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dd) Exkurs: Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit bei der Zusammenarbeit mit Dritten[171]

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Auch wenn die Hinweise und Erläuterungen zu § 33 (Muster-)Berufsordnung a.F. beschlossen von den Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer am 2.4.2007 schon über 10 Jahre alt sind, sind ihre Inhalte ein guter Wegweiser (Zitat auszugsweise):[172]

Einleitung

Patientinnen und Patienten sollen darauf vertrauen können, dass bei allen ärztlichen Entscheidungen die Unabhängigkeit des Arztes gewahrt bleibt (§ 30 Abs. 1 (Muster-)Berufsordnung – MBO). Ärztinnen und Ärzte müssen daher unabhängig und unbeeinflusst von wirtschaftlichen Interessen Dritter ihrer Tätigkeit nachgehen. Die Unabhängigkeit ist in Gefahr, wenn der Arzt von einer bestimmten Behandlungsmethode, Verordnung oder Überweisung einen finanziellen Vorteil hat. Solche Praktiken gefährden das Grundvertrauen der Patienten in die ärztliche Tätigkeit, weil sie Zweifel daran wecken, dass die Behandlung einzig und allein am Wohl der Patienten ausgerichtet ist. Im Berufsrecht hat die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit einen herausragenden Stellenwert. Von Beginn an sind Zuwendungen für das Zuweisen von Patienten oder für das Verordnen von Arznei- oder Heilmitteln missbilligt worden. Zur Wahrung der Unabhängigkeit des Arztes ist auch die grundsätzlich sinnvolle Zusammenarbeit von Ärzten und Industrieunternehmen, z.B. bei der Begutachtung und Prüfung von Arzneimitteln und anderen medizinischen Produkten, unter den Vorbehalt gestellt, dass jeglicher Zuwendung eines Unternehmens an einen Arzt eine äquivalente Gegenleistung des Arztes gegenüberstehen muss. Die Ärzteschaft hat stets darauf geachtet, dass die Bestimmungen der Berufsordnung so wirklichkeitsnah wie möglich sind. Stellten sich bestimmte Regelungen als unzureichend heraus, wurden sie entsprechend nachgebessert oder ergänzt, wie z.B. das generalklauselartige Verbot der Annahme von Geschenken und anderen Vorteilen in § 32 MBO oder auch die Ausdehnung dieser Regelung auf sogenannte Drittvorteile. Dadurch hat das Berufsrecht immer auch denen Grenzen gesetzt, die daran interessiert sind, auf die ärztliche Behandlungstätigkeit im Sinne einer Steigerung des Absatzes eigener Produkte Einfluss zu nehmen. Die seit Jahren zu beobachtende Forcierung des Wettbewerbs zwischen Leistungsanbietern und Kostenträgern hat diesen gewinnorientierten Ansatz im Gesundheitswesen verstärkt. Zugleich versucht der Gesetzgeber – dem Dogma der Beitragssatzstabilität gehorchend – den Kostendruck im Gesundheitswesen an die Leistungsanbieter weiterzugeben. Die in jüngster Zeit eingeführten kostensteuernden Instrumente wie Boni oder Rabatte korrespondieren mit der politischen gewollten Umwandlung des Gesundheitssystems in einen mehr und mehr marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftszweig. Die durch das Vertragsarztrecht ausgeweitete finanzielle Anreizstruktur hebt ab auf die ökonomische Mitverantwortung des Arztes in der Behandlung. Dieser Verantwortung kann und will sich die Ärzteschaft nicht völlig verweigern, auch wenn sie finanzielle Anreize unverändert für problematisch hält. Vor diesem Hintergrund sollen die nachfolgenden Hinweise und Erläuterungen dazu beitragen, die Grenze zwischen den unverzichtbaren Anforderungen an die ärztliche Unabhängigkeit einerseits und zulässigen verhaltenslenkenden Anreizen andererseits zu bestimmen. Die Fragen und Antworten enthalten exemplarische Bewertungen von Einzelfällen. Die daraus abgeleiteten Prüfkriterien sollen der Bewertung anderer Fälle finanzieller Anreize dienen.

1. Inwieweit sind Boni und Rabattanteile, die der Arzt für eine wirtschaftliche Verordnung von Arzneimitteln erhält, mit der ärztlichen Berufsordnung zu vereinbaren?

Das Sozialgesetzbuch enthält inzwischen verschiedene Vorschriften, auf deren Grundlage der Arzt Bonus- oder Rabattanteilszahlungen erhalten kann:

Der durch das Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) vom 26. April 2006 in § 84 SGB V neu eingefügte Absatz 7a sieht vor, dass die Krankenkassen an die Kassenärztlichen Vereinigungen einen Bonus zu entrichten haben, der unter den wirtschaftlich verordnenden Vertragsärzten zu verteilen ist, wenn die Ausgaben der von den Vertragsärzten einer Kassenärztlichen Vereinigung insgesamt verordneten Arzneimittel Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit unterschreiten, die vorab auf Bundesebene vereinbart wurden.
Der zum 1.1.2004 in § 84 SGB V neu eingefügte Absatz 4a ermöglicht Bonuszahlungen für das Unterschreiten von Richtgrößenvolumina für Arznei- und Verbandmittelverordnungen.
§ 130a Abs. 8 SGB V bietet eine Rechtsgrundlage für Rabattvereinbarungen zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen. Der durch das AVWG neu angefügte § 130a Abs. 8 S. 5 SGBV ermöglicht es daran anknüpfend, dass die Krankenkassen Vertragsärzte am Abschluss derartiger Verträge beteiligen oder diese mit dem Abschluss solcher Verträge beauftragen. Satz 3 dieses Absatzes sieht zwar vor, dass Rabatte von den pharmazeutischen Unternehmen an die Krankenkassen zu vergüten sind. Es ist jedoch möglich, dass die Rabattvereinbarungen mit Vertragsärzten Regelungen darüber enthalten, dass bzw. wie die Krankenkassen Ärztinnen und Ärzte an den erzielten Rabatten beteiligen.

Demgegenüber verbietet § 34 Abs. 1 MBO Ärztinnen und Ärzten das Annehmen von Vorteilen für die Verordnung von Arzneimitteln und anderen medizinischen Produkten. Die Vorschrift soll verhindern, dass z.B. Arzneimittelhersteller Ärzten Geld oder sonstige Vorteile mit der Absicht zuwenden, die Verordnungen eigener Präparate gezielt zu steigern. Dadurch würde die Freiheit des Arztes in Bezug auf die Wahl des für den Patienten am besten geeigneten Arzneimittels eingeschränkt. Bei der Bonuszahlung gem. § 84 Abs. 7a SGBV an wirtschaftlich verordnende Vertragsärzte und bei der Beteiligung von Vertragsärzten an Rabatten gem. § 130a SGB V verfolgen die Vereinbarungen aber nicht den von den § 34 Abs. 1 MBO missbilligten Zweck, Ärzte zur Verordnung eines ganz bestimmten Arzneimittels zu bewegen. Absicht ist es in diesen Fällen vielmehr, den Arzt gemäß den gesetzlichen Vorgaben zu einem wirtschaftlichen Verordnungsverhalten in dem Sinne zu veranlassen, dass unter mehreren Arzneimitteln, die im Einzelfall für den Patienten in ähnlicher Weise geeignet sind, nach Möglichkeit das preisgünstigste Präparat verordnet wird. In diesem Fall fehlt es am Unrechtsgehalt der Vorteilsgewährung. Auch im Fall einer solchen weitergehenden Zielsetzung muss dem Arzt jedoch ein hinreichender Entscheidungsspielraum verbleiben. Voraussetzung einer berufsrechtlich zulässigen Vorteilsgewährung ist es daher, dass durch die konkrete Ausgestaltung der Durchschnittskosten- oder Rabattvereinbarung oder durch die Form der Ausschüttung eines Bonus oder Rabattanteils kein so starker Anreiz geboten wird, dass der Arzt sich veranlasst sieht, ausschließlich ein ganz bestimmtes Arzneimittel zu verordnen. Dem Arzt muss in jedem Behandlungsfall ein Entscheidungsspielraum zugunsten der Wahl eines von den Vereinbarungen nicht erfassten Arzneimittels verbleiben. Dementsprechend wird das Berufsrecht verletzt, wenn Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit so vereinbart werden, dass preislich über diesen Durchschnittskosten liegende Arzneimittel Patienten auch in begründeten Fällen versagt werden müssten, um das Bonusziel zu erreichen. Kriterien für die Beurteilung von Rabattvereinbarungen können insbesondere die Höhe des Rabattanteils, die Anzahl der Vereinbarungen in Bezug auf konkurrierende Präparate, die Menge der Verordnungsalternativen oder das jeweilige Verordnungsvolumen sein. Unzulässig wäre es aus berufsrechtlicher Sicht auch, wenn Boni nach § 84 Abs. 7a SGB V in der Form unter den wirtschaftlich verordnenden Vertragsärzten verteilt würden, dass der Vertragsarzt bei der Verordnung bereits die Höhe seines Rabattanteils berechnen kann. Damit würde nämlich ein zu großer Anreiz geboten, durch gezieltes Verordnungsverhalten Boni und Rabattanteile in einer gewünschten Höhe zu erlangen. In jedem Fall ist es erforderlich, dass diesbezügliche Vereinbarungen hinreichend bestimmt sind, um eine Handhabung zu verhindern, die berufsrechtlichen Vorgaben zuwiderläuft. Die Vereinbarungen müssen daher offen gelegt werden. Insbesondere bei Rabattverträgen, an denen Vertragsärzte als Vertragspartner beteiligt sind, muss jeder Arzt seiner berufsrechtlichen Verpflichtung gem. § 24 MBO nachkommen, diese Verträge vor Abschluss seiner Ärztekammer zur Prüfung vorzulegen. Werden diese Hinweise zum Umgang mit Boni und Rabattanteilen beachtet, erweckt der Arzt nicht den Eindruck, dass die Unabhängigkeit seiner ärztlichen Entscheidung im Sinne des § 32 MBO beeinflusst wird.

2. Sind Bonuszahlungen an Vertragsärzte, die auf der Grundlage von Verträgen über integrierte Versorgung gemäß den §§ 140a ff. SGB V erfolgen, mit der ärztlichen Berufsordnung zu vereinbaren?

Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Gesundheitsreform 2000 mit den §§ 140a ff. SGB V die integrierte Versorgung in die gesetzliche Krankenversicherung eingeführt. Die Praxis hat die zunächst ausdrücklich im Gesetz enthaltene Anregung aufgegriffen, aus den im Rahmen dieser Versorgungsform erzielten Einsparungen nicht nur den Versicherten, sondern auch den beteiligten Leistungserbringern einen Bonus zu zahlen. So sieht ein Vertrag über hausärztliche Versorgung beispielsweise vor, dass nach einem im Einzelnen vereinbarten Modus Einsparungen bei der Arzneimitteltherapie sowie bei den Ausgaben für häusliche Krankenpflege, Heil- und Hilfsmittel, Fahrtkosten und Krankenhausbehandlung ermittelt werden; die teilnehmenden Hausärzte erhalten davon einen Anteil von 30 % bzw. 60 %. Die Einsparungen im Arzneimittelbereich sollen insbesondere durch Berücksichtigung der von der beteiligten Krankenkasse mit Arzneimittelherstellern geschlossenen Rabattvereinbarungen erzielt werden. Auch die Entgegennahme derartiger Bonuszahlungen verstößt nicht in jedem Fall gegen das Verbot der Annahme von Vorteilen für die Verordnung von Arzneimitteln und sonstigen medizinischen Produkten in § 34 Abs. 1 MBO, das verhindern soll, dass Hersteller durch Zuwendungen an Ärzte Einfluss zugunsten einer Verordnung ihrer Produkte ausüben. Denn der Vorteil bzw. Bonus wird hier nicht vom Hersteller-Unternehmen eines bestimmten Arzneimittels, sondern im Rahmen eines Integrationsvertrages von der Krankenkasse gewährt. Er stellt sich auch nicht insofern als mittelbare Vergütung des Herstellers dar, als dass dieser lediglich den Weg einer Auszahlung über eine Krankenkasse wählt. Es fehlt an einem Vorteil „für die Verordnung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 MBO, wenn sich die Initiative der Krankenkasse auf das sozialrechtlich erwünschte Erzielen von Einsparungen durch eine wirtschaftliche Verordnungsweise im Rahmen eines Integrationsvertrages richtet, der für den Patienten und alle Beteiligten in seinen wesentlichen Merkmalen erkennbar ist. Voraussetzung ist, dass dem Arzt durch die Ausgestaltung der Bonus- und Rabattvereinbarungen der notwendige Spielraum verbleibt, aus Gründen des Einzelfalles abweichend von den Vorgaben bzw. Anreizen durch diese Vereinbarungen zu verordnen. Zudem sollten konkrete und insoweit nachprüfbare Verhaltensweisen für das Erzielen von Einsparungen vereinbart werden. Sofern lediglich Teilausschüttungen von ersparten Ausgaben vereinbart werden, zwingt das den Arzt dazu, eigene Einsparstrategien zu entwickeln und verleitet u.U. dazu, medizinisch notwendige Leistungen zu versagen.

§ 34 Abs. 1 MBO: „Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, für die Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder Medizinprodukten eine Vergütung oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern, sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen.“

§ 32 MBO: „Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten oder anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern, sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Eine Beeinflussung liegt dann nicht vor, wenn der Wert des Geschenkes oder des anderen Vorteils geringfügig ist.“

Unter diesen Voraussetzungen wird auch nicht der Eindruck erweckt, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird, ein Verstoß gegen § 32 MBO wäre deshalb zu verneinen.

3. Inwieweit ist es berufsrechtlich zulässig, dass Ärzte Patienten mit oder ohne Zahlung einer Prämie z.B. auf eine Versandapotheke aufmerksam machen bzw. diese empfehlen?

Unter dem Eindruck steigender Ausgaben für Arzneimittel, für die die verordnenden Ärzte mit verantwortlich gemacht werden, der Existenz von Richtgrößen für Arzneimittelverordnungen und der Rechtsfolgen bei Überschreiten dieser Richtgrößen werden zunehmend Vereinbarungen zwischen Ärzten und Apothekern geschlossen, die auf eine Reduzierung der Arzneimittelkosten abzielen. In einer solchen Vereinbarung, die ein Ärztenetz unter Beteiligung einer Kassenärztlichen Vereinigung mit einer Versandapotheke geschlossen hat, sind gemeinsam aufgestellte Regeln zur Arzneimittelsubstitution enthalten, die von den vertragschließenden Parteien bei der Verordnung und bei der Abgabe von Arzneimitteln zu beachten sind. Die Ärzteseite verpflichtet sich in dem Vertrag, den Mitgliedern des Ärztenetzes die vereinbarten Substitutionsregeln und deren Handhabung zur Kenntnis zu bringen. Weiterhin verpflichten sich die Ärzte, bei jeder geeigneten Verordnung auf die Bezugsmöglichkeit über die Versandapotheke hinzuweisen und die Bezugsadresse zu benennen. Die Versandapotheke hat nach der Vereinbarung die Substitutionsregeln zu beachten und einen Bonus an das Ärztenetz zu gewähren. Der Bonus soll zur Entwicklung von Strukturen integrierter Versorgung verwendet werden. Erwogen worden war zudem, dass Ärzte ihren Patienten zur Nutzung der Versandapotheke jeweils einen Freiumschlag der Apotheke aushändigen. Bei der ersten Bestellung über diesen Freiumschlag sollte ein Gutschein übersandt werden, der bei künftigen Einkäufen nicht preisgebundener Produkte einlösbar sein sollte. Die Vorschrift des § 34 Abs. 5 MBO beschränkt die Möglichkeit der Verweisung von Patienten an bestimmte Leistungserbringer. Von einer Verweisung, die nach § 34 Abs. 5 MBO nur bei Vorliegen eines hinreichenden Grundes an eine bestimmte Apotheke erfolgen darf, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings nicht schon dann auszugehen, wenn der Patient auf die Möglichkeit des Bezuges über eine bestimmte Apotheke hingewiesen wird. Im Fall einer Verweisung muss der hinreichende Grund nach den Interessen des Patienten beurteilt werden; die Verweisung muss für den Patienten von Vorteil sein. Es reicht nicht aus, wenn sie allein den Interessen des verweisenden Arztes dient. Auch der Rechtsprechung zufolge ist der Arzt aber nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu berücksichtigen. Insoweit kann es als hinreichender Grund im Sinne des § 34 Abs. 5 MBO angesehen werden, wenn durch die Verweisung an eine Versandapotheke und über die mit ihr vereinbarte Substitution von Arzneimitteln eine im Interesse des beitragzahlenden Patienten bzw. Versicherten liegende wirtschaftliche Arzneimittelverordnung verfolgt wird. Vereinbarungen dieser Art müssen aber nicht nur an der ärztlichen Berufsordnung, sondern ebenso an § 11 des Apothekengesetzes (ApoG) gemessen werden, der auch ärztliches Verhalten regelt. Diese Vorschrift verbietet es unter anderem, dass Apotheker mit Ärzten Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die ein Zuführen von Patienten oder ein Zuweisen von Verschreibungen zum Gegenstand haben. Die Vorschrift lässt aber durchaus Raum für Kooperationen, wenn die Rezepte nicht unmittelbar der Apotheke zugeleitet werden und der Patient die Freiheit behält, das Rezept am Ort seiner Wahl einzulösen. Ausdrücklich eröffnet § 11 Abs. 1 S. 2 ApoG durch Verweis auf § 140a SGB V die Möglichkeit von Zuweisungen im Rahmen und zur Durchführung von Integrationsverträgen. Auf deren Grundlage – nicht „zur Entwicklung“ von Strukturen für einen solchen Vertrag – sind auch Bonuszahlungen zulässig, soweit diese Anreiz z.B. zur Verbesserung der Patientenversorgung durch engere Zusammenarbeit oder zu einem sozialrechtlich erwünschten Erzielen von Einsparungen bieten. Selbst im Rahmen von Integrationsverträgen ist es aber nicht zulässig, dass der Patient vom Arzt Freiumschläge oder Gutscheine einer Apotheke erhält. Durch deren Abgabe würde der Arzt quasi Teil des Vertriebssystems der Apotheke, wodurch er eine gewerbliche Vermittlungsdienstleistung erbringen würde, die ihm durch § 3 Abs. 2 MBO in Zusammenhang mit dem Ausüben seiner ärztlichen Tätigkeit verboten ist, oder eine ihm berufsrechtlich ebenso untersagte Werbung für Dritte betreiben würde. Die Rechtsprechung hat die darin liegende Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit wiederholt mit dem Argument gerechtfertigt, dass der Patient darauf vertrauen können muss, dass sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen, sondern ausschließlich von der medizinischen Notwendigkeit leiten lässt. Daher würde auch die Entgegennahme einer Vergütung für das Aufstellen eines Terminals in der Arztpraxis, über das Patienten selbstständig Medikamente in Apotheken bestellen können, als gewerbliche Vermittlungsdienstleistung in Zusammenhang mit dem Ausüben ärztlicher Tätigkeit gegen § 3 Abs. 2 MBO verstoßen. Auch ein unentgeltliches Bereithalten von Werbe- oder Informationsmaterial, z.B. für eine einzelne Apotheke, würde eine dem Arzt verbotene Werbung für Dritte bedeuten. Ein Verstoß gegen § 34 Abs. 5 MBO ist demgegenüber nicht gegeben, wenn über ein Terminal nicht nur einzelne Apotheken erreichbar sind und das System darauf angelegt ist, den Zugang zu einer unbegrenzt hohen Zahl von Apotheken zu ermöglichen.

§ 34 Abs. 5 MBO: „Ärztinnen und Ärzten ist nicht gestattet, Patientinnen und Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen.“

§ 3 Abs. 2 MBO: „Ärztinnen und Ärzten ist untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter ihrer Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind.“

4. Können auf der Grundlage von Integrationsverträgen nach den §§ 140a ff. SGB V Einweisungen in bestimmte, an der Integrationsversorgung teilnehmende Krankenhäuser finanziell honoriert werden?

Auf der Grundlage von Integrationsverträgen, die Krankenkassen z.B. im Bereich der Endoprothetik meist mit entsprechend spezialisierten Krankenhäusern schließen, treten letztere an niedergelassene Ärzte heran und bieten ihnen beispielsweise an, gegen eine Vergütung von 100,00 EUR präoperativ Diagnose- bzw. postoperativ Qualitätskontrollbögen auszufüllen. Auch im Rahmen von Integrationsverträgen kann eine derartige Regelung und deren Durchführung gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt in § 31 MBO verstoßen. Das Ausfüllen von Fragebögen gegen Entgelt stellt ein Leistungsaustauschverhältnis zwischen Krankenhaus und Arzt dar, bei dem der Arzt eine Leistung gegenüber dem Krankenhaus erbringt, die ihm vom Krankenhaus vergütet wird. Nach dem ärztlichen Berufsrecht sind Leistungsaustauschbeziehungen zwischen Ärzten und Dritten in Zusammenhang mit dem Ausüben der Heilkunde grundsätzlich zulässig; § 33 Abs. 1 S. 1 MBO erlaubt, dass Ärzte Dienstleistungen gegenüber Herstellern von Arzneimitteln und sonstigen Produkten im Bereich des Gesundheitswesens erbringen und dafür eine Vergütung erhalten. Voraussetzung ist nach Satz 2 dieser Vorschrift allerdings, dass die Vergütung ein Äquivalent für die erbrachten Leistungen darstellt. Dementsprechend kommt es für die Frage, ob sich die Zahlung mangels Äquivalenz als nach § 31 MBO unzulässiges Zuweisungsentgelt darstellt, zum einen darauf an, ob die Höhe der Pauschalvergütung mit Blick auf den Aufwand des Arztes beim Ausfüllen der Fragebögen angemessen ist, d.h. ob sie mit der Vergütung des Arztes für ähnliche Leistungen vergleichbar ist. Zum anderen darf es sich nicht um eine Dienstleistung handeln, die als solche für das Krankenhaus nicht weiter verwertbar ist und deren wirtschaftlicher Wert für das Krankenhaus sich nur mit der geförderten oder sichergestellten Einweisung begründen lässt. Auch im Rahmen der Integrationsversorgung muss nämlich das Recht des Patienten auf freie Arztwahl respektiert werden. Insoweit hängt die Beurteilung entscheidend von der Gestaltung des Fragebogens, d.h. von den mit ihm abgefragten Informationen und deren Verwertung ab. Im Übrigen muss die vom Arzt erbrachte Leistung über das Erfüllen ihm ohnehin obliegender Dokumentationspflichten hinausgehen, und sie darf nicht gleichzeitig in anderer Form, z.B. durch die gesetzliche Krankenversicherung, vergütet werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Anreiz hinzunehmen, der von der Leistungsaustauschbeziehung in Bezug auf die Einweisung von Patienten in dieses Krankenhaus ausgehen mag. Eine Vergütung der Leistungen des Arztes ist berufsrechtlich nicht zu beanstanden. Nicht hinzunehmen wäre es demgegenüber, wenn auf der Grundlage eines Vertrages über integrierte Versorgung beispielsweise prä- oder postoperative Behandlungsleistungen überhöht vergütet würden, um dadurch zulasten von Leistungserbringern, die an derartigen Integrationsverträgen nicht beteiligt sind, eine Zuweisung im Rahmen des Integrationsvertrages sicherzustellen.

5. Begegnet es berufsrechtlichen Bedenken, wenn Industrieunternehmen (z.B. Arzneimittelhersteller) zur Förderung des Absatzes ihrer Produkte Verträge mit „arztnahen“ Dienstleistungsunternehmen schließen?

Die ambulante medizinische Versorgung der Bevölkerung entwickelt sich von der klassischen Einzelpraxis hin zu größeren Einheiten wie Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinischen Versorgungszentren, Netzwerken und Verbünden. Parallel dazu entstehen Dienstleistungsgesellschaften, die Netzstrukturen organisieren, Integrationsverträge managen oder andere Dienstleistungen erbringen. Da der Arzt den Absatz von Produkten gemäß § 34 Abs. 1 MBO nicht fördern darf, richtet sich das Interesse von Herstellerfirmen auf arztnahe Dienstleistungsgesellschaften. Ein Arzneimittelhersteller schließt beispielsweise einen Kooperationsvertrag mit einem Dienstleistungsunternehmen, nach dem dieses den Absatz von Produkten des Arzneimittelherstellers gegenüber Ärzten bewirbt und fördert und dafür an dem Zuwachs der Umsätze des Arzneimittelherstellers beteiligt wird. Gleichzeitig führt das Dienstleistungsunternehmen für Ärzte Verhandlungen mit gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen und erbringt Ärzten gegenüber Dienstleistungen jeglicher Art. Die berufsrechtliche Beurteilung einer derartigen Zusammenarbeit hängt davon ab, welches Verhältnis zwischen dem Dienstleistungsunternehmen und den Ärzten besteht. Sofern das Dienstleistungsunternehmen von den Ärzten, denen gegenüber es seine Leistungen erbringt, unabhängig ist, d.h. diese Ärzte weder Gesellschafter des Dienstleistungsunternehmens sind noch in sonstiger Weise auf die Geschäfte des Unternehmens Einfluss nehmen können und an den Ergebnissen des Unternehmens beteiligt sind, ist die Verpflichtung des Unternehmens, den Absatz von Arzneimitteln zu steigern, rechtlich nicht problematisch. Es muss allerdings mit Blick auf § 34 Abs. 1 MBO sichergestellt sein, dass die Dienstleistungsverträge mit den Ärzten keine Regelungen enthalten, die auf eine Förderung des Arzneimittelabsatzes abzielen. Anders ist es zu beurteilen, wenn die Ärzte Mitgesellschafter des Unternehmens sind oder in sonstiger Weise auf die Geschäfte des Unternehmens Einfluss nehmen können und an dessen Ergebnissen beteiligt sind. In diesem Fall liegt ein Verstoß gegen § 34 Abs. 1 MBO vor, der es Ärzten nicht nur verbietet, selbst eine Vergütung für Verordnungen anzunehmen, sondern es genauso verbietet, Zuwendungen gegenüber Dritten zu fordern oder sich versprechen zu lassen. Der Arzt würde dann nämlich mittelbar durch die Zuwendungen an „sein“ Unternehmen profitieren. Gegen § 34 Abs. 1 MBO wird auch verstoßen, wenn zwischen Herstellerunternehmen und arztnahen Dienstleistungsgesellschaften oder einer Mehrzahl von Ärzten Beraterverträge geschlossen werden, nach denen das Herstellerunternehmen in Fragen des Marketings, des Umgangs mit multimorbiden Patienten, der Gesundheitspolitik, der Einsatzprofile bestimmter Arzneimittel o.Ä. „beraten“ werden soll. Der Arzt erhält in derartigen Fällen eine Vergütung für Leistungen, die für das Herstellerunternehmen wertlos sind. Es fehlt daher ein Äquivalent für die mittelbare oder unmittelbare Zuwendung an den Arzt.

§ 31 MBO: „Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.“

§ 33 Abs. 1 MBO: „Soweit Ärztinnen und Ärzte Leistungen für die Hersteller von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder Medizinprodukten erbringen (z.B. bei der Entwicklung, Erprobung und Begutachtung), muss die hierfür bestimmte Vergütung der erbrachten Leistung entsprechen.“

6. Begegnet es berufsrechtlichen Bedenken, wenn Krankenkassen Zahlungen an Vertragsärzte dafür leisten, dass diese Leistungen durch bestimmte Leistungserbringer veranlassen?

Zur Förderung des ambulanten Operierens durch niedergelassene Vertragsärzte haben Kranken- bzw. Ersatzkassen mit einer Kassenärztlichen Vereinigung vereinbart, dass der Vertragsarzt eine Motivationspauschale von der Ersatzkasse erhält, wenn er veranlasst, dass eine ambulante Operation durch einen anderen Vertragsarzt und nicht durch ein Krankenhaus erbracht wird. § 31 MBO verbietet eine Zuweisung gegen Entgelt. In der genannten Fallkonstellation wird die Zuweisung zwar nicht zwischen zwei Ärzten vereinbart. Der Tatbestand des § 31 MBO setzt aber nicht voraus, dass der Zuweisungsempfänger die Zuweisung veranlasst hat und sie unmittelbar vergütet. Vielmehr soll § 31 MBO verhindern, dass sich der überweisende Arzt von einem damit für ihn verbundenen finanziellen Vorteil zu einer gezielten Zuweisung verleiten lässt. Das könnte dazu führen, dass entweder eine aus medizinischen Gründen nicht erforderliche Leistung veranlasst wird oder dass durch die Zuweisung das durch § 7 Abs. 2 S. 1 MBO geschützte Patientenrecht auf freie Arztwahl missachtet wird. Danach würde die Durchführung der vorstehend beschriebenen Vereinbarung einen Verstoß gegen die §§ 31 und 7 Abs. 2 S. 1 MBO bedeuten, weil ein Anreiz geboten wird, die Arztwahlfreiheit des Patienten auf eine bestimmte Gruppe von Leistungserbringern zu beschränken. Die Rechtsprechung hat es demgegenüber als zulässig angesehen, wenn ein niedergelassener Arzt seine Patienten über Empfehlungen ihrer Krankenkasse betreffend geeignete, nach bestimmten Kriterien ausgewählte Krankenhäuser lediglich berät und für diese Beratung eine Vergütung seiner Kassenärztlichen Vereinigung erhält. Dem ist insoweit zuzustimmen, als durch die Beteiligung von Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkasse sichergestellt werden kann und muss, dass die Wahlmöglichkeiten des Patienten nicht zu sehr auf bestimmte Krankenhäuser verengt werden und damit sein durch § 7 Abs. 2 S. 1 MBO geschütztes Recht auf freie Arztwahl verletzt wird. Ferner müssen die Auswahlkriterien transparent gemacht werden, und eine abweichende Überweisung im einzelnen Behandlungsfall muss möglich bleiben.

7. Inwieweit sind Kooperationen zwischen Laborärzten und anderen niedergelassenen Ärzten in Bezug auf die Untersuchung eingesandter Proben und Anreize zum Übersenden von Proben mit dem Verbot der Zuweisung gegen Entgelt zu vereinbaren?

Nachdem in § 18 Abs. 1 MBO die Möglichkeit eröffnet worden ist, Berufsausübungsgemeinschaften auch beschränkt auf einzelne Leistungen zu bilden, haben sich insbesondere Laborärzte und andere Fachärzte, die regelmäßig Laborproben veranlassen, zu angeblichen (Teil-)Berufsausübungsgemeinschaften zusammen geschlossen. Ein derartiger Vertrag lässt weitgehend offen, worin das gemeinsame Ausüben des Arztberufs bestehen soll. Er enthält aber Gewinnverteilungsregelungen, nach denen der Gewinn abhängig von der jeweils veranlassten und erbrachten Laborleistung verteilt werden soll. Dem Veranlasser soll jeweils ein Gewinnanteil zufließen, der die abrechenbare Vergütung der von ihm selbst erbrachten Leistungen übersteigt. Zwar sind die Partner einer (Teil-)Berufsausübungsgemeinschaft grundsätzlich frei in ihren Vereinbarungen darüber, wie sie ihre Zusammenarbeit gestalten und wie sie die Ergebnisse der gemeinsamen Berufsausübung untereinander verteilen wollen. Zudem kann sich die Form der Zusammenarbeit in einer auf einzelne Leistungen beschränkten Berufsausübungsgemeinschaft, zumal in einer überörtlichen (Teil-)Berufsausübungsgemeinschaft, von der Form der Zusammenarbeit in einer klassischen Gemeinschaftspraxis unter einem Dach unterscheiden. An die Stelle der Zusammenarbeit in einer klassischen Gemeinschaftspraxis, die sich z.B. beim Einrichten der Praxisräume oder beim Anstellen von Personal nicht ausschließlich auf das Heilkundeausüben im engeren Sinne beziehen muss, müssen jedoch vergleichbare Merkmale einer Zusammenarbeit treten, die sich nicht auf das Erbringen von (medizinisch-technischen) Leistungen durch einzelne Mitglieder der Gemeinschaft und das Veranlassen dieser Leistungen durch die übrigen Mitglieder beschränken dürfen. Fehlt es an Anhaltspunkten für eine gemeinsame Berufsausübung und kommt hinzu, dass der Gewinn in der beschriebenen Weise verteilt wird, handelt es sich nicht um eine Berufsausübungsgemeinschaft im Sinne des § 18 Abs. 1 MBO. Die Zahlungen über die mithin bestehende Scheingesellschaft stellen sich dann als durch § 31 MBO verbotenes Zuweisungsentgelt dar, soweit sie die Vergütung übersteigen, die der Laborleistungen oder sonstige Leistungen veranlassende Arzt für die von ihm selbst erbrachten Leistungen in Rechnung stellen könnte. Die Rechtsprechung hat im Übrigen klargestellt, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn zwar kein Entgelt je Zuweisung vereinbart bzw. gezahlt und daher nicht gegen § 31 MBO verstoßen wird, sondern ein anderer finanzieller Anreiz für eine Zuweisung geboten wird. In dem entschiedenen Fall waren Basislaborleistungen unter Selbstkosten angeboten worden, sodass der veranlassende Arzt die Leistungen zu einem höheren Preis als eigene Leistungen abrechnen konnte.

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