Читать книгу Flagschiff Nescafé - Nestlés Aufstieg zum grössten Lebensmittelkonzern der Welt - Thomas P Fenner - Страница 11
Markenprodukte als kulturelle Konstrukte
ОглавлениеSowohl die Transaktionskostentheorie als auch Chandlers Theorie der Grössenvorteile sehen sich mit der berechtigten Kritik konfrontiert, dass sie allein mit dem marktwirtschaftlichen Effizienzprinzip argumentieren und andere Einflüsse wie Machtverhältnisse, gesellschaftliche Normen und staatliche Gesetze ausblenden.66
Ökonomisches Handeln ist aber immer auch in kulturelle Sinnkonstruktionen eingebettet.67 So beruhen unsere Vorstellungen von Produkten und ihrem Wert nicht nur auf ihrem physischen Gebrauchszweck oder ihrer effektiven Wirkung,68 sondern ebenso auf ihren soziokulturellen Bedeutungen, die ihnen in einem Kulturkreis zugeschrieben werden. Die Symbolik der Produkte dient dabei sowohl der sozialen und kulturellen Differenzierung als auch der Identitätsbildung einer Gesellschaft.69 So waren Kolonialwaren wie Kaffee, Tee und Kakao lange Zeit nicht nur Genussmittel, sondern auch Statussymbole der Reichen und Mächtigen.70 Ausserdem können Produkte je nach Weltregion sehr unterschiedlich wahrgenommen werden: Auf den Britischen Inseln beispielsweise wurde das kakaohaltige Malzgetränk Ovomaltine abends zum Einschlafen getrunken, in Kontinentaleuropa dagegen morgens konsumiert, um wach und gestärkt in den Tag zu gehen.71 Produkte sind also immer auch kulturelle Konstrukte, die Machtverhältnisse72 widerspiegeln und mit Bedeutungen aufgeladen sind.73
Diesen Sachverhalt machen sich multinationale Unternehmen bei der Vermarktung ihrer Markenprodukte zunutze, indem sie diesen neben ihrer funktionalen, materiellen Dimension – dem Versprechen immer gleichbleibender Qualität – eine immaterielle, soziologisch oder psychologisch erklärbare Dimension geben. Der zusätzliche Nutzen für den Konsumenten besteht bei dieser immateriellen Komponente darin, dass er sich durch den Konsum des Produkts in seiner Vorstellung jene immateriellen Werte aneignet, welche in der Werbung mit dem Markenprodukt in Verbindung gebracht werden.74 Marketing-Experte Hans Domizlaff beschreibt Marken daher als Ideen, die ein Eigenleben führen.75 Aus ihnen erklärt sich schliesslich die emotionale Ausstrahlung oder «Aura des Markenprodukts». Seit den 1950er-Jahren gewann die immaterielle Dimension von Marken zunehmend an Bedeutung, indem sich Marken zu einem Ausdruck des persönlichen Lebensstils entwickelten.76