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Die ersten Formen von löslichem Kaffee, Tee und Kakao

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Der von der Industrialisierung geprägte Lebensrhythmus in den Städten erforderte Produkte, die schnell und einfach zu konsumieren waren. Als Antwort auf diese Veränderungen der Konsumbedürfnisse unter der Maxime der Zeitersparnis begann die Lebensmittelindustrie Kaffee, Tee und Kakao als Instantgetränke anzubieten, welche durch die Zugabe von Wasser sofort zubereitet waren.84 Die Transformation der drei Kolonialwaren zu industriellen Pulverprodukten stellte die Unternehmen jedoch vor zahlreiche Probleme: Der unverarbeitete Kakao war wegen seines hohen Fettanteils mit flüssigen Substanzen wie Wasser oder Milch nur schwer mischbar und setzte sich rasch am Boden des Trinkglases ab.85 Um das Fett der Kakaobutter zu binden, mischten die Schokoladehersteller dem Kakao daher Mehl und andere Stärkemittel bei, wodurch das Endprodukt einen kartoffelähnlichen Geschmack erhielt.86

Bereits 1828 konnte der niederländische Apotheker Conrad Johannes van Houten die Herstellung von Kakaopulver allerdings entscheidend verbessern. Mittels einer Alkalilösung gelang es ihm, beim Pressen die fetthaltige Kakaobutter in einem effizienten Verfahren von der Kakaomasse zu trennen und den Fettanteil im verbleibenden «Presskuchen» um mehr als zwei Drittel zu reduzieren. Anschliessend zermahlte er den «Presskuchen» zu einem feinen Pulver, das nur noch etwa 20 Prozent des ursprünglichen Kakaobutteranteils enthielt. Sein Pulver wies damit nicht nur eine bessere Löslichkeit in Flüssigkeiten auf, sondern war auch bekömmlicher und länger haltbar. Zudem konnte das Kakaopulver wesentlich günstiger angeboten werden, weil die synchron dazu entstandene Kakaobutter zur Herstellung von Tafelschokolade verwendet werden konnte.87 Viele Schokoladeunternehmen stellen Kakaopulver deshalb als Nebenprodukt der Schokoladeverarbeitung her,88 wobei der Durchbruch des reinen Kakaopulvers über eine längere Zeitdauer erfolgte.89 Zu den frühen Herstellern von löslichem Kakao nach van Houtens Verfahren gehörten die englischen Schokoladefirmen Cadbury und Fry, welche in den 1860er-Jahren Cadbury’s Cocoa Essence und Fry’s Cocoa Extract auf den Markt brachten.90 In den 1880er-Jahren folgte unter anderem auch Rowntree mit Rowntree’s Elect Cocoa und das Schweizer Schokoladeunternehmen Suchard (1883) mit einem eigenen Kakaopulver.91

Parallel zur Entwicklung des löslichen Kakaos wurden im 19. Jahrhundert auch den ersten Formen von Instantkaffee oft Bindemittel und andere Zusatzstoffe beigemischt. Im Unterschied zum Kakao lagen die technischen Schwierigkeiten beim Kaffee allerdings nicht primär bei der Löslichkeit, sondern bei der Geschmacks- und Aromakonservierung:92

Während Rohkaffee noch praktisch geschmacklos ist, finden im Verlauf des Röstprozesses komplexe chemische Reaktionen statt, welche der Kaffeebohne ihren charakteristischen Geschmack und ihr Aroma entlocken. Entscheidend ist dabei, dass die Bohne beim Erhitzen ein Kaffeeöl absondert, das aus Fett und Kohlenhydraten gebildet wird. Es ist Träger von etwa 800 chemischen Stoffen, die den Kaffeegeschmack und das Kaffeearoma ausbilden. Allerdings oxidieren diese Kaffeeöle rasch, wenn sie mit der Luft in Kontakt treten. Der Geschmack und das Aroma des Kaffees sind daher sehr volatil und nehmen ohne zusätzliche Massnahmen schon nach einem Tag merklich ab.93

Der unbeständige Charakter des Kaffeegeschmacks war nicht nur dafür verantwortlich, dass die rohen Kaffeebohnen nicht wie die Teeblätter in ihren Herkunftsländern verarbeitet werden konnten, sondern in den Konsumländern Europas und Nordamerikas geröstet werden mussten.94 Er sorgte auch dafür, dass der geröstete Kaffee nicht über weitere Strecken verbreitet werden konnte und innerhalb kurzer Zeit verbraucht werden musste.95 Die Konservierung des Kaffeegeschmacks stellte deshalb für die Kaffeeindustrie ein zentrales Problem dar, welches bei der Herstellung von löslichem Kaffee besonders deutlich hervortrat: Im Gegensatz zum Bohnen- oder Röstkaffee wurde hier den Kunden nämlich nicht nur das Rösten, sondern auch das Mahlen und Filtern der Kaffeebohnen abgenommen. Gleichzeitig wurden die Geschmacksbestandteile durch das Öffnen der Bohne der Oxidation besonders stark ausgesetzt.96

Um dem Geschmacksverlust entgegenzuwirken, reicherten die Produzenten den löslichen Kaffee deshalb mit geschmacksverstärkenden Kaffeesurrogaten an oder versuchten die flüchtigen Kaffeepartikel mit zusätzlichen Konservierungsstoffen zu binden. Der Übergang zwischen Kaffee und Ersatzkaffee verlief dabei fliessend. Trotz grossen Bemühungen der Kaffeesurrogat-Industrie, das Produkt zu verbessern, blieb der Instantkaffee in dieser Form jedoch weit von einem befriedigenden Kaffeeprodukt entfernt. Dennoch fanden die zahlreichen Kaffee-Essenzen und Kaffee-Extrakte, die aus einem eingedickten Kaffeesud bestanden und von der Konsistenz her mit Sirup oder Honig vergleichbar waren, in der Arbeiterschaft ihre Kunden.97

Wie beim Röstkaffee brachte auch auf dem Gebiet der Kaffee-Extrakte der Sezessionskrieg (1861–1865) einen entscheidenden Fortschritt: Aufgrund seiner anregenden Wirkung wurde den Soldaten im amerikanischen Bürgerkrieg auf Nachtmärschen Bohnenkaffee abgegeben.98 Diesem konnten die Truppen allerdings wegen seines bitteren Geschmacks wenig abgewinnen, denn gewöhnlich tranken die Amerikaner den Kaffee mit Milch und Zucker. Die Soldaten begannen deshalb den Kaffee mit gezuckerter Kondensmilch99 zu mischen, die 1856 vom Amerikaner Gail Borden erstmals industriell hergestellt worden war.100

Bordens New York Condensed Milk Company hatte in ihren Anfangsjahren auf einer sehr unsicheren ökonomischen Grundlage gestanden, weil der gezuckerten Kondensmilch bis dahin eine feste Kundschaft gefehlt hatte. Als Ersatz für Muttermilch war sie wenig beliebt gewesen. Im Verlauf des amerikanischen Bürgerkriegs nahm die Nachfrage nach Kondensmilch durch die Kaffee trinkenden Truppen allerdings dermassen zu, dass Borden zu ihrer Deckung sogar weitere Fabriken errichten musste.101 Gleichzeitig erhielt der Tüftler von der Armee den Auftrag, den Truppen einen fertigen Kaffee-Extrakt zur schnellen Verpflegung zu beschaffen. Aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen mit der industriellen Herstellung von Kondensmilch mischte er analog dazu Kaffee mit Milch und Zucker, dampfte diese drei Ingredienzien gemeinsam ein und füllte das pastöse Konzentrat in Dosen ab. Auf diese Weise stellte er eine kaffeehaltige Kondensmilch her, die wie Wagenschmiere aussah, aber nach Kaffee schmeckte.102

Ein ähnliches Konzentrat patentierte L. D. Gale aus Washington D. C. im Jahre 1865. Dabei handelte es sich um eine Art getrockneten Kaffeekuchen, bei dem die flüchtigen Aromastoffe mit Zucker als Trägersubstanz gebunden wurden. Soldaten und Seeleute konnten sich diesen Kuchen als Notfallration in kleinen Stückchen im Mund zergehen lassen und auf diese Weise ohne Wasser eine Ration starken Kaffees zu sich nehmen.103

Zahlreiche Forscher und Tüftler entwickelten in den darauffolgenden Jahren weitere Verfahren zur Herstellung eines haltbaren Kaffee-Extrakts: zu ihnen zählten unter anderen die Engländer H. Warry, der 1872 Kaffee, Tee und Kakao unter Vakuum dehydrierte und auf diese Weise drei Pulvergetränke herstellte, und C. Morfit, der 1876 Kondensmilch mit Gelatine und Kaffee mischte,104 aber auch der Japaner Sartori Kato, der ursprünglich gar keinen Instantkaffee, sondern einen löslichen Tee entwickeln wollte. Da Instanttee jedoch ein unbedeutendes Geschäft blieb, wandelte er sein 1899 entwickeltes Teeverfahren ab und präsentierte 1901 an der Pan-Amerikanischen Ausstellung einen Instantkaffee, der später auf der Ziegler-Expedition zum Nordpol verwendet wurde.105 Kato’s Soluble Coffee dürfte sich jedoch weder qualitativ noch durch besonderen wirtschaftlichen Erfolg von anderen Kaffeeprodukten abgehoben haben.106 Auch erfolgreicheren Geschäftsmännern wie dem Belgier George Washington, der ab 1906 ein süssliches Milchkaffeepulver vertrieb und 1910 in New York unter der Marke G. Washington’s Coffee107 Instantkaffee zu produzieren begann, gelang keine wesentliche Verbesserung des Produkts.108

Wie die Beispiele zeigen, wurden die Kaffee-Essenzen vielfach mit Milch und Zucker gemischt oder als Milchkaffee («Café au lait instantané») angeboten, weil die Milch den unvollkommenen Kaffeegeschmack teilweise überdeckte. Aus diesem Grund sowie aufgrund der Tatsache, dass die Kaffee-Extrakte nach dem gleichen Produktionsprinzip wie Kondensmilch hergestellt wurden,109 begannen sich neben Borden auch andere Kondensmilchunternehmen wie die schweizerische Anglo-Swiss Condensed Milk Company in Cham (Kanton Zug) für Kaffeekonserven zu interessieren.

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