real war.

Faszinierend und erschreckend zugleich. Der Strahl schien ihn regelrecht in seinen Bann zu ziehen. Er konnte den Blick nicht abwenden und bemerkte weder den besorgten Ausdruck auf dem Gesicht seines Copiloten noch das Gemurmel hinten bei den Passagieren. Eigentlich hätte er nun zum Starten beschleunigen müssen. Aber er fühlte sich wie in einer tiefen Trance. Als ob die Welt nur aus dieser Lichtsäule bestünde.

Die Zeit schien stehen zu bleiben. Er spürte, wie ihm kalter Schweiß den Rücken hinunter lief. Ihm wurde schwindelig, und er schloss für einen kurzen Moment die Augen.

Gerade in dem Moment, in dem er sie wieder öffnete, sackte die Lichtsäule in sich zusammen, und er fühlte sich, als ob er aus einem langen Schlaf erwachte.

Wie durch Watte hörte er die Anfrage des Towers: „AB352, was ist los?“

„Ich weiß nicht, was los ist. Irgendwas ist nicht, wie es sein sollte“, war seine Antwort. „Ich habe ein komisches Gefühl“.

Er konnte und wollte das Phänomen nicht beschreiben. Möglicherweise zweifelten Sie dann an seinen Fähigkeiten oder seinem Zustand, und Unannehmlichkeiten oder gar schlimmeres wollte er nicht riskieren. Vielleicht waren auch die langen Arbeitszeiten in den letzten Wochen doch zuviel gewesen. Dann kam die Anweisung vom Tower: „Verlassen Sie die Startbahn und folgen sie den weiteren Anweisungen. Wir geben Ihnen ein neues Startfenster.“

Mittlerweile war er wieder ganz bei sich und fragte sich, was das eben war. So etwas hatte er in den vielen Jahren seiner Berufspraxis noch nicht erlebt, obwohl er schon viele Flughäfen auf der ganzen Welt angeflogen hatte. Hatte ihm seine Fantasie einen Streich gespielt? Oder waren das wirklich nur ein paar Spinner, die auf sich aufmerksam machen wollten? Er wusste es einfach nicht.

Von dem Licht war nun absolut nichts mehr zu sehen, der Wald sah so friedlich aus wie immer. Er bewegte mittlerweile den Airbus weg von der Startbahn auf die ihm zugewiesene Warteposition.

Dann meldete sich der Tower wieder: „AB352, alles in Ordnung bei Ihnen?“

„Ja, mit mir ist alles ok. Ich habe mich nur eben über das Licht über dem Wald gewundert. Das haben Sie doch sicherlich auch gesehen.“

„Ja. Uns war zwar nichts gemeldet worden, aber wir gehen zur Zeit davon aus, dass eine Veranstaltung ist, bei der die mit diesen großen Scheinwerfern arbeiten. Wir werden der Sache auf den Grund gehen. So etwas darf so nahe an einem Flughafen nicht genehmigt werden.“

„Verstehe. Ich warte nun auf weitere Instruktionen.“

„Ok. In voraussichtlich zehn Minuten können Sie los.“

Mit einem Hinweis auf die offensichtlich nicht genehmigte Lightshow im Wald informierte er die beunruhigten Passagiere. Mit dann doch einer halben Stunde Verspätung hob die Maschine in die Richtung der untergehenden Sonne ab.

Mygnia - Die Begegnung

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