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Jerusalem, Shonke-Bar, Rehov HaSoreg ...

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Draußen graute bereits der Morgen, dennoch war die Bar noch gut gefüllt. Gideon Blumenthal hatte die ganze Nacht durchgearbeitet und freute sich auf ein kühles Bier. Gideon war Maurer, doch schon seit einigen Jahren übte er seinen Beruf nicht mehr aus, sondern beobachtete die Ausschreibungen in den örtlichen Zeitungen und die Aushänge in den Universitäten und Instituten, wann wieder einmal Archäologen nach Grabungshelfern suchten. Hier in Jerusalem und dem übrigen Israel, in aller Welt nur Das Heilige Land genannt, wurde immer irgendwo geforscht oder gegraben. Und das Geschäft war einträglich, denn vor allem die ausländischen Altertumsforscher zahlten gut und fast immer in Dollar. Drei, vier Monate harte Arbeit, und das Salär eines ganzen Jahres war erwirtschaftet. Auf diese Weise hatte Gideon den Rest des Jahres Zeit für sich und für seine Leidenschaft, den zahlreichen Frauen, die das Christliche Viertel bevölkerten. Natürlich war er nicht reich, hatte kein großes Bankkonto, fuhr keinen heißen und chromblitzenden Schlitten. Er wohnte in einem Ein-Zimmer-Apartment in den Siedlungen nördlich des Christlichen Viertels im Schatten des Neuen Tores und fuhr einen alten Toyota Pick-up, auf dem er sein ganzes Werkzeug in einer doppelt gesicherten Kiste lagerte. Dennoch, die Miete zahlte er pünktlich, und auch sonst hatte er genug zum Leben.

Seit vierzehn Stunden war er heute auf den Beinen und hatte am Grabungsfeld an der Straße nach Jericho gearbeitet. Nun noch ein kühles Bier und dann eine Mütze voll Schlaf, bis er schließlich am späten Nachmittag erneut an die Ausgrabungsstätte im Schatten des Löwentors zurückkehren würde und seine neue Schicht begann. Gerade jetzt ging es dort hektisch zu. Doch daran hatte er sich über all die Jahre gewöhnt. Immer wenn die Archäologen etwas Bedeutendes entdeckten, konnte es nicht schnell genug gehen, dann wurden Sonderschichten gefahren und manchmal bis zur Erschöpfung gearbeitet.

Der Wirt stellte das Bier vor seine Nase und prostete ihm zu. Gideon bedankte sich und trank das Glas in einem Zug leer.

»Du musst durstig sein«, sagte der Dicke, der neben ihm am Tresen stand. Gideon musterte den Mann, der wie ein Händler aus der Ben-Yehuda-Straße wirkte und seinen leichten osteuropäischen Akzent nicht verbergen konnte.

»Ich habe bis jetzt gearbeitet und viel trockenen Staub geschluckt«, antwortete Gideon.

Der Fremde gab dem Wirt ein Zeichen. »Ich zahle die nächste Runde«, sagte er und streckte Gideon die Hand entgegen.

Der zögerte, doch schließlich schlug er ein.

»Solomon Pollak«, stellte sich der Fremde vor. »Ich bin Händler und manchmal auch spät unterwegs – oder soll ich früh sagen?«

Gideon schaute durch die offene Tür hinaus in den erwachenden Morgen. »Früh wäre wohl angebracht«, entgegnete er. Der Fremde war ihm nicht unsympathisch. Und obwohl er müde und eigentlich nicht auf Unterhaltung aus war, kamen sie ins Gespräch. Sie redeten über dies und das, über Gott und die Welt, die politische Lage und über das Land, das noch immer so viele Geheimnisse barg. Dazu tranken sie Bier, denn immer wenn Gideon sein Glas geleert hatte, bestellte der Fremde ein weiteres.

Solomon Pollak erzählte, dass er eigentlich aus Lodz stammte und erst vor vier Jahren nach Israel ausgewandert war. In Polen sei er Redakteur einer kleinen Zeitung gewesen und auch hier in Israel habe er sich den Neuigkeiten des Lebens verschrieben.

»Ich dachte, du bist Händler«, sagte Gideon und seine Worte klangen zunehmend undeutlicher, was wohl dem Alkohol zuzuschreiben war.

»Ja, ich bin Händler«, bestätigte Solomon Pollak. »Ich handle nicht mit Waren, mein Geschäft sind Neuigkeiten, und die werden meist sehr gut bezahlt, wenn man weiß, wer sich gerade dafür interessiert.«

»Neuigkeiten?«, wiederholte Gideon. »Und davon kann man leben?«

»Nehmen wir die Ausgrabungsstätte am Löwentor«, sagte Pollak. »Ein großer Bretterzaun ist darum errichtet, und der Leiter der Grabungsstätte, Professor Raful, hat gerade auf einer Pressekonferenz ein paar Andeutungen gemacht, die das Interesse gewisser Experten geweckt haben. Doch nun schweigt der Professor, und sein großer Zaun verwehrt den Neugierigen die Sicht. Es gäbe eine satte Belohnung für denjenigen, der Informationen über den Fortschritt der Grabungen hätte.«

Gideon betrachtete den dicken Mann mit großen Augen.

»Und es wäre nicht einmal illegal, wenn einer der Arbeiter vom Grabungsfeld reden würde«, schob Solomon Pollak nach.

»Es ist wohl eine Fügung Gottes«, lallte Gideon lächelnd. »Zufällig arbeite ich auf dem Grabungsfeld. Ich möchte sogar sagen, ich bin so etwas wie die rechte Hand des Professors. Aber ich habe nichts zu erzählen, denn alles hat seinen Preis. Du weißt schon, Angebot und Nachfrage.«

Solomon Pollak fasste in die Tasche seiner Jacke und zog ein Bündel Geldnoten hervor. Fünfhundert Dollar.

»Das wäre nur die Anzahlung«, sagte er trocken. »Und hundert Dollar für jede weitere Information.«

Gideon leckte sich die Lippen, als ihm Pollak die Geldscheine unter die Nase hielt.

»Was muss ich dafür tun?«, fragte er, und seine Stimme klang klar, als habe er die fünf Gläser Bier einfach nur weggeschüttet.

»Ich sagte doch«, erklärte Pollak eindringlich. »Es geht nur um Informationen. Nicht mehr und nicht weniger.«

Gideon überlegte kurz, dann griff er nach den Scheinen. »Was wollen deine Kunden wissen?«

»Fangen wir mit der Frage an, was ihr auf dem Feld alles entdeckt habt?«

Eine Stunde später ging Gideon nach Hause. In der Tasche fünf Einhundert-Dollar-Noten. Er war zufrieden, und er würde sich morgen um die gleiche Zeit noch einmal mit Pollak treffen. Es war nichts dabei. Bestimmt war er nicht der Einzige, der über das Grabungsfeld an der Straße nach Jericho redete.

Die Bruderschaft Christi

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