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2. Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche Vereinigungen im SGB V

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Nach 1945 knüpfte das „Gesetz über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung“[131] vom 21.2.1951 an traditionelle Organisationsgrundsätze der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung an.[132] Mit dem Gesetz über das Kassenarztrecht (GKAR) vom 17.8.1955[133] wurde den KV der Sicherstellungsauftrag für die ambulante vertragsärztliche Versorgung übertragen.

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Nach § 77 Abs. 1 S. 1 SGB V[134] bilden die Vertragsärzte für den Bereich jedes Landes eine Kassenärztliche (KV) und eine Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV). Diese sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, genauer: Personenkörperschaften und Träger funktionaler Selbstverwaltung.[135] Gemeinsam bilden sie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bzw. die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), § 77 Abs. 4 SGB V. Auch diese sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003[136] hat eine Reihe von Neuerungen für die vertrags(zahn)ärztliche Selbstverwaltung gebracht, so u.a. die deutliche Verkleinerung der jeweiligen Vertreterversammlung, die (nicht unumstrittene) Hauptamtlichkeit der Vorsitzenden, § 79 Abs. 1 SGB V, die Verpflichtung, Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen zu schaffen, § 81a Abs. 1 SGB V, die Bildung eines rechtsfähigen Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) durch die KBV, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), die Bundesverbände der Krankenkassen, die Bundesknappschaft und die Verbände der Ersatzkassen, in dem Patienten- und Selbsthilfeorganisationen ein Mitberatungsrecht haben, §§ 91 Abs. 1, 140 f. Abs. 1, 2 SGB V.

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Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wurde vom Gesetzgeber im Jahr 2003 mit Steuerungselementen für eine Gesundheitsversorgung über verschiedene Bereiche neu strukturiert.[137] Die seither geführte Diskussion über die verfassungsrechtliche Legitimation dieses „kleinen Gesetzgebers“ im Gesundheitssystem[138] kann wohl noch nicht als abgeschlossen bezeichnet werden.[139] Anstelle der vormaligen Bundesausschüsse beschließt der G-BA die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung notwendigen Richtlinien zur Gewähr einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten, § 92 Abs. 1 S. 1 1. Hs. SGB V. Dabei kann er die Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind, § 92 Abs. 1 S. 1 Hs. 3 SGB V.

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Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz wurde auch die gesetzliche Pflicht zur fachlichen Fortbildung eingeführt, § 95d SGB V, wobei der Nachweis über Fortbildungszertifikate der Kammern der Ärzte, Zahnärzte und Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erbracht werden kann, § 95d Abs. 2 S. 1 SGB V. Andere Fortbildungszertifikate müssen den Kriterien entsprechen, welche die Arbeitsgemeinschaften der Kammern auf Bundesebene aufgestellt haben, § 95d Abs. 2. S. 2 SGB V. „Im Einvernehmen“ mit den Arbeitsgemeinschaften der zuständigen Kammern auf Bundesebene regeln die Kassenärztlichen Vereinigungen den angemessenen Umfang der in einem Fünf-Jahres-Zeitraum nachzuweisenden Fortbildung, § 95d Abs. 6 S. 1 SGB V. Insoweit anerkennt der Sozialgesetzgeber das Primat der funktionalen Selbstverwaltung im Bereich der Strukturqualität, wenn auch die Einbeziehung der Kammern in den Regelungskreis der Vertragsarzt-Tätigkeit unsystematisch erscheint. Das Verfahren des Fortbildungsnachweises und eventueller Honorarkürzungen bzw. zum Antrag auf Entzug der Zulassung bei Nichterbringen (§ 95d Abs. 3 SGB V) regeln die KV alleine.

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Neuregelungen nach dem GKV-Modernisierungsgesetz betrafen die Abrechnungsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung, § 106a SGB V, sowie die Förderung der Qualität, § 136 SGB V. Dabei entwickelt der G-BA mittels Richtlinien Kriterien zur Qualitätsbeurteilung in der vertragsärztlichen Versorgung sowie Auswahl, Umfang und Verfahren von Stichprobenprüfungen, § 136 Abs. 2 S. 2 SGB V. Er legt auch die grundsätzlichen Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement fest, § 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Die Kompetenzen des G-BA haben mit dem Patientenrechtegesetz[140] im Jahr 2013 eine Erweiterung dahingehend erfahren, dass dieser nunmehr auch Mindeststandards für Risikomanagement- und Fehlermeldesysteme erlässt.[141] Neben dem im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes (§ 139a SGB V) neu geschaffenen Instituts für Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen (IQuiG), wird der G-BA nach dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Gründung eines fachlich unabhängigen, wissenschaftlichen Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen verpflichtet.[142]

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Dem Bundesministerium für Gesundheit steht gegenüber dem G-BA in Bezug auf den Erlass einzelner Richtlinien nur eine Rechtsaufsicht zu. Weitergehende Mitwirkungsbefugnisse bestehen im Rahmen der Genehmigung der Verfahrensordnung des G-BA.[143] Zur Verfassungskonformität dieser „facettenreichen Erscheinung“ (Kluth)[144] im Sozialversicherungsrecht hat die Bundesregierung 2016 drei Gutachten in Auftrag gegeben, ohne bislang eine abschließende Bewertung vorzunehmen.[145] Die Gutachten diskutieren vor allem die demokratische Legitimation und die Zusammensetzung bzw. Entscheidungsfindung des G-BA.

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