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cc) Kooperationsverträge zwischen Krankenhäusern und Vertragsärzten – Schnittstellenoptimierung oder Zuweisungsprovision?

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Die Begriffe „sektorübergreifende Versorgung“ oder „Schnittstellenoptimierung“ bzw. „Schnittstellenmanagement“ sind zu modernen Schlagwörtern im Gesundheitswesen geworden. Wer sie benutzt, signalisiert damit Lösungskompetenz. Vor dem Hintergrund eines harten Wettbewerbs zwischen den Krankenhäusern und einer zunehmenden Unterfinanzierung stationärer Einrichtungen nimmt es nicht wunder, dass nicht wenige Krankenhäuser versuchen, niedergelassene Ärzte als Zuweiser an sich zu binden.[153] Dafür scheint es schon lange nicht mehr auszureichen, einfach „gut“ zu sein und durch Service die Patientenzufriedenheit zu steigern. Da trifft es sich gut, dass man unter dem Deckmantel der integrierten Versorgung oder auch der „Schnittstellenoptimierung“ mit niedergelassenen Ärzten (nicht immer nur aus der näheren Umgebung) Kooperationsvereinbarungen schließt, durch die diese Ärzte dem Krankenhaus vorgeblich im prä- und poststationären Bereich Arbeit abnehmen und dafür vom Krankenhaus vergütet werden.[154] Zum Teil wird auch noch die Qualitätssicherung bemüht. In der Praxis wird allerdings nicht immer sauber zwischen einer poststationären Behandlung i.S.v. § 115a Abs. 1 Nr. 2 SGB V und einer poststationären Behandlung zur Abkürzung der Krankenhausverweildauer unterschieden, obwohl diese Unterscheidung erhebliche Konsequenzen hat[155]. Denn oft entlässt das Krankenhaus den Patienten, ohne dass ein Fall von § 115a Abs. 1 Nr. 2 SGB V vorliegt, in Absprache mit einem oder mehreren zuständigen Vertragsärzten etwas früher nach Hause („blutige Entlassung“), z.B. weil der Patient dies wünscht und dies bei entsprechender externer ärztlicher Abdeckung medizinisch vertretbar ist. Für den dadurch bei den Vertragsärzten entstehenden Betreuungsmehraufwand erhalten diese vom Krankenhaus einen bestimmten Anteil der DRG als Honorar. Bei nicht wenigen dieser Modelle handelt es sich aber um bloße „Einweiser- oder auch Fangprämien“, die das ganze Konstrukt als „Zuweiserkartell“ erscheinen lassen ohne dass in Wahrheit eine sektorübergreifende Kooperation vorliegt, z.B. weil dem Vertragsarzt Pflichten zugewiesen werden, die ihm ohnehin bereits originär obliegen.[156] Besondere Vorsicht ist oft schon dann geboten, wenn in der Präambel zu derartigen Verträgen das „Patientenwohl“ besonders hervorgehoben wird, zumal sich der Patient manchmal wundert, warum er plötzlich in ein ihm bislang völlig unbekanntes Krankenhaus, womöglich noch in der Nachbarstadt eingewiesen wird. Die Zuweiserprovision ist für das Krankenhaus wettbewerbswidrig (Störer i.S.d. UWG)[157] und für den Arzt berufsordnungswidrig. Derartige Verträge sind wegen Verstoßes gegen § 134 BGB unheilbar nichtig (vgl. § 21 Rn. 20).[158] Durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG)[159] v. 22.12.2011, das am 1.1.2012 in Kraft getreten ist, wurden in mindestens drei Versorgungsbereichen die Koordinaten zwischen Vertragsärzten und Krankenhäusern neu bestimmt. Es sind dies die vor- und nachstationäre Behandlung (§ 115a SGB V), das ambulante Operieren im Krankenhaus (§ 115b SGB V) und die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (§ 116b SGB V). Manche rechnen auch die Tätigkeit von Honorarärzten im Krankenhaus hierzu, was jedoch im Ergebnis unzutreffend ist. Diese Frage hat mit dem GKV-VStG nichts zu tun, wirft aber nicht zuletzt auch erhebliche sozialversicherungsrechtliche Fragen auf. und wird daher in anderem Zusammenhang zu behandeln sein.[160] Berufsrechtlich geht es im Hinblick auf § 31 weniger um die Sinnhaftigkeit derartiger Strukturänderungen, sondern vielmehr darum, ob unter dem Vorwand, diese Strukturen umzusetzen, Belohnungssysteme i.S.d. § 31 implementiert werden. Zurecht warnen einige, im Sog der Korruptionsdebatte derartige Kooperationsformen nicht unter Generalverdacht zu stellen, sondern einer Einzellfallprüfung zu unterziehen.[161] Ob nun freiberufliche Honorararztverträge oder Teilanstellungsverträge vorzuziehen sind, wurde viele Jahre ausgesprochen kontrovers diskutiert,[162] dürfte seit den Entscheidungen des BSG vom 12.7.2019 zugunsten der Teilanstellung des bis dato als Honorararzt tätigen Operateurs entschieden sein (siehe auch Kap. 18 Rn. 158 und Kap. 22).[163] Seine Stellung sollte als leitende Position ausgestattet sein (Teilzeit-Chefarzt). Dies kann u.U. zu Kompetenzstreitigkeiten mit anderen an einem Haus angestellten leitenden Ärzten führen, muss aber gelöst werden. Manche kritisieren bereits, wenn der Vertrag so gestaltet ist, dass der Teilzeit angestellte Arzt nur von ihm selbst eingewiesene Patienten operiert und hierfür ein Honorar erhält, das wesentlich über der Vergütung angestellter Oberärzte liegt. Zum ersten Teil der Fragestellung könnte man entgegnen, dass ja auch ein Belegarzt häufig nur die von ihm selbst eingewiesenen Patienten operiert, was in der Vergangenheit niemand beanstandet hat, wenn die Indikation stimmt und die Klinik für den geplanten Eingriff geeignet ist. Man wird also fragen müssen, ob er einen Patienten nur deshalb in ein bestimmtes Krankenhaus – und nicht in ein anderes mindestens ebenso, wenn nicht sogar besser geeignetes Krankenhaus einweist, nur weil ihm dort die Möglichkeit einer vielleicht attraktiven Vergütung eingeräumt wird. An dieser Stelle besteht die Gefahr, Elemente der Angemessenheitsprüfung mit der Frage, ob eine Unrechtsvereinbarung vorliegt, zu vermischen.[164] Um diese Diskussion zu vermeiden, ist es letztlich vorzugswürdig, wenn der Arzt für alle Patienten seiner Abteilung zuständig ist, nicht nur für die von ihm selbst eingewiesenen Patienten.

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Die Zulässigkeit sog. Hol- und Bringedienste wurde von den Gerichten unterschiedlich beurteilt.[165] Entscheidend dürfte weniger die tatsächliche Distanz, sondern vielmehr die Gefahr für das zu untersuchende Probengut durch die Dauer des Transports sein. Ist darüber hinaus ein guter Kontakt zwischen Diagnostiker und einsendender Einrichtung gewährleistet, sprechen auch Hol- und Bringedienste über eine längere Distanz nicht gegen eine unerlaubte Vorteilsgewährung, da bei derartigen Untersuchungsleistungen der Kontakt zwischen Arzt und Patient ohnehin nicht im Vordergrund steht und somit das Kriterium für eine örtliche Bezugsgröße entfällt.[166] Wegen § 11 ApoG ist allerdings ein Hol- und Bringedienst zwischen Apotheker und Arzt unzulässig.[167] Neue Versorgungsformen im Rahmen des DVG können hierzu allerdings andere Lösungsansätze anzeigen.

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Die Annahme von Zuwendungen, die sich ein Augenarzt von einem Optiker versprechen lässt, der in demselben Gebäude ein Geschäft führt, sind auch dann standeswidrig, wenn der Arzt sich zu keiner Gegenleistung verpflichtet. Die umsatzabhängige Verzinsung eines von dem Augenarzt dem Optiker gewährten Darlehens erweckt zusätzlich den Verdacht der Gewinnbeteiligung an ärztlichen Verordnungen.[168]

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Inwieweit Patientenvermittlungsagenturen unter § 31 MBO fallen, kann nicht einheitlich bewertet werden. Ist es Aufgabe der Agentur, z.B. im Ausland zahlungskräftige Patienten anzuwerben, dürfte dieses Verhalten eher an § 27 MBO zu messen sein. Werden (ausländischen) Einrichtungen oder Personen des Gesundheitswesens Provisionen für die Zuweisung von Patienten versprochen, kann der Schutzzweck von § 31 MBO verletzt sein. Generell muss beachtet werden, dass Patientenvermittlung eine gewerbliche Tätigkeit darstellen kann. Unzulässig dürften wohl aber solche Vermittlungs- oder Maklerverträge sein, in denen ein bestimmter Prozentsatz vom ärztlichen oder Krankenhaushonorar als Entgelt vereinbart wird.[169] Die verschiedenen Fallkonstellationen sind jedoch vielschichtig, weil auch die Angebotsstruktur sehr unterschiedlich sein kann. Unproblematisch ist in vielen Fällen, wenn der ausländische Patient die Agentur selbst bezahlt. Manche Agenturen organisieren auch die Reise und Dolmetscherdienste. Wenn das hierfür von der Klinik gezahlte Vermittlungshonorar keine Zuweiserprovisionsanteile enthält, mag dies u.U. zulässig sein. Sinnvoll ist jedenfalls, die Vertragsbeziehungen zwischen Klinik und Agentur gegenüber dem Patienten offen zu legen.[170]

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