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DAS VERLORENE JAHRZEHNT: UND WIEDER IST DIE ELITE NICHT SCHULD
ОглавлениеAlle verfügbaren Daten belegen, dass Deutschland vor allen Dingen in den Jahren 2000 bis 2010 den digitalen Anschluss an Länder wie die USA und China verpasst hat – ein Jahrzehnt, in dem Unternehmer, Manager, Investoren und Politiker im sprichwörtlichen Sinne glaubten, das Rad der technologischen Entwicklung wieder zurückdrehen zu können. Für diesen Sachverhalt haben wir bei der Erarbeitung dieses Buches den Begriff des „verlorenen Jahrzehnts“ geprägt.
In diesem Zeitraum war man in den Managementetagen deutscher Unternehmen und Finanzdienstleister fest davon überzeugt, der Spuk der Digitalisierung sei vorbei und man könne zur altbewährten Tagesordnung zurückkehren. Vielfach hatten sich die führenden Köpfe in der deutschen Politik und Wirtschaft auch in ihrer persönlichen Bedeutung herausgefordert gefühlt, was, menschlich betrachtet, durchaus verständlich ist.
Die plötzliche und dramatisch überzogene Wertentwicklung der Digital Economy an den Börsen, die neuen, bislang unbekannten Millionäre und Milliardäre, die öffentliche Aufmerksamkeit für die neuen Internetunternehmer, die wie Rockstars gefeiert wurden – all das forderte ohne Frage das Establishment heraus. Gegenreaktionen konnten nicht ausbleiben.
In diesem verlorenen Jahrzehnt gingen führende Repräsentanten der deutschen Wirtschaft und damit der Old Economy nach unserem Eindruck eine kollektive Wette ein, deren Credo lautete: „Das Internet ist eine in seiner Bedeutung völlig überschätzte Modeerscheinung aus dem Silicon Valley. Geld verdienen kann man nur mit den bewährten Geschäftsmodellen der Old Economy mit echtem Cashflow.“
Dies erklärt, warum viele Manager in dem Zeitraum von 2000 bis 2004 in Gesprächen mit uns außerordentlichen Wert auf die Feststellung legten, die sie möglichst in Hörweite anderer Personen in mahnenden Worten vortrugen: „Ich habe euch doch immer wieder gesagt, dass das Internet nicht so bedeutend sein wird, wie es von euch dargestellt wurde.“ Heute will sich allerdings keiner der damaligen Gesprächspartner mehr an diese Aussagen erinnern (lassen).
Interessanterweise sind heute viele Kinder dieser Managergeneration mit digitalen Geschäftsmodellen in der Start-up-Szene aktiv, zum Teil erfolgreich, zum Teil mit finanzieller Unterstützung ihrer Väter.
Auch wir haben in diesem Zeitraum Fehler gemacht und sind falschen Einschätzungen unterlegen. Und wir wissen auch nicht, ob wir es besser gemacht hätten als unsere Kollegen. Aber durch unsere frühen Investitionen in digitale Technologien hatten wir die Chance, zu lernen und die digitale Welt zu verstehen. Die zahlreichen und frühen Reisen ins Silicon Valley und andere Teile der Welt, die Investitionen in Start-ups und die Arbeit in deren Gremien haben dazu beigetragen, ein besseres Gefühl und Verständnis für digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir bis heute immer fest an die Bedeutung der Digitalisierung für die Bundesrepublik Deutschland geglaubt haben. Im Gegensatz zu vielen unserer Kollegen haben wir die Digitalisierung nicht mit missionarischem Eifer bekämpft. Conny hat beispielsweise bereits vor über 20 Jahren Vorträge vor Bankern gehalten, in denen er diese darauf hingewiesen hat, dass ihr herkömmliches Geschäftsmodell infolge der Digitalisierung in Zukunft keinen Bestand mehr haben würde. Häufig wurde dies belächelt oder in das Reich der Fabeln verwiesen. Fakt ist leider heute, 20 Jahre später, dass Banken wie die Deutsche Bank nur noch einen Schatten dessen darstellen, was sie in vergangenen, ehemals erfolgreichen Zeiten gewesen sind.
Sicherlich würden sich Hunderte mehr oder weniger bekannte Namen aus Wirtschaft und Politik auflisten lassen, die für das Kollektiv-Versagen der deutschen Wirtschaft im verlorenen Jahrzehnt mitverantwortlich waren. Wir nennen hier keine Namen derjenigen, die als führende Repräsentanten der sogenannten „Deutschland AG“ tätig waren oder es noch sind oder ein (hohes) politisches Amt bekleide(te)n. Wir wollen aber dennoch sehr deutlich machen, dass die digitale Zukunft unseres Landes nicht dadurch gefährdet wurde, dass die breite Bevölkerung nicht auf den Zug aufspringen wollte, sondern vielmehr dadurch, dass die führenden Köpfe unserer Gesellschaft die Chancen dieser Entwicklung schlichtweg nicht erkannten.