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Simone hatte den Bus verpasst. Verdammt! Ihre Eltern würden sie in der Luft zerreißen. Vermutlich würde ihr Vater Verbote aussprechen, die das gesamte nächste Halbjahr beträfen. Konnte sie ihnen das irgendwie erklären? Würden sie ihr verzeihen, wenn sie von ihrem ersten „richtigen“ Kuss erzählte? Dirk ging in die 11. Klasse, war also zwei Jahre älter als Simone. Viel wichtiger war allerdings, dass er ihr, anders als die anderen Jungs in seiner Klasse, nicht ständig auf die Brüste starrte. „95 C“ war ihr schulinterner Spitzname, nachdem sich einer der Jungs während des Schwimmunterrichts in die Mädchenumkleide geschlichen und ihren BH entdeckt hatte. Er machte sich gut als Jagdtrophäe über dem Dreimeterbrett. Die Jungs johlten, Simone wollte im Schwimmerbecken versinken und nie wieder auftauchen – wäre da nicht Dirk gewesen. Selbstbewusst betrat er das Dreimeterbrett, nahm Simones BH in die Hand, und als alle dachten, dass er damit elegant ins Wasser springen würde, machte er kehrt, ging die Leiter am Dreimeterbrett hinunter, direkt auf Simone zu und überreichte ihr – fast feierlich – das Objekt der Begierde. Sie errötete so sehr, dass man es wahrscheinlich auch noch am anderen Ende der Schwimmhalle sah. Fortan war Dirk ihr Held und sie sehnte nichts so sehr herbei wie seinen ersten Kuss.

Jetzt aber steckte sie in der Patsche. So wohlig es sich anfühlte, seine Lippen auf den ihren immer noch zu spüren, Fakt war: Der letzte Bus Richtung Werl war soeben vor ihren Augen weggefahren. Sie stand einsam und alleine an einer unbeleuchteten Landstraße und wusste nicht, wohin.

„Ich kann dich ein Stück auf meinem Fahrrad mitnehmen!“ Aus der Ferne rollte ein nur schwach beleuchtetes Herrenrad auf sie zu. Sie kannte den Typen. Das war doch dieser Ressler, den alle so widerlich fanden. Man hatte ihn dabei beobachtet, wie er seine Popel und sein Ohrenschmalz genüsslich aß. Ihr Vater meinte, dass Ressler einer ist, den die anderen früher immer als Letzten in die Schulmannschaft gewählt haben und den man gern mal einfach so boxte, schubste oder kopfüber in den Mülleimer steckte. Nun rächte sich Karl an Simones Vater. Den Baseballschläger nahm Simone nur schemenhaft wahr. Um sie herum erlosch das spärliche Licht, als ihre Schädeldecke durch die Wucht des Aufpralls zerbarst.

Karl summte den Refrain von „Night Fever“, als er ihren leblosen Körper ins Gebüsch zog.

Karlchen

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