Читать книгу Love and Glory - Liebe und Ruhm - Uwe Woitzig - Страница 10
Kapitel 8: Der Earl of York
ОглавлениеDie folgenden Wochen zogen sich für Akira unendlich langsam hin. Einerseits hoffte sie im Herzen täglich auf eine Nachricht von Iain, andererseits wusste ihr Verstand genau, wie unwahrscheinlich es war, dass er sich schon so bald meldete. Ob er wohl schon eine Bleibe und eine Lehrstelle gefunden hatte? Und wohin mag er letztendlich gelangt sein? Ständig waren ihre Gedanken bei ihm. Während eines ihrer Besuche bei Leslie, bei dem sie als winzigen Ersatz für Iain so oft wie möglich vorbeischaute, ergriff sie die Möglichkeit, den gerade genesenen alten McCrimmon nach Iain zu fragen.
„Er wird von Gott behütet und beschützt, da bin ich sicher. Sobald er eine Gelegenheit findet, wird er mir eine Nachricht zukommen lassen. Dann werde ich dir berichten, wie es ihm geht“, sagte der müde und gebrochen wirkende Bagpiper, der keine Ahnung von der tiefen Verzweiflung Akiras hatte. Er ließ sie einfach stehen und schlurfte aus der Wohnung.
Akira war keineswegs so gottesfürchtig wie Iains Vater und deshalb nicht im Geringsten beruhigt. Was ihr zusätzlich sehr zu schaffen machte, war die Tatsache, dass ihre Menstruation nun schon zum zweiten Mal ausgeblieben war. Natürlich wusste sie, was das bedeuten konnte. Eigentlich war ihr schon kurz nach einer ihrer leidenschaftlichen Vereinigungen mit Iain klar gewesen, dass sich in ihrem Bauch etwas verändert hatte.
Erst hatte sie das intuitive Gefühl von sich gewiesen und sich eine angstvolle Närrin geschimpft. Jetzt aber akzeptierte sie, dass sie schwanger war. Einerseits freute sie sich sehr, einen Teil von Iain in sich zu haben, andererseits machte sie sich keine Illusionen darüber, was das bedeutete und sie wusste, dass sie niemals ein uneheliches Kind zur Welt bringen dürfte. Vermutlich würde ihr Vater Akira als seine einzige Tochter nicht davonjagen, aber Robert McLeod würde einen illegitimen Sprössling niemals als seinen erbberechtigten Enkel anerkennen. Er würde ihr Kind in ein Waisenhaus stecken lassen und sie dann so schnell wie möglich unter die Haube bringen.
Sie würde tatsächlich heiraten müssen, wenn sie das Kind behalten wollte. Was allerdings angesichts der finanziellen Situation ihres Vaters, die eine angemessene Mitgift nicht mehr zuließ, sehr schwierig werden würde. Nur ein alter oder ein hässlicher Mann wäre eventuell bereit, die zwar sehr schöne, allerdings nicht mehr unschuldige Akira zur Frau zu nehmen. Das musste verhindert werden. Lieber wollte sie in einer schnell geschlossenen Ehe Iains Kind als das eines anderen zur Welt bringen. Der Gedanke, dass Iain sie zu sich holen und sie zusammen irgendwo in der Fremde unter armseligsten Bedingungen leben würden, war keine wirkliche Verlockung. Außerdem eine höchst unsichere Alternative, weil es keineswegs sicher war, dass Iain einen Lehrherrn finden würde.
Voller trüber Gedanken und ständig sinnierend, wer so kurzfristig als Ehemann in Frage kommen könnte, verbrachte Akira ihre Tage. Sie war überrascht, als eines Morgens ein großer Trupp Reiter durch das Hoftor sprengte. An seiner Spitze erkannte sie vom Fenster ihres Gemachs aus den rattengesichtigen Earl of York. Doch ihr blieb wenig Zeit, sich darüber zu wundern, was der Earl schon wieder von ihrem Vater wollte, weil wenig später eine Magd eintrat und ihr nach der höflichen Begrüßung berichtete, dass sie sofort zu ihrem Vater kommen solle. Zurückhaltend und einsilbig begrüßte sie wenig später den Earl, der neben ihrem grimmig schauenden Vater in dessen Empfangshalle stand.
„Meine Liebe“, säuselte er in geziertem Hofenglisch. „Ihr seid die Blume Schottlands. Eure Schönheit strahlt von außen wie von innen.“
Akira lief es kalt über den Rücken. Er verneigte sich geziert vor ihr und sie sah, wie er sich lüstern die Lippen leckte und seine wässrigen Augen wohlgefällig auf ihrem Busen ruhen ließ, der sich seit seinem letzten Besuch deutlich entwickelt hatte. Auch ihr Vater, der den Earl genau beobachtete, nahm diese unverhohlene Gier zur Kenntnis, die er schon bei den vorherigen Besuchen des Earl bemerkt zu haben glaubte. Jetzt hatte er die Gewissheit, und er beschloss, ein gewagtes Spiel mit dem Earl zu spielen, der ihm gerade eröffnet hatte, dass ihm eine weitere Steuernachzahlung drohe.
„Messire, wir wollen auf eure Ankunft mit einem guten Schluck meines ältesten Whiskys anstoßen“, sagte er betont freundlich zu dem verhassten Engländer. „Und dann werden wir Euer Anliegen noch einmal in Ruhe besprechen. Ich habe meine Bediensteten angewiesen, Euren Begleittrupp gut zu versorgen. Um euer Wohl werde ich mich persönlich kümmern. Ich habe einen kleinen Imbiss für uns in meinem Wohnraum herrichten lassen. Folgt mir.“
Der Earl sah ihn misstrauisch an. Das waren ja ganz andere Töne, wie er sie von dem arroganten McLeod bisher kannte. Was wohl dahinter stecken möge? Da er in Wirklichkeit alle Fäden in der Hand hielt, nickte er zustimmend, und sie zogen sich in die Privatgemächer des Schlossherrn zurück, eine völlig verblüffte Akira zurücklassend. So schleimig und unterwürfig hatte sie ihren Vater im Umgang mit Engländern noch nie erlebt. Sicher würde sie bald erfahren, was er damit im Schilde führte. Sehr nachdenklich ging sie in ihr Stickzimmer zurück. Nachdem sich die Türen hinter ihnen geschlossen hatten, beschloss McLeod, den Stier bei den Hörnern zu packen.
„Verehrter Earl, ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Unsere Begegnungen waren bislang sehr unerfreulich, weil ich immer wieder bluten musste, um eurem Herrn, dem König, meinen Tribut zu entrichten. Auch diesmal seid ihr gekommen, um Euch erneut an meinem arg geschrumpften Vermögen zu bedienen, mit welchem Vorwand auch immer. Da ich heute Abend eine seit langem geplante Festlichkeit veranstalte, sind viele Gäste bereits eingetroffen und bewohnen den Gastflügel des Schlosses. Immer mehr kommen stündlich dazu. Zahlenmäßig sind wir Euch und euren Soldaten bereits deutlich überlegen. Wenn ich mich weigere, meine Zahlungen zu leisten und ihr eurer Eskorte Waffengewalt befehlen würdet, könnte es zu einer blutigen Schlacht kommen, deren Ausgang völlig ungewiss ist.
Ich weiß natürlich, dass der König im Falle eurer Niederlage mehrere Regimenter senden wird, um Burg Dunvegan zu schleifen. So habe ich die Wahl zwischen Scilla und Charybdis. Zahle ich an Euch, bin ich pleite. Zahle ich nicht und leiste Widerstand, laufe ich Gefahr, dass meine Burg dem Erdboden gleich gemacht wird. Keine besonders verlockenden Alternativen, nicht wahr?“
Er machte eine kleine Pause, bevor er fort fuhr und den Earl herausfordernd ansah.
„Ich sehe vielleicht eine dritte Möglichkeit: Warum treffen wir Zwei nicht ein Gentleman-Agreement?“
Der Earl hatte ihm mit einem überheblichen Lächeln gelangweilt zugehört, erfuhr er doch nichts, was ihm nicht bestens bekannt war. Aber jetzt blickte er den Burgherrn interessiert an. „Und wie sollte das aussehen? Was könntet ihr mir anbieten, was ich mir nicht sowieso nehmen kann?“
Robert McLeod erhob sich schwerfällig und begann, breitbeinig und hinkend in dem Zimmer auf und ab zu gehen.
„Mir sind eure Blicke, die ihr meiner Tochter zuwerft, nicht entgangen. Ebenso habe ich bemerkt, wie sie Euch angesehen hat. Das könnte sich ändern, Frauen sind wandelbar und wankelmütig. Außerdem ist mir meine Tochter treu ergeben und sie weiß, dass ich nur etwas von ihr verlangen würde, was zu unser aller Besten ist.“
Jetzt stand auch der Earl auf und sah interessiert zu dem ihn um fast zwei Haupteslängen überragenden Hünen auf.
„Soll das heißen, ihr wärt bereit, sie mir zur Frau zu geben?“ fragte er lauernd. „Habt ihr eine Ahnung, wie sie darauf reagieren wird? Ihre Blicke haben mir bisher nichts als Abscheu und Ablehnung gegenüber meiner Person verraten. Wie wollt ihr das ändern? Und was erwartet ihr als Gegenleistung von mir?“
„Wie ich schon sagte, ist meine Tochter mir gegenüber loyal. Wenn ich sie zum Wohle Aller und zur Sicherung des Fortbestandes ihres Erbes darum bitte, Euch zu ehelichen und eine gute Ehefrau zu sein, wird sie mir diesen Wunsch nicht abschlagen. Umso leichter wird es ihr fallen, wenn ich ihr erkläre, dass ihr als mein Eidam dafür sorgen werdet, dass ich einen lebenslänglichen Steuererlass von unserem König erhalte.“
Jetzt war es heraus. Do ut des – ich gebe, damit du gibst. Der Earl sah den Schlossherrn ausdruckslos an. Mit keiner Miene verriet er, was er von dem dreisten Vorschlag hielt, sondern streichelte nur nachdenklich sein spitzes Kinn.
„Meint ihr wirklich, dass eure Tochter einen so hohen Wert hat?“ fragte er provozierend. Robert unterdrückte seinen jäh aufsteigenden Zorn.
„Für den Mann, der sie liebt, ist sie vermutlich noch viel, viel mehr wert“, antwortete er betont ruhig.
Der Earl lächelte schmallippig.
„Wenn ihr sie dazu bringt, dass sie einer Hochzeit mit mir zustimmt, werde ich alles in meiner Macht Stehende versuchen, um Euch die gewünschte lebenslange Steuerbefreiung zu verschaffen. Zum Beweis werde ich Euch sofort eine Stundung der heute fälligen Steuernachzahlung gewähren, wenn eure Tochter sich heute Abend mit mir verlobt. Ist das ein Gentleman-Agreement, das Euch zusagt?“
Akiras Vater nickte und sie schüttelten sich die Hände.