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Der Wecker klingelte unerbittlich. Binzer, ein vier Jahre alter Deutsch-Drahthaar, schleckte seinem Herrchen genüsslich durchs Gesicht. Carsten Bröhler empfand die feuchte Zunge seines Hundes als Wohltat, der Mundgeruch des Rüden war allerdings eine Zumutung. „Binzer, du blöder Hund, sieh zu, dass du Land gewinnst, ist ja eklig!“ Binzer trollte sich, Bröhler war nun wach und steuerte aufs Bad zu. Er pinkelte gefühlte drei Minuten, die vierzehn Bier vom Vorabend mussten raus. Der Pelz auf seiner Zunge war eine Mischung aus Knoblauch, Kippen und Ouzo. Wieder mal hatte das opulente Mahl bei seinem Stammgriechen um die Ecke seine Wirkung getan. Nikos, der Besitzer der „Taverna Saloniki“, musste immer schmunzeln, wenn Bröhler den „Saganaki-Teller“ mit weniger Knoblauch bestellte. Spätestens in dem Moment, als Emorfia, Nikos’ Frau und Kellnerin, ihm den Teller auf den Tisch knallte, war klar, dass die Botschaft wieder mal nicht angekommen war. ‚Egal jetzt‘, dachte Bröhler, ‚der Hund muss raus! Ab unter die Dusche.‘

Binzer zog wie immer heftig. Bröhler konnte deutlich sehen, dass sein Hund dringend mal musste. „Drei Pfund ohne Knochen“ war Bröhlers Synonym für das, was in wenigen Sekunden seinen Hund druckvoll verlassen sollte. Dabei zog Binzer immer dasselbe Gesicht, gerade so, als sei es ihm peinlich, von seinem Herrchen in dieser Situation gesehen zu werden. Bröhler leinte seinen Hund ein Stück weiter ab, atmete die frische Morgenluft ein und ging seines Weges. Um diese Uhrzeit war das kleine Waldstück an der alten B1 bei Hemmerde menschenleer – was gut war, denn eigentlich durfte Binzer hier nur an der Leine geführt werden. Und er, das heißt sie, also Binzer und Bröhler, hassten angeleinte Hunde, die von ihren Herrchen oder Frauchen kurz gehalten wurden, weil sie gerade ‚etwas schwierig im Umgang mit anderen Hunden‘ waren. Bröhler hatte es noch nie erlebt, dass Binzer sich mit einem frei laufenden Hund zoffte. Sobald ihm aber ein Artgenosse an der Leine entgegenkam, sah er rot. Und der andere meistens auch. Einmal musste Bröhler dazwischengehen, weil der andere Hund, ein prächtiger Ridgeback mit 55 Kilo Lebendgewicht, sich in Binzers Hals verbissen hatte. Dem Frauchen des Ridgebacks geriet die Situation komplett außer Kontrolle, sie war den Tränen nah. Bröhler schritt ein und versuchte, die beiden ineinander verkeilten Rüden zu trennen. Dabei biss ihm sein eigener Hund so unglücklich in die Hand, dass diese noch am selben Tag mit sieben Stichen genäht werden musste. Binzer selbst jaulte nach Bröhlers Faust-Reflex laut auf und blutete an der Stelle, in die sich der Ridgeback verbissen hatte, konnte aber am selben Abend bereits wieder seine berühmten drei Pfund ohne Knochen abseilen.

„Binzer, hier!“ Als Jagdhund hatte Binzer wenig mit Stöckchenapportieren am Hut. Als Joggingpartner war er ebenfalls gänzlich ungeeignet. Sobald Bröhler ihn ableinte, legte Binzer seine Nase auf den Boden und schnüffelte sich durchs Unterholz. So auch heute.

Der Mann, der an diesem wunderschönen Tag ins Polizeirevier Unna kam, hatte entweder den Leibhaftigen gesehen oder sich den Magen mit Ente süßsauer ruiniert. Polizeiobermeister Peter Lücke wurde etwas blümerant, als er Carsten Bröhlers Gesicht sah. Der Hund, den er an der Leine führte, hatte Blutspuren an den Pfoten und um die Schnauze herum. ‚Ein prächtiges Tier‘, dachte Lücke. „Sie müssen dringend mitkommen, bitte!“, stammelte Bröhler. „Eine Mädchenleiche, draußen im Forst … ihr Gesicht ist …“ Er erbrach sich vor den Füßen des Polizeiobermeisters.

Karlchen

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