Читать книгу Die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Diensteanbieter sozialer Netzwerke im Internet - Timo Handel - Страница 112
4. Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe
ОглавлениеNach Auffassung des LG München I sei § 5 TDG 1997 im Rahmen der Schuld zu prüfen, da die in dem Tatbestand verwendeten „Begriffe wie ‚Kenntnis‘ und ‚Verantwortlichkeit‘“ eindeutig auf die Schuldfrage hinwiesen.429 Diese Begriffe finden sich auch in § 10 TMG. Zudem stelle die Formulierung in der Gesetzesbegründung, wonach die Verantwortlichkeit „das Einstehenmüssen für eigenes Verschulden“ ist,430 einen Hinweis in diese Richtung dar.431
Eine Qualifizierung der Haftungsprivilegierungen als Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe würde dazu führen, dass sich der Vorsatz (§ 15 StGB, § 10 OWiG) des Diensteanbieters nicht auf die Voraussetzungen der Haftungsprivilegierungen der §§ 8 bis 10 TMG beziehen muss, da sie nicht zum Tatbestand gehören würden. Ein Irrtum käme analog § 35 Abs. 2 StGB nur in Betracht, wenn sich der Diensteanbieter über tatsächliche Umstände bzw. „die tatsächlichen Voraussetzungen eines anerkannten Entschuldigungsgrundes“, bezogen auf die Haftungsprivilegierungen also über deren tatsächliche Voraussetzungen (z.B. die Umstände die zur Diensteanbietereigenschaft oder zum Vorliegen einer eigenen bzw. fremden Information führen), irren würde.432 Ein Irrtum nach §§ 16, 17 StGB und § 11 OWiG scheidet hingegen aus.433 Eine Teilnahme an der Tat des Diensteanbieters wäre auch bei Bejahung einer Haftungsprivilegierung des Diensteanbieters möglich, da mit dieser weder der objektive und subjektive Tatbestand noch die Rechtswidrigkeit entfallen würden und damit eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat weiterhin gegeben wäre. Dies stimmt auch mit der Wertung des § 29 StGB und § 14 Abs. 3 Satz 1 OWiG überein, wonach jeder Beteiligte ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft wird. Auch käme ein „Defekt“ für eine mittelbare Täterschaft in Betracht, da der Diensteanbieter bei Vorliegen einer Haftungsprivilegierung nicht volldeliktisch handelt, wenn diese zur Verneinung der Schuld führt.