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5. Kebab für Brasilien
ОглавлениеSeit einer halben Stunde war ich wieder in meinem Element. Hier im Fitnessstudio standen mir auf 400 Quadratmetern Fitnessgeräte und Hanteln in allen Größen zur Verfügung, um meinen Körper zu stählen. Auf einen Zuwachs von Kraft legte ich dabei als Bodybuilder weniger Wert. Ich wollte meinen Körper modellieren: Auf die Masse kam es mir an. Und so achtete ich darauf, dass ich zwischen den ständigen Wiederholungen der Trainingssätze auch die notwendigen Erholungspausen einlegte. Heiko hatte mich eindringlich davor gewarnt, meinen Körper zu hart zu trainieren. Das wäre kontraproduktiv und würde am Ende gar zu einem Muskelabbau führen. Ich ließ meine Muskeln spielen und betrachtete mich dabei in den überall montierten Spiegeln.
„Nicht übel, Großer!“, rief Heiko mir im Vorbeigehen zu, blieb kurz vor seiner Bürotür stehen, drehte sich um und gab mir mit einem Wink zu verstehen, ihm in sein Büro zu folgen.
Er schloss die Tür hinter mir und bot mir einen Sitzplatz an. Etwas merkwürdig kam er mir vor, so als wolle er mir irgendeine offizielle Mitteilung machen. In seinem Büro hatte ich noch nicht oft gesessen. Meistens hielten wir uns im Gerätebereich auf, laut prahlend, schwitzend und schmutzige Witze reißend. Mein Blick glitt durch den Raum: Klein war er und ein wenig zu schlicht, wie mir schien. Das passte eigentlich gar nicht zu meinem sonst so luxusbegeisterten Freund. Komisch, dass mir das noch nicht früher aufgefallen war.
An der Wand hingen Poster von Bodybuildern. Vince Gironda … der musste doch mittlerweile auch schon an die 80 sein. Was für ein Wegbereiter! Dorian Yates, der seit 1992 bis heute, Anfang 1997, bereits viermal Mr. Olympia geworden war. Arnold Schwarzenegger, Lou Ferigno …
Heiko unterbrach meinen Gedankenfluss. Mit leuchtenden Augen erzählte er mir von seiner neuen Geschäftsidee: Kebab nach Brasilien! Eine Imbisskette wolle er dort aufbauen, die Südamerikaner auf den Geschmack von Döner bringen und ganz groß in das Fastfood-Geschäft dort einsteigen. Aus seiner Schublade zog er die Entwürfe des Logos: Ein fünfzackiger, blauer Stern auf gelbem Grund mit einem gelben Q in der Mitte des blauen Sterns. Q für Quebape. Und da war sie wieder, die Seelenverwandtschaft. Ich war begeistert! Von der lukrativen Idee, von meinem großartigen Freund und von der Erfolg versprechenden Aussicht, zu neuen Ufern aufbrechen zu können! Endlich raus aus der Prüderie Pforzheims, weg von den kleinkariert denkenden Deutschen, ein für alle Mal meine Beziehungskisten, die einen am Ende doch nur unglücklich machten, hinter mir lassen. Es war, als würde mir plötzlich die Welt offen stehen. Brasilien war Musik in meinen Ohren.
Er habe ein Startkapital von 35.000 D-Mark zusammenkratzen können und wollte wissen, wie viel ich denn beisteuern könne. 4.000 D-Mark waren zwar nicht viel, aber immerhin besser als gar nichts. Er habe Beziehungen in Brasilien, die uns bei der Geschäftsgründung von Nutzen sein würden. Südamerika sei durch und durch korrupt und ohne Vitamin B laufe dort nichts. Ob ich bereit sei, mit ihm das Wagnis einzugehen? Einen Augenblick zögerte ich, doch dann schlug ich ein. Ich hatte nichts zu verlieren, ganz im Gegenteil: Mal sehen, was sich daraus entwickelte. Abenteuerlust erfasste mich, Vorfreude auf das Unbekannte, und ich dachte an Sonne, Sand und Samba. Das musste gefeiert werden – mit einer Straße Koks.