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§ 19 Schlichtes Verwaltungshandeln

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Fall 24:

Die zuständige Behörde möchte eine Bundesfernstraße verbreitern. Sie benötigt dazu einen 3 m breiten Streifen Land des A. Dieser verweigert den Verkauf des Lands. Daraufhin weist die Enteignungsbehörde den Träger der Straßenbaulast vorzeitig in den Besitz des Lands ein. Der Straßenbaulastträger beginnt mit den Bauarbeiten, indem er einen Zaun, der das Grundstück des A umschließt, abreißt. Ist dieses Vorgehen rechtmäßig? Rn 839

I. Begriff

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Der VA zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass er eine Regelungswirkung aufweist (s.o. Rn 308 ff). Die öffentliche Verwaltung kann aber bei der Behandlung eines Einzelfalls auch ohne Regelungswirkung tätig werden. Das damit umschriebene schlichte Verwaltungshandeln bildet zugleich den Oberbegriff für Realakte einerseits und Verwaltungsentscheidungen ohne Regelungsgehalt andererseits, zu denen insbes. Wissenserklärungen gehören[1]. Teilweise wird insoweit allerdings umgekehrt der Begriff des Realakts als Oberbegriff gewählt unter Einbeziehung der Wissenserklärungen sowie des informellen Verwaltungshandelns[2].

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Realakte sind Tathandlungen. Unter diesem Begriff fasst man alle Handlungen zusammen, die nicht auf einen Rechtserfolg, sondern auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet sind. Das Fehlen des Rechtserfolgs ist der entscheidende Unterschied zum VA sowie zum örV. Aber auch Maßnahmen im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung sind teilweise als Realakte einzustufen (s.o. Rn 704, 707).

Beispiele:

Auszahlung eines Geldbetrags;
Fahrt mit dem Dienstfahrzeug;
Errichtung eines Verwaltungsgebäudes;
Abriss eines Hauses;
Durchführung einer Videoüberwachung[3];
Durchführung einer Akteneinsicht[4];
Anwendung eines Zwangsmittels;
der sofortige Vollzug.

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Zu den Wissenserklärungen gehören Informationen, Auskünfte und ähnliche Maßnahmen, mit denen die öffentliche Verwaltung das Verhalten der Bürger oftmals indirekt steuert[5]. Von diesen Wissenserklärungen haben „behördliche Warnungen“ eine besondere Aktualität erreicht. Ihr Anwendungsbereich ist etwa im Umweltrecht zu finden[6].

Beispiele

Veröffentlichung einer Liste mit glykolhaltigen Weinen durch das Bundesgesundheitsamt[7];
Warnung vor angeblich verdorbenen Teigwaren durch das Regierungspräsidium Stuttgart[8];
Warnung vor sog. Jugendsekten[9]; Hinweis auf Schadstoffe im Trinkwasser[10];
Veröffentlichung sog. „Transparenzlisten“[11].

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Ebenfalls nicht auf einen Rechtserfolg zielt ein Handeln ab, das sich zwischen Staat und Bürger abspielt und das heute „informales“ oder „informelles“ Verwaltungshandeln genannt wird. Dieses Handeln ist Folge einer Kooperation zwischen Staat und Bürger. „Informelles“ Verwaltungshandeln zeigt sich zB in Aushandlungsprozessen oder in Absprachen über mögliche Inhalte von VAen. Das gibt es vor allem im öffentlichen Wirtschaftsrecht, Umweltrecht und Steuerrecht[12].

Beispiele:

Verhandlungen im Vorfeld von Genehmigungsverfahren; Übereinkommen mit dem Versprechen, rechtswidrige Zustände zu beseitigen, um behördliche Eingriffe zu vermeiden; Verständigungen im Steuerrecht über die Höhe der zu zahlenden Steuer bei schwierigen Sachverhaltsfragen.

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Eine gewisse Nähe zum informellen Verwaltungshandeln weisen schließlich die Fälle der Konfliktmittlung oder Mediation auf ( § 2 Abs. 2 S. 3 Nr 5 der 9. BImSchV, § 4b BauGB)[13]. Unter Mediation versteht man die freiwillige und eigenverantwortliche Konfliktbeilegung durch einen neutralen, von den Beteiligten einvernehmlich bestellten Dritten[14]. Die Mediation ist zwar ebenso wie der örV konsensorientiert und beinhaltet eine Bindung an das gewonnene Mediationsergebnis. Regelmäßig ist diese Bindung aber nur faktischer Natur, da ein entsprechender Rechtsbindungswille fehlt[15]. Die Bindungswirkung kann bei Vorliegen eines entsprechenden Rechtsbindungswillens aber auch vertraglicher Natur sein[16]. Auch im Verwaltungsrecht findet die Mediation zunehmend Verbreitung[17].

II. Anforderungen an die Rechtmäßigkeit

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Wie jedes staatliche Handeln muss auch schlichtes Verwaltungshandeln mit dem geltenden Recht in Einklang stehen[18]. Das für den VA Gesagte gilt auch für sie. Die Behörde muss deshalb für die Vornahme der Handlung zuständig sein. Zuständigkeitsprobleme haben sich insbes. ergeben bei Warnungen der Bundesregierung im Umweltbereich[19]. Wenn das Verwaltungsrecht weitere Anforderungen an die Rechtmäßigkeit stellt, sind diese Anforderungen einzuhalten[20]. Allerdings ist die Regelungsdichte beim schlichten Verwaltungshandeln weitaus geringer als etwa bei VAen. Aber auch dann findet das schlichte Verwaltungshandeln seine Rechtmäßigkeitsgrenzen in den Grundrechten und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Grenze jeden staatlichen Handelns[21]. Ebenfalls hat der Grundrechtsschutz Betroffener eine große Rolle gespielt. Mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann gesagt werden, dass manchmal ein Verbot eines Produkts weniger einschneidend ist als eine öffentliche Warnung; die öffentliche Warnung hat für das das Produkt herstellende Unternehmen sehr häufig einen schweren Nachfrage- und Imageverlust zur Folge.

Beispiel:

Die Firma X stellt eine Vielzahl von Hygieneartikeln her. Die Bundesregierung warnt die Verbraucher, das Produkt A der Firma X zu kaufen, weil es möglicherweise umweltschädigend sei. Tatsächliche Folge dieser Warnung kann sein, dass die Verbraucher auch andere Produkte der Firma X, die in jeder Hinsicht unbedenklich sind, nicht mehr erstehen. Der Imageschaden für die Firma X und die finanziellen Folgen für sie sind ungleich größer, als wenn die zuständige Behörde der Firma verboten hätte, das Produkt A weiter zu vermarkten.

III. Fehlerfolgen

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Beachtet ein Realakt die zuvor aufgezeigten rechtlichen Grenzen nicht, so ist er rechtswidrig. Die für den rechtswidrigen VA relevante Frage, ob er nichtig oder wirksam ist, besitzt beim Realakt keine Bedeutung.

Beispiel:

Die Müllabfuhr der Stadt B beschädigt den dem X gehörenden Mülleimer bei seiner Leerung; das Eigentum des X ist verletzt.

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Die Folgen der Rechtswidrigkeit eines Realakts werden in Teil IV des Buchs (§§ 24-28) behandelt. In Betracht kommt insbes. ein auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gerichteter Folgenbeseitigungsanspruch (s.u. § 25). Statthafte Klageart ist insoweit die allgemeine Leistungsklage[22].

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Lösung Fall 24 (Rn 830):

Der Abriss des Zauns ist ein Realakt. Auch Realakte unterliegen Rechtmäßigkeitsanforderungen. Diese bestehen vorliegend darin, dass der Träger der Straßenbaulast rechtmäßig den Besitz an dem Grundstücksstreifen ergreifen durfte. Die vorzeitige Besitzeinweisung ist nach § 18f BFStrG erlaubt. Es werde unterstellt, dass die vorzeitige Besitzeinweisung rechtmäßig erfolgte. Dann darf mit den Bauarbeiten begonnen werden. Der Abriss des Zauns ist rechtmäßig.

Ausbildungsliteratur:

Di Fabio, Information als hoheitliches Gestaltungsmittel, JuS 1997, 1; Remmert, Schlichtes Verwaltungshandeln, JURA 2007, 736.

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