Читать книгу Mygnia - Die Begegnung - Thomas Linz - Страница 7
Berlin
ОглавлениеMarie, Leon und Jonas hatten sich schon lange auf die ersten halbwegs warmen Tage gefreut. Sie hatten gerade ihre Abiturprüfungen hinter sich und hatten allen Grund zum feiern. Sie kannten sich schon seit dem ersten Schuljahr, und alle drei waren so etwas wie Kumpels, die sich alles erzählen konnten. Seit einiger Zeit jedoch entwickelte sich zwischen Marie und Leon etwas mehr als bislang, und Jonas war davon überhaupt nicht begeistert. Dennoch hielten sie zusammen.
An dem heutigen Samstag wollten sie abends am Flughafensee ein Lagerfeuer machen, ein paar leckere Steaks grillen und dann dort übernachten. Warme Schlafsäcke und reichlich Essen und Trinken sollten dafür sorgen, dass ihnen die noch immer empfindlich kühlen Nachte nicht die Laune verdarben.
Am Grillplatz war in dieser Jahreszeit nichts los, und so konnten sie sich die beste Stelle aussuchen. Während die beiden Jungen Holz zusammen trugen, packte Marie das Essen aus. Bald brannte ein kleines Feuer, und auf dem mitgebrachten Grillrost brutzelte das Fleisch. Der Duft ließ ihnen schnell das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die Zeit wurde mit ein paar Bier verkürzt, und dann ließen sie es sich schmecken. Allmählich wurde es kühl, und sie holten die Schlafsäcke hervor, um sich warm zu halten. Leon und Jonas erzählten sich Gruselgeschichten, bis es Marie zu viel wurde.
„Hört endlich auf damit. Ich kriege sonst heute Nacht kein Auge zu,“ rief sie. „Mir reicht es schon, wenn ein paar Wildschweine in unsere Nähe kommen.“
Leon und Jonas grinsten sich an. „Keine Sorge“, meinte Leon, rückte näher an sie heran und legte den Arm um sie. „Wir sind doch bei Dir. Wir beschützen Dich. Und außerdem sind diese Viecher doch viel zu scheu. Wenn sie das Feuer sehen, trauen die sich doch eh nicht an uns ran.“
„Ja, und wenn, dann haben wir eben einen leckeren Nachtisch, genau wie Obelix.“ Jonas meinte, damit einen besonders guten Witz gemacht zu haben, aber sie verzog nur abfällig den Mund. Diese Art Humor konnte sie nicht teilen. Mit einem Mal zogen die bis dahin dichten Wolken ab, und der fast volle Mond warf durch die Zweige der Bäume gespenstische Schatten auf den Boden. Die drei betrachteten stumm das Schauspiel.
In diesem Moment raschelte es laut in den Büschen, die zwischen ihnen und dem See lagen. Marie dachte sofort an die Wildschweine.
„Siehste, da sind sie schon. Lasst uns nach Hause fahren“, bat sie. „Ich weiß nicht, ob die schon Junge haben. Und dann sind die doch auch aggressiv.“
„Mädel, nun krieg Dich ein“, versuchte Leon sie zu beruhigen. „Wir rücken denen doch nicht auf die Pelle. Wir lassen die in Ruhe, und die uns. So einfach ist das. Also nimm dir noch ein Bier und gib endlich ....“
Er wurde durch ein lautes Platschen und Rascheln, gefolgt von einem schrillen Quieken, das ihnen allen unter die Haut ging, unterbrochen. Sie hörten ein schleifendes Geräusch, Zweige brechen, als ob etwas Schweres durch die Büsche gezogen wurde, und dann ein leises Knurren. Plötzlich brach eine Rotte Wildschweine aus dem Gebüsch und rannte geradewegs auf sie zu. Die Tiere schienen wie von Sinnen, achteten nicht auf die Umgebung. In kaum zwei Metern Abstand rasten sie am Feuer vorbei.
Bevor die drei es realisierten konnten, war der Spuk vorbei. Sie starrten auf die Stelle, an der sie die Geräusche gehört hatten, konnten aber im flackernden Licht des Feuers nichts erkennen. Vor Angst wagten sie kaum zu atmen, aber es blieb ruhig. Außer dem leisen Rauschen des Windes in den noch kahlen Zweigen der Bäume war nichts zu hören.
Für Marie war das nun endgültig genug. „Lasst uns verschwinden. Sofort!“, flüsterte sie. Sie zitterte, und ihre Stimme versagte fast. „Ich hab Angst. Da ist was im Gebüsch. Die sind ja gerannt, als ob der Teufel hinter ihnen her wäre.“ Sie sah von einem zum anderen, die Augen weit aufgerissen. „Nun sagt doch endlich was!“ Ihre Panik war fast greifbar.
Leon und Jonas sahen sich an. „Ich glaube, Du hast Recht. Aber erst, wenn das Feuer ausgeht“, meinte Leon. Sein Versuch, den Coolen zu spielen, scheiterte kläglich. Das Zittern in seiner Stimme zeigte den anderen beiden nur allzu deutlich, dass auch er sich alles andere als wohl fühlte.
„Nein, jetzt sofort.“ Marie war bereits aufgestanden und packte hektisch ihre Sachen zusammen. Einen Augenblick später saßen sie und Leon auf ihren Fahrrädern und fuhren davon.
„He, wartet auf mich!“ Jonas wollte nicht allein in dieser unheimlichen Umgebung bleiben. Ein leises Rascheln, das sich Richtung See näherte, ließ ihn herumfahren. Er versuchte, neben den flackernden Schatten, die das Feuer warf, etwas zu erkennen. Er sagte sich zu seiner eigenen Beruhigung, dass es wohl nur eine Maus sei, glaubte letztendlich aber doch nicht daran. Das Geräusch wiederholte sich, diesmal aber lauter und ganz offenbar viel näher. Das war ihm nun doch zu viel. In einer aufkommenden Panik schwang sich ebenfalls auf sein Rad und fuhr den anderen beiden hastig hinterher. Das Feuer war ihm total egal.