Читать книгу Karlchen - Thomas Matiszik - Страница 10

5

Оглавление

Meike Resslers Telefon klingelte. Manche Menschen bilden sich ein, bereits am Klang des Telefonklingelns drohendes Unheil wahrnehmen zu können. Meike gehörte nicht zu dieser Spezies, trotzdem zog sich für einen kurzen Moment ihr Magen zusammen. „Ich bin’s, Karlchen!“ Meike Ressler hatte ihren Bruder immer geliebt, auch nach seinen Taten damals. Das hatte weniger mit dieser „Blut-ist-dicker-als-Wasser“-Theorie als vielmehr damit zu tun, dass Karl ihr das Leben gerettet hatte. Er war damals neun, als seine 14-jährige Schwester um ein Haar beim Schwimmen im Halterner Baggersee ertrank. Ein simpler Wadenkrampf war es, der Meike in die Tiefe zog. Karl hatte damals bereits sein Gold-Abzeichen und erkannte die Situation noch vor seinen Eltern. Ohne zu zögern und mit bewundernswerter Geschwindigkeit schwamm er zu seiner hilflos röchelnden Schwester und erwischte sie gerade noch an ihren langen, lockigen Haaren. Und obwohl Meike damals fast 15 Kilo mehr wog, schaffte Karl es fast mühelos, Meike ans rettende Ufer zu bringen. Er war der Held des Tages, sogar eine Tageszeitung brachte einen Artikel über ihn. Natürlich waren auch seine Eltern unbeschreiblich stolz. Das Entscheidende jedoch war: Meike würde immer in seiner Schuld stehen.

„Die Bee Gees haben einen neuen Song geschrieben. Nur für mich, Meike! Ist das nicht toll?“ Karls Stimme zitterte. „Karl, wo steckst du? Bist ja ganz aufgewühlt!“ Meike versuchte, die Ruhe zu bewahren. Irgendetwas stimmte nicht mit ihrem Bruder. Sie versuchte, weitere Informationen aus ihm herauszukriegen. „Es ist ein ziemlich trauriger Song, Meike. Ich singe ihn immer, wenn ich ein böser Junge war. Zur Beruhigung.“ Er legte auf. Meike legte den Telefonhörer zur Seite. Ihre Hände zitterten. Ihr schlimmster Albtraum war zurückgekehrt und schien wahr zu werden. Sie überlegte fieberhaft. Felix Modrich war längst im Ruhestand, aber hatte sie nicht unlängst erfahren, dass sein Sohn Peer nun das Dezernat Sitte leitete? Wie gut, dass Meike alle polizeilichen Dienststellen in ihrem Adressbuch gespeichert hatte. Hastig wählte sie Peers Nummer. Der Kreis schien sich endgültig zu schließen.

Karlchen

Подняться наверх