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6 Wieskirche bei Steingaden, Bayern ...

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»Es ist unfassbar«, sagte der Pfarrer aus Füssen und machte eine betroffene Miene, nachdem sich Bukowski als Polizist ausgewiesen hatte. »Meine Haushälterin hat mir erzählt, was hier geschehen ist. Sie müssen wissen, ich habe die Pfarrei erst vor drei Wochen übernommen, nachdem Pater Johannes diesen schrecklichen Unfall hatte. Die Diözese hat mir einstweilen die Leitung übertragen. Es ist schrecklich, wenn man von einem solch grausigen Verbrechen unmittelbar betroffen ist. Josef hat sich seit über dreißig Jahre um diese Kirche gekümmert und nun für sie sein Leben hingegeben.«

Bukowski wies auf die Bank und setzte sich. Lisa Herrmann reichte dem Pfarrer die Hand. Zu Bukowski gewandt sagte sie: »Entschuldige mich, ich informiere schon mal die zuständige Dienststelle über unsere Erkenntnisse.«

Bukowski nickte und schaute Lisa schweigend nach, als sie im Schatten der Kirche verschwand.

»Hm ...«, räusperte sich der Priester. »Wohin wurde Josefs Leichnam gebracht? Ich sollte die Bestattung in die Wege leiten.«

»Das geht nicht so schnell, Herr Pfarrer. Er befindet sich noch in der Rechtsmedizin. Ich denke, in ein bis zwei Tagen wird die Staatsanwaltschaft die Freigabe verfügen.«

Der Pfarrer nickte verständig.

»Herr Pfarrer«, holte Bukowski aus. »Was könnte hier so interessant für Kirchendiebe gewesen sein, dass sich ein Einbruch lohnt?«

Der Pfarrer überlegte. »Nun, neben vergoldeten Kelchen, der Monstranz, die ebenfalls mit Blattgold belegt ist und einige wertvolle Juwelen aufweist, gibt es hier sicherlich noch einige Skulpturen, die für Diebe interessant sein könnten. Die Skulptur des Gegeißelten Heilands genießt Weltruf und ist fast dreihundert Jahre alt. Es stehen weitere Heiligenfiguren auf dem Altar. Ich mache mir keine Illusion, die Welt ist schlecht und gottlos geworden. Liebhaber und kriminelle Sammler würden dafür ein Vermögen zahlen. Deshalb wird die Kirche von unserem treuen Josef auch bei Einbruch der Dunkelheit verschlossen.«

»Ein Alarmsystem gibt es nicht?«

»Nein, soviel ich weiß«, antwortete der Pfarrer. »Josef und der Ehemann der Haushälterin, Herr Dischinger, haben hier aufgepasst. Seit ich die beiden kenne, und ich kenne zumindest Josef schon lange, weiß ich, dass sie stets sorgfältig waren und die Kirche wie ihren Augapfel hüteten.«

Bukowski wies auf den Nebeneingang der Kirche. »Die Täter sind durch diese Tür in die Kirche eingedrungen.«

Der Pfarrer folgte Bukowskis Fingerzeig. »Wahrscheinlich dachten sie, auf dieser Seite wären sie bei ihrem Verbrechen ungestört.«

»Das ist das Sonderbare«, antwortete Bukowski und erhob sich. »Offenbar war die Tür nicht verschlossen. Wir fanden keinen Hinweis auf einen Einbruch.«

Der Pfarrer zog seine Stirne kraus. Sein Blick haftete fragend auf dem Kriminaloberrat.

»Das wäre aber sehr untypisch«, überlegte er. »Der alte Josef und Herr Dischinger waren sehr gründlich und nahmen den Dienst ernst.«

Langsam schlenderten die beiden auf den Nebeneingang zu.

»Gibt es etwa mehrere Schlüssel?«

Der Pfarrer griff nach seinem Schlüsselbund. »Josef hatte einen, ein weiterer wird von den Dischingers verwendet, ich habe einen und der vierte befindet sich im Pfarramt, mehr gibt es nicht.«

»Als Ihr Vorgänger diesen Autounfall hatte, führte er den Schlüssel mit sich?«

Der Pfarrer präsentierte den kleinen metallenen Sicherheitsschlüssel an seinem Schlüsselbund. »Das war der Schlüssel von Pater Johannes. Er wurde uns ein paar Tage nach dem Unfall von der Polizei übergeben.«

»Könnten Sie mir Ihren Schlüssel für ein paar Untersuchungen überlassen?«

Der Pfarrer nickte. »Sicherlich, wenn es zur Aufklärung des Verbrechens hilfreich ist.«

Als sie am Nebeneingang angekommen waren, musterte der Pfarrer die Tür, an der das Schloss ausgebaut worden war. Bukowski bemerkte seinen fragenden Blick. »Wir haben das Schloss ausgebaut. So lange werden Sie ein anderes installieren müssen«, erklärte er und öffnete die Tür.

Ihre Schritte hallten wider, als sie die kühle Kirche betraten. Der Pfarrer schaute sich um und ging zielstrebig zum Altar. Kurz kniete er nieder und bekreuzigte sich. Als er die Stufen zum Altarraum betrat, fiel sein Blick auf die Stelle, wo sich noch immer die Umrisszeichnung des Ermordeten und ein Blutfleck befanden. Erneut bekreuzigte er sich und murmelte ein paar unverständliche Worte.

»Können Sie uns sagen, ob etwas fehlt?«, fragte Bukowski.

Der Pfarrer nickte. Vor dem Altar blieb er stehen und öffnete den goldenen Schrein. Nach einem prüfenden Blick ging er hinüber zur Sakristei.

Bukowski ließ sich mit einem Seufzer in der ersten Bankreihe nieder und wartete, bis der Pfarrer mit seiner kritischen Untersuchung des Altarraumes und der Sakristei fertig war und kopfschüttelnd vor Bukowski stehen blieb.

»Nichts«, sagte er. »Es fehlt nichts, alles ist noch an seinem Ort.«

Bukowski nickte. »Das deckt sich mit unserer Theorie, dass die Täter geflüchtet sind, nachdem sie überrascht wurden.«

Der Pfarrer setzte sich neben Bukowski, der ein Stück zur Seite rutschte.

»Es ist schrecklich. Unser guter Josef. Getötet im Haus des Herrn. Und dazu noch der sinnlose Unfalltod von Pater Johannes. Außerdem wurde nur ein paar Kilometer entfernt, im Kloster Ettal, ein Benediktinerbruder von einem Wahnsinnigen ermordet. Sie wissen sicherlich davon. Man hat den Eindruck, dass Gott sich von den Menschen abgewandt hat.«

»Ich weiß von dem Mord im Kloster«, antwortete Bukowski. »Ich ermittle ebenfalls in diesem Fall.«

»Die Wege des Herrn sind oft unergründlich und verworren«, entgegnete der Pfarrer. »Wussten Sie eigentlich, dass Pater Johannes ebenfalls Benediktiner war und den Ermordeten aus Ettal kannte?«

Bukowski wurde hellhörig. »Sie kannten sich?«

»Sie haben sogar eine Zeit lang beim kirchlichen Amt für Altertümer zusammengearbeitet, bevor Pater Johannes sich zurückzog und die Gemeinde übernahm.«

»Sie arbeiteten zusammen?«, wiederholte Bukowski.

»Pater Johannes war Spezialist für alte hebräische und armenische Schriften. Fünf Jahre war er in Israel und dem Nahen Osten unterwegs.«

Bukowski schlug mit der flachen Hand gegen seine Stirn.

»Was ist?«, fragte der Pfarrer erschrocken.

Bukowski erhob sich. »Ich danke Ihnen, Herr Pfarrer. Sie haben mir sehr geholfen.«

Bukowski stürmte aus der Kirche und wäre beinahe mit Lisa Herrmann zusammengestoßen, die vor der Tür stand.

»Wo warst du«, herrschte Bukowski seine Kollegin an.

»Schlechte Laune?«, konterte Lisa. »Ich habe mit Herrn Dischinger gesprochen, dem Ehemann der Haushälterin. Er kam gerade zurück. Ich habe mir den Schlüssel zur Kirche zeigen lassen. Offenbar sind alle Schlüssel vorhanden, bis auf den des Pfarrers. Aber das interessiert dich wohl nicht, wenn du den Fall sowieso abgeben willst. Soll ich in Garmisch anrufen und die Kollegen von der Inspektion hierher bitten?«

Bukowski griff in seine Jackentasche und holte den Schlüssel hervor, den er vom Pfarrer erhalten und in eine kleine Plastiktüte gepackt hatte. »Das ist unser Fall«, antwortete Bukowski. »Und das nächste Mal sagst du mir, welche Ermittlungen du bereits durchgeführt hast. Oder findest du es gut, wenn wir alles zweimal machen?«

»Was?«, fragte Lisa verwirrt.

»Ich meine die Sache mit den Schlüsseln, verdammt noch mal!«

Lisa blickte Bukowski verdutzt an. »Was ist denn in dich gefahren?«

Bukowski reichte Lisa den Schlüssel. »Bring ihn ins Labor und lass ihn untersuchen. Ich möchte wissen, ob davon ein Nachschlüssel gefertigt wurde.«

»Und was machst du?«, fragte Lisa spitz.

»Ich kümmere mich um den Unfall von Pater Johannes.«

Die Bruderschaft Christi

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