Читать книгу Der Erzähler Rudolf Steiner - Ulrich Kaiser - Страница 40
Regulative und darstellende Funktion von Hypothesen
ОглавлениеIn seinem Vortrag auf dem Internationalen Kongress für Philosophie am 8. Mai 1911 in Bologna nennt Steiner alle Darstellungen des Geistesforschers »Hypothesen, regulative Prinzipien (im Sinne der Kant’schen Philosophie)« (GA 35, 129), die sich – er ist optimistisch – in der »sinnenfälligen Welt« schon immer bestätigen würden. Gleichzeitig zeigen die Entwicklungsschritte oder Stufen112 der Erkenntnis, die er als imaginative, inspirative und intuitive schildert, selber den Charakter hypothetisch vollzogener Erkenntnis. Als erste Stufe nämlich fungiert das innerliche Leben in einer symbolischen, sinnlich-figurativen Vorstellung (hier vom Hermes-Stab). Eine Vorstellung, die im eben entwickelten Sinn eine Hypothese darstellt, weil sie selber noch keine Erfahrung vermittelt, wohl aber auf Erfahrung hin orientiert ist.
Wenn es nun gelingt, wie Steiner es als nächsten Schritt fordert, bei dieser imaginativ-hypothetischen Übung den sinnlichen Inhalt der Symbolvorstellung zurückzudrängen, dann tritt, so seine Schilderung, eine nächste Stufe des Erlebens ein, die Steiner hier »Selbsterfahrung« oder »inspirative Erkenntnis« nennt. Sie hat selbst wiederum eine hypothetische Vermittlungsfunktion, insofern sie noch keine eigene geistige Erkenntnis darstellt. Denn erst, wenn in einer weiteren Stufe auch dieses Kräfteweben selber zurückgedrängt werden könne, führe das zu einer Erfahrung. Sie sei möglich, trete aber nicht zwangsläufig ein. »Das Selbst wird nach dieser Unterdrückung entweder dem Leeren sich gegenüber finden … Oder aber es wird sich dem Wesentlichen der übersinnlichen Welt noch unmittelbarer gegenübergestellt finden als bei der inspirierten Erkenntnis. Bei dieser erscheint nur das Verhältnis einer übersinnlichen Welt zum Selbst; bei der hier charakterisierten Erkenntnisart ist das Selbst vollständig ausgeschaltet« (ebd., 130). Das sei die »intuitive« Erkenntnisart.