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f) Mittelbare Vorteile und Umgehungsstrategien

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Ärzten ist es nicht verwehrt, zur Ergänzung oder Unterstützung ihrer Berufstätigkeit Unternehmen im Gesundheitswesen zu betreiben oder sich daran zu beteiligen. Derartige Unternehmen können auch im GKV-Sektor Vertragspartner der Kassen werden. Die Vorgaben des „Kassenarztrechts“ sind in § 124 Abs. 5 SGB V normiert. Danach dürfen Heilmittel in Dienstleistungsform nur von zugelassenen Leistungserbringern „abgegeben“ werden. „Leistungserbringer“ kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts[115] auch eine GmbH sein, wenn in ihr ein zugelassener Leistungserbringer fachlich unabhängig tätig ist. Wer Gesellschafter der GmbH ist, ist für die Zulassung unerheblich. Gesellschafter kann mithin auch ein Arzt sein. Betrachtet man sich allerdings § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V ist jede wirtschaftliche Vorteilsgewährung im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln untersagt. Der Geltungsbereich dieser Norm ist ausgesprochen weit gefasst und betrifft letztlich auch mittelbare wirtschaftliche Vorteile. Aufgrund dieser weiten Fassung werden von manchen Autoren verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Norm erhoben.[116] Diese Bedenken erscheinen nicht grundlos, würde man § 128 Abs. 2 SGB V so verstehen, dass einem Arzt jegliche unternehmerische Beteiligung an anderen Unternehmer im Gesundheitswesen (so auch Hilfsmittellieferanten) unterbinden wollte, wenn sie berufsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Eine derartig weite Auslegung wäre nach diesseitiger Auffassung kaum mit Art. 12, 14 GG vereinbar. Dementsprechend beanstanden Ärztekammern, soweit entsprechende Aussagen bekannt sind, Beteiligungen von Ärzten an derartigen Unternehmen auch im Lichte des § 128 Abs. 2 SGB V dann nicht, wenn die unternehmerische Beteiligung die Grenzen des Berufsrechts, insbesondere die §§ 31 MBO einhält. Jedenfalls dürfte der Schluss, die Motive des Gesetzgebers würden auch derartige unternehmerische Betätigungen von Ärzten im Gesundheitswesen unterbinden wollen, wohl deutlich über das Ziel hinausschießen.[117] Sehr bedenkenswert sind die Ausführungen von Schütze[118] zu § 128 SGB V i.d.F. der 15. AMG-Novelle 2009, wonach bei jedem wirtschaftlichen Kontakt zwischen Vertragsärzten die Patientenautonomie, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung und die Neutralität des Wettbewerbs maßgebliche Parameter für die Bewertung von Geschäftsmodellen sind.

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Nach der hier vertretenen Auffassung stehen Ärzte anderen Investoren in nichts nach. Deutlich zurückhaltender, wenn auch ansonsten durchaus ausgewogen, sind die Empfehlungen des Vorstands der Bundesärztekammer zur Beteiligung von Ärzten an Unternehmen[119] ausgefallen, die eine Unzulässigkeit schon dann annehmen, wenn z.B. ein Sanitätshaus seine Betriebsstätte in unmittelbarer Nähe einer Praxis (z.B. Orthopädie) habe, so dass die Verordnungen rein faktisch zu einem Großteil dort eingelöst würden, ohne dass der Arzt eine entsprechende Empfehlung ausspricht. Nach diesseitiger Auffassung geht dies jedenfalls in denjenigen Fällen zu weit, in denen der unternehmerische Kapitaleinsatz des Arztes sich nicht von dem anderer Investoren, auch im Hinblick auf den Unternehmergewinn und das Unternehmerrisiko, unterscheidet, keine Empfehlung ausgesprochen –, sondern im Gegenteil aktiv auf die Wahlfreiheit und andere Bezugsmöglichkeiten hingewiesen wird. Die Situation unterscheidet sich insoweit nicht von Ärzten, die eine eigene Klinik betreiben, in die sie bei Beachtung von Leistungsfähigkeit und Indikation ihre Patienten einweisen.[120] Ein Rechtfertigungsgrund für diese Ungleichbehandlung erschließt sich nicht. Im Übrigen erscheint der Begriff der „unmittelbaren Nähe“ als Anknüpfungspunkt für eine strafähnliche Sanktion verfassungsrechtlich wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot bedenklich. Die Grenze wird aber dort sichtbar – und von Fall zu Fall auch überschritten –, wo das Unternehmen eine Konstruktion anbietet, die dem Arzt Vorteile verschafft, deren Annahme ihm bei Direktbezug untersagt wären. Die am Markt anzutreffenden Strukturen sind z.T. phantasiereich. Man stößt auf GmbH & Co. KG, deren Kommanditisten i.d.R. Ärzte sind oder deren Gesellschaftsanteile von Treuhändern gehalten werden, um die Anonymität der „Share Holders“ zu wahren. Man findet Aktiengesellschaften, die an Ärzte Vorzugsaktien ausgeben oder auch Ärzte-Fonds,[121] die Gewinne aus Gesundheitseinrichtungen und -betrieben verwalten. All diesen Konstruktionen ist gemein, dass sie dann angreifbar sind, wenn die „Rendite“ personenbezogen umsatzabhängig ist; mit anderen Worten dann, wenn der Arzt als Zuweiser oder Verordner direkt und unmittelbar den Wert seines Kapitalanteils steuert und damit sein Kapitalertrag einen Provisionscharakter erhält. Dahm[122] führt treffend aus: „Beteiligungsmodelle mit geringfügigen Beiträgen, aber hohen (versprochenen) Gewinnerwartungen, die zudem eine Gewinnausschüttung entsprechend der Zuweisungsquote (noch dazu ohne persönliche Leistung) im Beschlussverfahren vornehmen, tragen von vornherein das Stigma der Unzulässigkeit.“ Unverfänglich ist hingegen die Förderung des Gesamtunternehmens und damit die Teilhabe am Gesamtgewinn, wie bei jedem anderen Kapitalanleger auch. Voraussetzung ist stets, dass die Indikation zur veranlassten Leistung gegeben ist und das ausgewählte Produkt den Erfordernissen des Patienten genügt. Verordnet der Arzt unter Hintanstellung besserer Produkte nur deshalb ein Arznei- oder Hilfsmittel, weil er davon einen finanziellen Vorteil hat, ist dies sowohl berufs- wie auch wettbewerbsrechtlich angreifbar.[123] Gründen Ärzte „Institute“ (z.B. Kosmetik-Institute) müssen sie darauf achten, dass Praxis und Institut streng getrennt sind. Beim Patienten darf nicht der Eindruck entstehen, es handle sich um eine Einheit.[124] Dies galt nach früherer Auffassung auch für eine sonstige gewerbliche Tätigkeit in der Praxis, z.B. die (nicht-)ärztliche Ernährungsberatung.[125] Gerade letztere ist nach der Rspr. des BGH[126] allerdings in einer Arztpraxis nicht mehr schlechthin unzulässig. Vielmehr ist sie – auch in den Praxisräumen – jedenfalls dann nicht mehr zu beanstanden, wenn sie organisatorisch (nicht während der üblichen Praxiszeiten) und wirtschaftlich (eigene Zahlungswege) von der Praxis getrennt ist. In Zeiten, in denen breite Bevölkerungsschichten unter Übergewicht litten, sei es kein Zeichen von Vergewerblichung des Arztberufes, wenn Ärzte in ihren Praxen über gewerbliche Ernährungsprogramme beraten. Wie es scheint, setzen die Berufsgerichte diese BGH-Rechtsprechung in ihrer Spruchpraxis um[127] Nach § 17 Abs. 1 MBO ist die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit außerhalb von Krankenhäusern einschließlich konzessionierter Privatkrankenanstalten an die Niederlassung in einer Praxis gebunden, soweit nicht gesetzliche Vorschriften etwas anderes zulassen. § 18 Abs. 2 MBO ergänzt dies dahingehend, dass die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit in gewerblicher Form berufswidrig ist, soweit nicht die Tätigkeit in Krankenhäusern oder konzessionierten Privatkrankenanstalten ausgeführt wird oder gesetzliche Vorschriften etwas anderes zulassen. Man findet derartige Verbote nicht in allen Länderberufsordnungen. Diese Reglementierungen hielten trotz erheblicher Kritik aber zumindest in den Ländern einer Überprüfung stand, in denen sie im Heilberufegesetz selbst geregelt sind.[128] Planen Ärzte derartige Projekte, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen unter Berücksichtigung der länderspezifischen Vorschriften zu prüfen.

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Die Einbeziehung von Ärzten in Fitness- oder auch Sportstudios scheint mittlerweile fast üblich zu sein. Gesundheitspolitisch ist dies sicherlich zu begrüßen, da die drohende Selbstgefährdung durch hauptsächlich im Büro tätige Menschen in derartigen Studios offenkundig ist. Insofern ist es sicherlich nicht zu beanstanden, wenn sich der Betreiber eines Fitness-Studios von einem Arzt fachlich beraten lässt. Ebenso wenig wird es zu beanstanden sein, wenn ein Arzt generell überprüft, ob die Kunden dieses Fitness-Studios durch die Benutzung einiger Gerätschaften Schaden nehmen können. Dabei wird es sich jedoch stets um eine eher allgemeine Betreuung des Unternehmens „Fitness-Studio“ handeln, nicht um eine Einzeltherapie eines Kunden dieses Studios im Studio. Würde der Arzt nämlich in diesem Studio eine eigene Sprechstunde abhalten bzw. Patienten behandeln, wäre dies – jedenfalls im vertragsärztlichen Bereich – eine genehmigungspflichtige Zweigpraxis. Hiervon ist die Variante zu unterscheiden, dass Ärzte bestimmte Fitness-Studios empfehlen und diese Fitness-Studios wiederum diese Ärzte benennen (Empfehlungskartell). Derartige Vereinbarungen – in der Regel finanziell gepolstert – verstoßen nach Auffassung mehrerer Gerichte gegen das Gesetz zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb.[129]

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Zunehmend trifft man (z.B. im zahnärztlichen oder kosmetisch-chirurgischen Bereich) auf Kreditangebote durch (Zahn-)Ärzte dergestalt, dass den Patienten in der Praxis bestimmte Kreditangebote zur Finanzierung aufwendiger Maßnahmen vermittelt werden. Auch dies dürfte im Ergebnis nicht mit § 3 Abs. 2 MBO in Einklang stehen. Im Übrigen wäre in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nicht die Vorschriften des KWG (z.B. § 32) verletzt sind.

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