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gg) Verpflichtung zur Weiterbildung

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Die Weiterbildung[334] ist eines der zentralen Aufgabengebiete der Kammern. Sie ist Ausdruck des Anspruchs der Selbstverwaltung, Inhalt, Grenzen und Struktur ärztlicher Tätigkeit in eigener Verantwortung zu regeln. Zwar gilt nach wie vor der Grundsatz, dass die Approbation den Arzt zur Ausübung der gesamten Heilkunde berechtigt; durch die umfangreichen Regelungen der (Muster-)Weiterbildungsordnung (M-WBO) wird aber deutlich, dass die Kammern den weitergebildeten Arzt als den „Regelfall“ betrachten.[335] Anders als die Ausbildung zum Arzt ist die Weiterbildung zum Facharzt weitgehend „privatisiert“, d.h. ihre Durchführung wird einem Weiterbilder übertragen, der sie, zwar unter Beachtung der öffentlich-rechtlichen M-WBO, in eigener Verantwortung im Hinblick auf den täglichen Arbeitsablauf gestaltet. Formal betrachtet findet Weiterbildung in Universitäten kraft Gesetzes und in sonstigen Weiterbildungsstätten aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Zulassung statt.[336] § 29 Abs. 5 MBO erinnert den Weiterbilder jedoch, dass Weiterbildung nicht nur im „learning by doing“ besteht, sondern auch eine aktive Anleitung, Führung und intellektuelle Vermittlung beinhaltet, die über die Instruktion eines beliebigen Arbeitnehmers hinausgeht. Rechtsgrundlage für die M-WBO sind die Heilberufe-Kammergesetze. Inhalte und Struktur der Weiterbildung in den einzelnen Gebieten sind jedoch stark europäisch geprägt. Nur wenn das nationale Weiterbildungsrecht die Vorgaben der einschlägigen EG-Richtlinien beachtet, ist die Migrationsfähigkeit innerhalb der EU gewährleistet.[337] Eine außerhalb der EU bzw. des EWR abgeleistete Weiterbildung kann nur anerkannt werden, wenn sie dem deutschen Weiterbildungsrecht entspricht[338] oder von einem anderen Mitgliedsstaat der EU anerkannt worden ist.[339]

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Angesichts steigender Arztzahlen wird es immer schwieriger, Inhalte der Weiterbildung, insbesondere mit Zahlen versehene Auflagen (z.B. OP-Kataloge), in angemessener Zeit zu erfüllen. Dem stand bislang das Bestreben des weiterzubildenden Arztes gegenüber, den Katalog der einzelnen Leistungen innerhalb der Mindestzeit zu erfüllen. Dies ist angesichts einer sich verändernden Kliniklandschaft und erhöhter Anforderungen sehr oft nicht möglich. Nachdem Arbeitsverträge mit Weiterbildungsassistenten im Krankenhaus in aller Regel und zulässigerweise befristet sind,[340] werden arbeitsrechtliche Fragen aufgeworfen, wenn dem Assistenten bis zum Stichtag noch einige Operationen fehlen, der Klinikträger aber nicht bereit ist, ein erneutes befristetes Arbeitsverhältnis einzugehen. Nach der Rechtsprechung des BAG[341] kann der angestellte Arzt alleine deswegen keine Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses verlangen; vielmehr sei es alleinige Aufgabe der Kammern, bzw. der von ihr ermächtigten Weiterbilder, für einen zeitgerechten Abschluss der Weiterbildung Sorge zu tragen. Der Klinikträger als Arbeitgeber habe lediglich Maßnahmen zu unterlassen, die die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Weiterbildung unzumutbar beeinträchtigen. Ansprüche könne der Assistent daher nur gegen die Kammer bzw. den Weiterbilder erheben. Erhält die Kammer Kenntnis von einem diesbezüglichen Missstand, kann sie gegen den Weiterbilder berufsrechtlich vorgehen und ihm die Weiterbildungsermächtigung entziehen. Für den Weiterbilder kann dies u.U. arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Der Assistent könnte aber auch gegen den Weiterbilder vor dem Verwaltungsgericht wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters der Weiterbildung klagen. Hält der Weiterbilder den Arzt hingegen für die beanspruchte Tätigkeit nicht für geeignet, bzw. würde sein Einsatz ein unbeherrschbares Risiko für den Patienten mit sich bringen, geht die Sicherheit des Patienten vor. Eine gute Weiterbildung hat schließlich auch das Ziel, einem Aspiranten rechtzeitig zu verdeutlichen, welche Anforderungen in einem bestimmten Gebiet gestellt werden.

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Die Pflichten des Weiterbilders sind im Einzelnen in der M-WBO dezidiert aufgeführt. Neben der hier behandelten Förderungspflicht muss der Weiterbilder zunächst die für ihn geltende WO kennen, um den Weiterzubildenden rechtzeitig auf Umstände aufmerksam zu machen, die seiner Weiterbildung abträglich sind. So hat er z.B. darauf hinzuweisen, wenn seine Ermächtigung eine bestimmte Tätigkeit nicht erfasst.[342] Dies gilt insbesondere, nachdem die M-WBO in eine Regelweiterbildung und Schwerpunkte umstrukturiert wurde. So sind in den Schwerpunkten Inhalte definiert, die nicht Pflichtbestandteil der Regelweiterbildung sind. Da der Weiterbilder im Rahmen seiner Weiterbildung weisungsfrei sein muss, darf der Weiterbilder in einem Schwerpunkt nicht den Weisungen eines Weiterbilders in der Regelweiterbildung unterworfen sein.[343] Will der Weiterzubildende seine Weiterbildung im Rahmen des Zulässigen in Teilzeit absolvieren (z.B. § 4 Abs. 5 BayWO), muss ihn der Weiterbilder darauf aufmerksam machen, dass zuvor eine entsprechende Genehmigung der zuständigen LÄK eingeholt wird.[344]

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Die Weiterbildung hat durch den Ermächtigten persönlich zu erfolgen. Er hat sie zeitlich und inhaltlich selbst zu gestalten. Die mancherorts anzutreffende Übung, dies den Oberärzten zu überlassen, ist unzulässig. Zur Förderungspflicht des Weiterbilders gehört auch die Pflicht, dem Weiterzubildenden am Ende der Weiterbildung bzw. des jeweiligen Weiterbildungsabschnitts ein Zeugnis[345] auszustellen; hiervon abweichend können sowohl der einzelne Arzt als auch die Kammer jährliche Zwischenzeugnisse verlangen. In den Zeugnissen wird sinnvollerweise auf die Terminologie der Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung Bezug genommen, um dem Zeugnisempfänger später nicht einem „Interpretationsrisiko“ auszusetzen. Im letzten Zeugnis muss darüber hinaus zur fachlichen Eignung Stellung genommen werden. Fehlt dieser Passus, kann die Kammer Rückfragen stellen, was u.U. den Zeitpunkt der Zulassung zur Prüfung verzögert.

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