Читать книгу Die Liebe stirbt im Weinberg - Ute Dombrowski - Страница 9
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Оглавление„Der Thomas war ein so netter Mann“, schluchzte Gunhild Kröß, die Nachbarin.
Sie war fast neunzig Jahre alt und hatte neben Thomas Bückau gewohnt. Er hatte ihr oft geholfen, wenn etwas zu reparieren war oder wenn sie schwere Dinge tragen musste. Jeden Donnerstag hatte er ihr einen Kasten stilles Wasser mitgebracht. Dafür hatte sie ihm die Hemden gebügelt.
„Ach je, oh weh“, jammerte sie weiter. „Der war doch so ein guter Mensch. Wer tut denn so etwas? Wissen Sie schon, wer das gemacht hat?“
Emma tat die alte Dame leid. Sie erklärte ihr, dass sie zu den laufenden Ermittlungen nichts sagen durfte. Paul hatte sehr gern geschwiegen. Mit alten Leuten zu reden fand er immer anstrengend.
„Hatte Herr Bückau in letzter Zeit Besuch oder hat er sich anders verhalten als sonst?“
Gunhild Kröß überlegte. Sie wischte mit einem Taschentuch aus Stoff, das mit einer kornblumenblauen Spitze umhäkelt war, die Tränen ab und schüttelte ratlos den Kopf.
„Nein, nein. Es war alles so wie immer. Er hatte keine Freundin, sein Mitbewohner ist irgendwo im Ausland. Österreich oder Schweiz war das. Ach, ich bin alt und behalte nicht mehr alles. Die beiden haben sich das Häuschen geteilt. Zwei ordentliche junge Männer. Wer bringt mir denn jetzt Wasser mit? Oh, weh!“
Sonst bekamen sie nichts Interessantes zu hören. Die anderen Nachbarn waren entweder nicht da oder sie konnten nichts sagen.
Nur der alte Freddi von gegenüber sagte kurz angebunden: „Eine Blonde war mal da. Abends. Ist da rein.“
„Haben Sie mitbekommen, ob und wann sie wieder herauskam?“
„Ich bin doch kein Spion, der die Leute beobachtet. Keine Ahnung.“
„Wann war das?“
„Weiß nicht.“
Dann drehte er sich um und fegte weiter den Gehweg. In jedem Dorf gibt es einen Freddi von gegenüber. Der hielt sich meist auf der Straße auf, fegte den Gehsteig, zupfte unsichtbares Unkraut und wusste immer alles. Er wusste alles, bis jemand von der Polizei fragte. Dann wurden die Freddis manchmal stumm, taub und blind.
Emma schüttelte den Kopf und zog Paul fort. Hinter dessen Stirn sah sie eine böse Bemerkung wachsen, die im nächsten Moment aus seinem Mund herauskommen würde. Das konnte sie heute auf keinen Fall gebrauchen.
„Lass uns mal sein Haus ansehen. Ich habe den Schlüssel.“
„Die Alte hat doch gesagt, dass er nichts Besonderes war. Was soll es da zu sehen geben?“
„Paul, was ist eigentlich los mit dir? Habe ich etwas verpasst?“
„Nein, alles gut. Sorry, wenn ich nerve. Es ist nichts. Ich habe Hunger. Gehen wir danach etwas essen?“
Emma steckte den Schlüssel ins Schloss und zog sich Gummihandschuhe an. Paul hatte keine mehr in der Tasche, also steckte er die Hände in die Jackentaschen.
Das Haus war sauber und ordentlich. Nichts deutete auf einen Besucher hin. Vielleicht war die blonde Frau eine Kollegin oder eine Bekannte. Was konnte ein Killer von so jemandem wie Thomas Bückau wollen?
Die Spurensicherung hatte nichts Verdächtiges gefunden. Er hatte kein Tagebuch geführt und auch sonst gab es nur Möbel und Kleidung, Geschirr und Hygieneartikel. Keine Pornos oder Drogen, kein verstecktes Vermögen, keine Waffen. Thomas Bückau war ein ganz normaler Typ gewesen. Warum war er tot? In der Brieftasche war noch alles Geld drin gewesen, somit konnten sie einen Raubmord ausschließen.
Das Zimmer seines Mitbewohners war bis auf die Möbel leer. Alles war mit Plastikfolien abgedeckt. Das hieß wohl, dass er längere Zeit nicht hier sein würde.
Paul unterbrach Emmas Besichtigung.
„Was, wenn der Typ, dieser Mitbewohner, gar nicht weg ist und es zu seinem Mordplan gehört, dass alle denken, er sei in der Schweiz?“
„Und warum sollte er seinen Kumpel umlegen?“
„Ja, keine Ahnung. Eifersucht? Habgier? Konkurrenz im Job?“
„Quatsch. Der Kumpel, wie heißt er doch gleich … Pit Rosenbach … arbeitet in der Werbebranche und Thomas Bückau war beim Finanzamt. Aber nur im Archiv. Frauen waren nicht im Spiel. Also keine Eifersucht. Und Geld hatten beide nicht so viel.“
„Dann wird der Tod des so netten Herrn ein ewiges Rätsel bleiben. Komm, ich brauche etwas zu essen. Sonst muss ich hier in den Kühlschrank schauen.“
Sie verließen das Haus und fuhren an den Rhein, um in einem Lokal direkt am Fluss zu Mittag zu essen. Emma bestellte Salat mit Putenstreifen, Paul ein Steak.
„Du mit deinem Grünfutter. Davon kann man doch nicht leben. Darf ich dir wenigstens noch ein Eis ausgeben?“
Emma lachte und nickte.
„Mach dir mal keine Sorgen um mich. Ich verhungere nicht. Ich nehme Vanille mit heißen Himbeeren. Und du?“
„Ich bin kein Süßer. Und Steak-Eis gibt es ja leider noch nicht.“
Sie alberten noch eine Weile herum. Dann stiegen sie ins Auto und planten die weiteren Schritte.