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c) Durchsetzung der Haftung in der AG
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In der AG, so könnte man meinen, hilft bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand vielleicht der Aufsichtsrat. In der gesetzlichen Konzeption ist das auch so, praktisch sind derartige Klagen jedoch selten. Hier fangen die Probleme der Corporate Governance an. Der Aufsichtsrat ist zwar gem. § 112 AktG sogar zur Vertretung der AG gegenüber den Mitgliedern des Vorstands zuständig. Die Mitglieder des Aufsichtsrates werden jedoch häufig vom Vorstand zur Wahl vorgeschlagen (näher Rn. 701); sie werden diesen dann möglicherweise nicht besonders genau überwachen oder gar verklagen wollen. Ferner müssen sie befürchten, selbst wegen einer eigenen Pflichtverletzung in Anspruch genommen werden, wenn sie dem Vorstand eine Sorgfaltspflichtverletzung vorwerfen, da ihre Überwachung dann ja nicht besonders erfolgreich war.[39]
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Kann dieses Problem vielleicht dadurch gemindert werden, dass man den Aufsichtsrat verpflichtet, in bestimmten Fällen Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand gerichtlich geltend zu machen? Das ist etwa versucht worden in der bereits zitierten ARAG/Garmenbeck-Entscheidung.[40]
Eine Lösungsmöglichkeit kann es ferner sein, einzelnen Aktionären die Geltendmachung der Haftung wegen Sorgfaltspflichtverletzung zu überlassen, im Wege der sogenannten Aktionärsklage. In den USA ist das weitgehend möglich, in Deutschland jedenfalls bislang kaum (näher dazu unten Rn. 480 ff.).
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Lösung zu Fall 5: Anspruch der F-GmbH gegen G auf Zahlung von 10.000 € gem. § 43 Abs. 2 GmbHG
Ein Anspruch der F-GmbH gegen G setzt voraus, dass G beim Verkauf des Sportwagens eine ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat.
1. Pflichtverletzung
Gem. § 43 Abs. 1 GmbHG hat der Geschäftsführer die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Was erforderlich ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Bei unternehmerischen Entscheidungen (vorliegend also die Frage „Soll der Sportwagen sofort verkauft werden oder nicht?“) ist das Eingehen von Risiken nicht schlechthin sorgfaltswidrig, da unternehmerische Tätigkeit zwingend mit der Gefahr von Fehleinschätzungen verbunden ist. Gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, welcher auf die Geschäftsführer einer GmbH entsprechend anzuwenden ist, kommt eine Pflichtverletzung nur insoweit in Betracht, als der Geschäftsführer nicht vernünftigerweise annehmen durfte, bei seiner Entscheidung auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.
Vorliegend ist der Sportwagen mit Anschaffungskosten von 40.000 € in der Bilanz aktiviert, was auch dem wahren Wert des Wagens entspricht. Dem gem. § 41 GmbHG buchhaltungspflichtigen G war diese Information zugänglich, zumindest aber hätte er sich diese Information vor dem Verkauf des Sportwagens besorgen müssen. Allein die Tatsache, dass in der Fachpresse eine erhebliche Wertminderung für Sportwagen diskutiert wurde, stellt kein angemessenes Informationsniveau für die Verkaufsentscheidung dar. Bei dem Verkauf des Wagens zu einem Preis von 30.000 € bestand ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Somit handelte G entweder nicht auf Grundlage angemessener Informationen (wenn er sich nicht darüber informiert hat, was der Wagen wert ist) oder nicht zum Wohle der Gesellschaft (wenn er den Wert des Wagens kannte und diesen trotzdem für 30.000 € an A verkaufte).
G hat somit in jedem Fall nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes angewandt und dadurch seine Pflicht verletzt.
Anm.: Wer zwischen objektiver Pflichtverletzung und Verschulden unterscheidet[41], muss von Folgendem ausgehen: Die Pflichtverletzung des G liegt darin, dass er den Sportwagen weit unter Wert an A verkauft hat (abzustellen ist also auf das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung). Das Verschulden des G läge dann darin, dass er aufgrund seiner Buchführungspflicht hätte erkennen müssen, dass der Wagen weit mehr als 30.000 € wert ist und hätte erkennen müssen, dass eine solch drastische Wertminderung selbst bei einer Wertminderung aufgrund einer Absatzkrise nicht eingetreten wäre.
2. Schaden
Durch das Geschäft mit A ist der F-GmbH ein Schaden entstanden, denn bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns hätte ein Verkauf des Sportwagens ohne Hinzukommen weiterer, sich aus einem Verkauf für die Gesellschaft bietenden Vorteile nur zu seinem wahren Wert in Höhe von 40.000 € erfolgen können. Da vorliegend nur ein Kaufpreis von 30.000 € vereinbart wurde, ist der Gesellschaft somit ein Schaden in Höhe von 10.000 € entstanden.
3. Ergebnis
Die F-GmbH hat gegen G einen Anspruch auf Zahlung von 10.000 € aus § 43 Abs. 2 GmbHG.
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Lösung zu Fall 6:
Grundsätzlich ist ein Doppelmandat des Vorstands gem. § 88 Abs. 1 S. 2 AktG nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates der Z-AG zulässig. Da hier beide betroffenen Aufsichtsräte ihre Zustimmung mehrheitlich erteilt haben, scheint alles in Ordnung zu sein.[42] Doch übersieht die Entscheidung des BGH, dass mit der Befreiung des V dieser zugleich auch von seiner ungeteilten Treue gegenüber der Z-AG befreit wird. Insbesondere bei Austauschverträgen zwischen der Z und der X kann V sich nicht abwechselnd den Hut der X und den der Z aufsetzen und „mit sich selbst“ über den richtigen Preis für eine Leistung der einen oder der anderen Gesellschaft verhandeln. Richtigerweise war daher die Zustimmung des M im Aufsichtsrat der Z-AG zur Befreiung erforderlich. Da er sie nicht erteilt hat, ist der Befreiungsbeschluss des Aufsichtsrates der Z-AG unwirksam. Dies muss M mit einer Feststellungsklage gerichtlich klären lassen.