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b) Unvereinbarkeiten, Unabhängigkeit

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Die ärztliche Berufsordnung wird von Ärzten (und Nicht-Ärzten) häufig als „überholte Schilderordnung“ bezeichnet, die in einem modernen Gesundheitswesen nicht mehr zeitgemäß sei. Abgesehen davon, was die Kritiker der Berufsordnung unter „einem modernen Gesundheitswesen verstehen“, verwandelt sich der Spott über die Berufsordnung immer wieder in blankes Entsetzen, wenn Betroffene feststellen, dass Verstöße gegen die Berufsordnung ganz erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen zeitigen können. Damit sind nicht Geldbußen oder Berufsgerichtsverfahren gemeint. Es ist vielfach unbekannt, dass nicht wenige Normen der Berufsordnung sog. Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB sind. Dies hat zur Folge, dass gegen diese Normen verstoßende Rechtsgeschäfte (z.B. Gesellschafts- und Pachtverträge) nichtig sein können und dadurch Schäden in sechsstelliger Höhe auflaufen. Daneben spielen Unterlassungsverfügungen von Mitbewerbern bzw. entsprechenden Vereinigungen zur Überwachung des fairen Wettbewerbs eine wichtige Rolle; sie lassen so manche clevere Geschäftsidee wie eine Seifenblase platzen.

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Schutzobjekt von § 3 MBO ist sowohl die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit als auch das Ansehen des Arztes in der Bevölkerung. Es soll nicht der Verdacht aufkommen, der Arzt würde therapeutische Entscheidungen von berufsfremden Erwägungen abhängig machen. Dem Arzt ist nach § 3 Abs. 1 S. 2 MBO auch verboten, seinen Namen in Verbindung mit der ärztlichen Berufsbezeichnung in unlauterer Weise für gewerbliche Zwecke herzugeben.[82] Unter der ärztlichen Berufsbezeichnung ist zum einen die Bezeichnung „Arzt“ und die als „Facharzt für . . .“ zu verstehen, aber auch Titel wie außerplanmäßiger Professor (den sowieso niemand in dieser Form führt), Professor oder Sanitätsrat. Amtsbezeichnungen wie z.B. Professor (für einen beamteten Professor) dürfen für außerdienstliche Zwecke nicht verwendet werden. Lässt ein Beamter dies zu, so liegt hierin eine Dienstpflichtverletzung, wenn die Verwendung etwa für eine – ggf. genehmigungspflichtige – Nebentätigkeit erfolgt. Die Verwendung des Doktor-Titels in einer Firma ist unter handels-(firmen)rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Die Verwendung muss mit der Würde eines Arztes in Einklang stehen, um standesgemäß zu sein. Als unzulässige Verwendung des Arztnamens für gewerbliche Zwecke ist auch die sog. „Schleichwerbung“ für Produkte unter angeblicher neutraler medizinischer Bewertung zu verstehen. Die Grenzen zwischen Werbung und Information sind fließend. Nicht ohne Grund sollen Produktinformationen der Firmen in Printmedien als „Anzeige“ kenntlich gemacht werden, um dem Verbraucher/Leser zu signalisieren, dass er nicht zwingend mit einer abwägenden Information rechnen muss. Deswegen versuchen viele Firmen durch vorgebliche redaktionelle Beiträge diese Grenze zu kaschieren. Gerade in den Fernsehmedien hat diese Art von Schleichwerbung oder auch Produktplacement für Furore gesorgt. Wer Werbung als Information tarnt, verschleiert. Das OLG München hat im Falle einer Werbebroschüre für Nahrungsergänzungsmittel sehr deutlich festgestellt:[83]

Der Leser als Laie misst dem redaktionellen Text (eines Arztes), der für sich Vertrauen in seine Sachkompetenz als im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel erfahrener Arzt in Anspruch nimmt, als fachlich orientierter und neutraler Instanz größere Bedeutung bei und steht ihm unkritischer gegenüber als den werbenden Behauptungen von Inserenten. Dieser Fall zeigt darüber hinaus exemplarisch, wie wichtig es ist, klar zwischen Eigenwerbung des Arztes, mit der sich die Entscheidung nicht vorrangig auseinandersetzt, und (gewerblicher) Produktwerbung zu unterschieden. Die Eigenwerbung des Arztes wäre im Hinblick auf die zunehmend liberale Rechtsprechung des BVerfG möglicherweise noch zu tolerieren. Wettbewerbswidrig und damit unlauter wird die Darstellung dadurch, dass der Arzt seinen „Fachbonus“ einsetzt, um den Absatz Dritter zu fördern und daraus letztlich wieder eigenen Vorteil zu ziehen. Wer sich schon so in der Öffentlichkeit positionieren will, muss wenigstens darauf achten, dass seine fachlichen Aussagen nicht nur inhaltlich nicht verschleiernde Werbung beinhalten, sondern auch graphisch/örtlich von Werbeanzeigen oder sonstigen Produktplatzierungen abgesetzt sind.

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So hat auch der BGH[84] in einem ähnlichen Fall entschieden:

Der Leser erwartet nicht, dass in einem derartigen Text Werbung enthalten ist und kann sie nicht klar als solche erkennen. Seine Platzierung im redaktionellen Teil der Broschüre verschleiert daher den Werbecharakter dieses Texts (Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage 2004, § 4 UWG Rn. 3.11). Das erfüllt den Tatbestand des § 4 Nr. 3 UWG und ist damit unlauter i.S.d. § 3 UWG. Diese Vorgehensweise trifft auch der Vorwurf der Sittenwidrigkeit i.S.d. § 1 UWG a.F., denn wer unter der redaktionellen Tarnkappe Wirtschaftswerbung betreibt, handelte auch nach altem Recht wettbewerbswidrig (BGH – I ZR 154/95 – BRAK 1997, 267 = MDR 1997, 1144 = CR 1997, 691 = GRUR 1997, 914 – Die Besten II, m.w.N.). Die angegriffene unlautere Wettbewerbshandlung ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil sowohl der Verbraucher als auch anderer Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, die sonstige Marktteilnehmer sind, nicht nur unerheblich, sondern wesentlich zu beeinträchtigen und ist deshalb gem. § 3 UWG unzulässig. Wegen dieser Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs begründete sie auch nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. einen Anspruch auf Unterlassung. Die Inanspruchnahme von Vertrauen in seine Eigenschaft als Arzt ermöglicht es, bei medizinisch nicht fachkundigen Lesern, an die sich die Broschüre richtet, in besonders wirksamer Weise den Eindruck zu erwecken, gerade das anschließend offen beworbene Produkt verdiene besondere Wertschätzung. Da einem Arzt wegen seiner Verpflichtung, in Gesundheitsfragen ausschließlich im Interesse seiner Patienten zu handeln, auf diesem Gebiet ein erhöhtes Vertrauen entgegengebracht wird, beeinflusst der Beklagte durch das Ausnutzen dieses Vertrauens besonders wirksam die freie Entschließung des Lesers als Kunden, ohne dass der sich dessen bewusst würde, und gefährdet damit die Funktionsfähigkeit des an der Leistung orientierten Wettbewerbs nachhaltig (BVerfG – 1 BvR 580/02, MDR 2003, 344 = NJW 2003, 277 – JUVE-Handbuch, m.w.N.).

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Ziel von § 3 Abs. 2 MBO ist die Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes.[85] Das besondere Vertrauen in den Arztberuf soll darüber hinaus nicht zur Verkaufsförderung solcher Produkte und Dienstleistungen „missbraucht“ werden, die der Patient nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit seiner Betreuung benötigt. Die Grenzen sind sicher fließend. Unzulässig dürfte nach dieser Vorschrift wohl der Verkauf solcher Produkte sein, die auch andere Marktteilnehmer feilbieten, sofern sie nicht zwingend für die ärztliche Therapie benötigt werden (z.B. „Sportlernahrung“).[86] Zulässig ist dies wie bei gewerblichen Ernährungsberatung nur, wenn die Abgabe deutlich von der ärztlichen Tätigkeit getrennt ist.[87]Ein typisches Beispiel zulässiger Tätigkeit ist die Abgabe bzw. der Verkauf von Kontaktlinsen in Augenarztpraxen[88] oder auch (allerdings mit erheblichen Einschränkungen) orthopädischer Hilfsmittel beim Orthopäden (siehe aber unten § 128 SGB V Rn. 163).[89] Stets muss bei derartigen Geschäften aber die steuerrechtliche Problematik mitbedacht werden. Während nämlich z.B. die Anpassung von Kontaktlinsen durch den Augenarzt noch zu Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit führen, gelten Einkünfte aus Verkäufen derartiger Gegenstände ohne individuelle Anpassung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb; sie unterliegen der Gewerbesteuer. Bei Gemeinschaftspraxen ist die Gefahr der Infizierung der freiberuflichen Einkünfte durch diese gewerbliche Tätigkeit zu vermeiden („Abfärbetheorie“).[90] Dies geht nur durch eine klare Trennung beider Tätigkeiten. Die Tätigkeit der gewerblichen Gesellschaft bürgerlichen Rechts muss sich eindeutig von der Tätigkeit der ärztlichen Gemeinschaftspraxis abgrenzen lassen. Eine Personenverschiedenheit zwischen den Gesellschaftern dieser verschiedenen Gesellschaften wird nicht mehr verlangt.[91] Das Bundesministerium der Finanzen hat diejenigen Gesichtspunkte aufgeführt, die der juristische Berater bei der Vertragsgestaltung berücksichtigen sollte.[92]

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