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Lockerung des Denkens

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Die Hypothesenhaftigkeit naturwissenschaftlicher Theorien steht, auch für Steiner, außer Frage. Aufgrund sinnlicher Daten werden Theorien formuliert, errechnet und modelliert. Sie können sich im Prinzip ständig ändern, können modifiziert und verbessert werden. Daraus ergibt sich für Wissenschaftler und Forscher eine Haltung, die in Bezug auf ihre Ergebnisse umsichtig und diskursiv ist und mit Mehrdeutigkeiten leben kann: Es muss nicht zwangsläufig nur eine Wahrheit geben. Der Physiker Max Born (1882–1970) resümiert in diesem Sinn den positiven Aspekt der entsprechenden Unsicherheit: »Ich glaube, dass Ideen wie absolute Richtigkeit, absolute, endgültige Wahrheit usw. Hirngespinste sind, die in keiner Wissenschaft zugelassen werden sollten … Diese Lockerung des Denkens scheint mir als der größte Segen, den die heutige Wissenschaft uns gebracht hat. Ist doch der Glaube an eine einzige Wahrheit und deren Besitzer zu sein, die tiefste Wurzel allen Übels auf der Welt.«104 So ist der Hypothese auch im Umgang mit Steiners Werk (nicht nur in Steiners Werk) ein Verdienst zuzuweisen. Sie vermittelt nämlich eine Haltung der erfahrungsbezogenen Offenheit, die hinlänglich auf sich selbst vertrauend auch die nötige Lockerheit aufbringt, nicht verbissen am Wort Steiners festhalten zu müssen, sondern erfahrungsoffen und damit selbstständig seine Thesen zu überprüfen, zu verwerfen, zu vertiefen, wertzuschätzen. Eine in diesem Sinn lockere Haltung ist alles andere als beliebig oder gleichgültig, vielmehr ist sie die Voraussetzung für eine strenge und als solche immer offene Auseinandersetzung.105

Der Erzähler Rudolf Steiner

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