Читать книгу Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet - Timo Handel - Страница 111
3. Rechtfertigungsgrund
ОглавлениеNach anderer Auffassung sollen die Haftungsprivilegierungen Rechtfertigungsgründe darstellen.425 Danach würde der Diensteanbieter grundsätzlich den strafrechtlichen Tatbestand erfüllen, die Tat wäre jedoch gerechtfertigt.
Da es sich mit der Qualifizierung als Rechtfertigungsgrund bei den Voraussetzungen der Haftungsprivilegierungen nicht um Tatbestandsmerkmale handelt, müsste sich der Vorsatz (§ 15 StGB, § 10 OWiG) des Diensteanbieters nicht auf diese beziehen. Voraussetzung einer Rechtfertigung ist jedoch das Vorliegen subjektiver Rechtfertigungselemente dergestalt, dass die rechtfertigende Situation erkannt und im Rahmen dieser bzw. aus Anlass dieser gehandelt wurde (z.B. ist bei der Notwehr nach § 32 StGB ein Verteidigungswille erforderlich).426 Insoweit beinhalten die Haftungsprivilegierungen mit den Merkmalen der Kenntnis (§§ 9 Satz 1 Nr. 5, 10 Satz 1 TMG) und Absicht (§ 8 Abs. 1 Satz 3 TMG) auch subjektive Elemente. Ein Irrtum käme als Erlaubnistatbestandsirrtum analog § 16 StGB bzw. analog § 11 Abs. 1 OWiG und Erlaubnisirrtum nach § 17 StGB bzw. § 11 Abs. 2 OWiG in Betracht. Die Rechtfertigung durch die §§ 8ff. TMG würde dazu führen, dass eine Teilnahme an einer Tat des Diensteanbieters nicht möglich ist, da keine vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat vorliegen würde. § 28 Abs. 2 Var. 3 StGB und § 14 Abs. 3 Satz 2 OWiG führen in diesem Zusammenhang nicht zu einer Durchbrechung der Akzessorietät, da ein Rechtfertigungsgrund des Täters gerade auch für die Teilnehmer gelten muss.427 Ein zu einer mittelbaren Täterschaft führender „Defekt“ auf Seiten des Diensteanbieters wäre hingegen möglich, wenn ein Dritter beim Diensteanbieter einen Irrtum über das Vorliegen der Haftungsprivilegierung und damit der Rechtfertigung hervorruft.428