Читать книгу Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet - Timo Handel - Страница 131
b. Folgen einer Übertragung dieser Grundsätze auf die §§ 8 bis 10 TMG
ОглавлениеNach der differenzierenden Ansicht wäre demnach eine Berücksichtigung von Irrtümern im Rahmen der §§ 8 bis 10 TMG möglich, wenn die Haftungsprivilegierungen auf Schuldgesichtspunkten beruhen und nicht allein staatspolitischen Belangen dienen oder auf kriminalpolitischen Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen.
Die Haftungsprivilegierungen sollen den Diensteanbietern Rechtssicherheit verschaffen und durch die damit verbundene Risikoreduzierung vor allem zur „Investitionsbereitschaft in die neuen Medien“ beitragen.504 Sie beruhen auf dem Gedanken, dass sich die Tätigkeit der Diensteanbieter auf einen technischen Vorgang beschränkt und einen bloßen Vermittlungsvorgang darstellt.505 Auf eine persönliche Zwangslage des Diensteanbieters, die für diesen zu einer Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens führt, wie für Schuldgesichtspunkte im Rahmen eines Entschuldigungsgrundes üblich,506 wird nicht abgestellt.
Die Haftungsprivilegierungen des TMG dienen demnach allein rechtspolitischen Zielen. Dies wird durch die Erwägungsgründe zur ECRL, deren Art. 12 bis 14 durch die §§ 8 bis 10 TMG in deutsches Recht umgesetzt sind, bestätigt. Nach Erwägungsgrund 3 zielt die ECRL „darauf ab, ein hohes Niveau der rechtlichen Integration in der Gemeinschaft sicherzustellen, um einen wirklichen Raum ohne Binnengrenzen für die Dienste der Informationsgesellschaft zu verwirklichen.“ Zudem rekurriert Erwägungsgrund 42 für die Haftungsprivilegierungen der Diensteanbieter auf deren Tätigkeit, die „rein technischer, automatischer und passiver Art“ sei. Nach Erwägungsgrund 40 dienen die Art. 12 bis 14 ECRL zudem der Beseitigung von „bestehende[n] und sich entwickelnde[n] Unterschiede[n] in den Rechtsvorschriften und der Rechtsprechung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Diensteanbietern, die als Vermittler handeln,“ und „das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes [behindern], indem sie insbesondere die Entwicklung grenzüberschreitender Dienste erschweren und Wettbewerbsverzerrungen verursachen.“ Der europäische Richtliniengeber verfolgt mit den Haftungsprivilegierungen demnach ebenfalls Wettbewerbs- und Wirtschaftsinteressen.
Eine (analoge) Anwendbarkeit der strafrechtlichen Irrtumsregelungen in Bezug auf einen Irrtum über das Vorliegen der Voraussetzungen der Haftungsprivilegierungen des TMG wäre deshalb auch bei einer Übertragung der differenzierenden Ansicht zu den Irrtümern bei persönlichen Strafausschließungsgründen nicht gegeben. Eine Entscheidung über die Übertragung dieser Irrtumsdogmatik und innerhalb der dort bestehenden Meinungsunterschiede ist somit entbehrlich.