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bb) Vorteilsgewährung für sonstige Tätigkeiten

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§ 31 MBO untersagt sog. „Koppelgeschäfte“,[138] die die Höhe der Vergünstigung von der Anzahl der in Auftrag gegebenen Untersuchungen bzw. überwiesenen Patienten abhängig macht.[139] Ein derartiges Verhalten kann gleichzeitig einen Verstoß gegen das Werbeverbot und gegen §§ 3, 5 UWG darstellen. Im Übrigen kann in derartigen Absprachen ein schwerwiegender vertragsärztlicher Verstoß liegen, der von den jeweiligen KVen disziplinarrechtlich geahndet werden kann (§ 73 Abs. 7 SGB V). Ebenso unzulässig ist die Einräumung des Liquidationsrechts für den Einsender im Privatkassenbereich als Gegenleistung für die Zusendung von „Kassenpräparaten“.

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Eine weitere Form der unzulässigen Vorteilsgewährung besteht in der Beteiligung des überweisenden Arztes am Liquidationserlös des die Leistung erbringenden Arztes. Die möglichen Beteiligungsformen sind vielfältig, der Einfallsreichtum der Beteiligten nahezu unbegrenzt. Zum Teil wird dem Einsender ein bestimmter Honoraranteil unter Bezugnahme auf angebliche Beratungsleistungen rückvergütet. Demgegenüber gibt es von der Rechtsprechung akzeptierte Honorarbeteiligungsmodelle, die jedoch insoweit eines gemein haben, dass der sachliche Grund in der Versorgung des Patienten und/oder dem besonderen Versorgungsauftrag liegt.[140]

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Erhebliches Missbrauchspotential eröffnet die Teilgemeinschaftspraxis (TGP), weil manche glauben, unter ihrem Deckmantel die verbotene Zuweisung gegen Entgelt kaschieren zu können (s.o. Rn. 150).[141] Neben der TGP werden zunehmend weitere gesellschaftsrechtliche Modelle zur Umgehung des § 31 erprobt.[142]

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Die am Markt anzutreffenden Strukturen sind z.T. phantasiereich. Man stößt auf GmbH & Co. KGs, deren Kommanditisten i.d.R. Ärzte sind oder deren Gesellschaftsanteile von Treuhändern gehalten werden, um die Anonymität der „Share Holders“ zu wahren. Man findet Aktiengesellschaften, die an Ärzte Vorzugsaktien ausgeben oder auch Ärzte-Fonds,[143] die Gewinne aus Gesundheitseinrichtungen und -betrieben verwalten. All diesen Konstruktionen ist gemein, dass sie dann angreifbar sind, wenn die „Rendite“ personenbezogen umsatzabhängig ist; mit anderen Worten dann, wenn der Arzt als Zuweiser oder Verordner direkt und unmittelbar den Wert seines Kapitalanteils steuert und damit sein Kapitalertrag einen Provisionscharakter erhält.[144] Eine Indizwirkung für eine unzulässige Beteiligung ist eine unangemessene Kapitalrendite.[145] Ein Kriterium für die Beurteilung der „Unangemessenheit“ könnte der Fremdvergleich sein; d.h. es wird geprüft, welchen Gewinn ein nichtärztlicher Gesellschafter in einem vergleichbaren Unternehmen ohne die Steuerung über die eigene Verordnung erzielen könnte.[146]

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Ärzte sind aber auch im Beschaffungswesen tätig, sei es, dass sie Sprechstundenbedarf verordnen oder sonstige Dienstleistungen z.B. Koordinierung weiterer Heilberufsmaßnahmen vermitteln. Neben den altbekannten Formen eher „primitiver“ Belohnungssysteme gibt es hier mittlerweile ausgeklügelte gesellschaftsrechtliche Konstruktionen, die den insoweit überwiegend anonym beteiligten Ärzten über Aktien die gewünschten Vorteile vermitteln. Unzulässig ist auch die mittelbare Beteiligung von Zahnärzten als stille Gesellschafter an einem Dentallabor, mit dem sie über einen Kooperationsvertrag verbunden sind.[147] Folgendes sollte stets die Aufmerksamkeit schärfen:

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Manche Anbieter gehen dazu über, für heikle Bestellvorgänge nachweisbar eine Vorteilsgewährung auszuschließen, um diese über die Hintertür via anderen Preisnachlässen im Sortiment oder der Aktienbewertung doch fließen zu lassen. Derartiges findet man z.B. bei einer großzügigen Rabattierung von Gerätelieferungen, wenn diese für die nachfolgende Materialapplikation notwendig sind (z.B. Kontrastmittel). Vorsicht ist immer dann geboten, wenn nur Ärzte einer bestimmten Fachrichtung Anteilsscheine erwerben dürfen; honi soit qui mal y pense. Was auf Seiten dieser Unternehmen ebenso wie vieler Vertragsärzte viel zu wenig gesehen und gewürdigt wird, ist der Umstand, dass seitens der Sozialgerichte schon lange von Vertragsärzten gefordert wird, dass diese – bei bestehender Möglichkeit – den „Bestpreis“ realisieren;[148] dass es einen Bestpreis tatsächlich gibt, lässt sich den Bewerbungen vieler Firmen insoweit entnehmen, als diese selbst davon ausgehen, dass vereinbarte Pauschalvergütungen erheblich unter den gegenwärtigen Verkaufspreisen liegen. Hergeleitet wird diese Verpflichtung von der Rechtsprechung daraus, dass der Vertragsarzt bei der Verordnung in einem besonderen Treueverhältnis zur Krankenkasse steht, was den BGH dazu veranlasst hat, bei der Verletzung von Treuepflichten und der (vorsätzlichen) Veranlassung von Nachteilen für eine Krankenkasse (im entschiedenen Fall Verordnung von Arzneimitteln) den Untreuetatbestand (§ 266 StGB) als erfüllt anzusehen.

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Nicht erst seit der Neuregelung der integrierten Versorgung zum 1.1.2004 gemäß § 140a SGB V a.F. (heute abgelöst durch die besondere Versorgung gemäß § 140a SGB V n.F.) gab es vielfältige Bestrebungen, stationäre und ambulante Versorgung besser zu vernetzen. Rationalisierungs- aber auch Qualitätsverbesserungsziele stehen dabei im Vordergrund. Hiervon sind sog. „Ein- oder Zuweiserprämien“ zu unterscheiden, die Krankenhäuser unter dem Deckmantel der integrierten Versorgung an einweisende Ärzte bezahlen, um sie an das Haus zu binden.[149] Die Grenzen des guten Geschmacks waren hier teilweise längst überschritten (siehe hierzu Kap. 22 mit weiteren Beispielen). Ein weiterer Aspekt finanzieller Anreizinstrumente im Rahmen der GKV findet sich in den Rabattvereinbarungen in § 130a Abs. 8 SGB V. Was hier teilweise euphemistisch mit der Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven umschrieben und vom Gesetzgeber letztlich sozialversicherungsrechtlich „geadelt“ worden ist, wirkt in der Praxis teilweise wie die ansonsten unerwünschte Beeinflussung ärztlicher Entscheidung unter Hintanstellung der für den Patienten vorteilhafteren Alternative. Zwar scheint der Gesetzgeber die Zeichen der Zeit langsam zu erkennen,[150] ob der psychologische Flurschaden, den „Pseudo-IV-Modelle“ in den Köpfen vieler Beteiligter angerichtet haben, so schnell zu beseitigen sein wird, dürfte fraglich sein.[151] Die Bundesärztekammer sah sich deshalb im April 2007 veranlasst, einige Klarstellungen zu veröffentlichen.[152] Bezeichnender Weise nimmt § 32 Abs. 1 S. 2 MBO die sozialversicherungsrechtliche Vorteilsgewährung von dem generellen Verdikt der Vorteilsgewährung aus. Dies führt teilweise zu absurden Ergebnissen. Im EBM wird seit dem 1.9.2019 die erfolgreiche „Vermittlung“ eines dringenden Facharzttermins durch Empfehlung von Haus- und Kinderärzten mit einer extrabudgetären Gebühr i.H. von 10,00 € finanziell „belohnt“. Geschieht dasselbe außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung, verstößt dies gegen § 31 MBO und ist nach den §§ 299a ff. StGB strafbar.

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