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Kapitel 13: Albträume

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Schweißgebadet lag Iain in seinem Bett. Sein Kopf glühte. Entgegen Williams Anweisung war er nicht ins Dormitorium gegangen, sondern hatte sich in seine Kammer zurückgezogen. Immer wieder tauchte das Bild einer glücklich lachenden Akira in den Armen des so grässlich verunstalteten Malcolms vor ihm auf, den er oft bei den Festmahlen auf Dunvegan gesehen hatte. Diese Vision hielt ihn die ganze Nacht wach.

Die nächsten Tage verweigerte er jegliche Nahrung. Nur Wasser trank er reichlich. Der Schock über die Nachricht von der Verlobung Akiras hatte ihn zerschmettert. Seit dem Tod seiner Mutter hatte er keinen derartigen Schmerz mehr empfunden. Waren das die Zinsen, die er dafür bezahlen musste, dass er sich ohne Abschied auf und davon gemacht hatte? Dachte sie wirklich, er hätte sie vergessen? Dafür kannte sie ihn doch viel zu gut! Nein, es war unverzeihlich von ihr, so rasch nach seinem Weggang einfach einen anderen zu heiraten.

Nach dem Gebet zur None wandelte er am nächsten Tag mit William im Kreuzgang des Klosters. Der Gedanke an Akira schnürte ihm die Kehle zu. Er räusperte sich. William blieb stehen und sah ihn durchdringend an.

„Mein lieber Iain, noch nie habe ich dich so bedrückt gesehen wie seit deiner Begegnung mit dem Earl. Willst du mir als deinem väterlichen Freund nicht endlich sagen, was dir so auf dem Herzen liegt?“

Iain schluchzte auf. Dann brach es wie Wasser durch einen gebrochenen Damm aus ihm heraus. Wie froh war er, endlich seine Seelennot mit jemandem teilen zu können. Unter Tränen erzählte er William alles über seine Liebe zu Akira, mit der er den größten Teil seines bisherigen Lebens verbracht hatte. Und jetzt musste er durch den Earl erfahren, dass sie kurz nach seinem Weggang einen anderen geheiratet hatte. Iain verstummte und sah seinen Freund hilfesuchend an.

William legte seine große Hand auf Iains Schulter.

„Du sprichst von Liebe, mein Freund. Ein großes Wort. Ich will dir eine kleine Geschichte erzählen. Vor langer, langer Zeit existierte eine Insel, auf der alle Gefühle der Menschen lebten: die gute Laune, die Traurigkeit, das Wissen und auch die Liebe. Eines Tages wurde den Gefühlen mitgeteilt, dass die Insel sinken würde. Also machten alle ihre Schiffe startklar um die Insel zu verlassen. Nur die Liebe wollte bis zum letzten Augenblick warten. Bevor die Insel sank, bat die Liebe die anderen Gefühle um Hilfe.

Der Reichtum verließ auf einem luxuriösen Schiff die Insel. Die Liebe fragte: "Reichtum, kannst du mich mitnehmen?"

"Nein, ich kann nicht. Auf meinem Schiff habe ich viel Gold und Silber. Da ist kein Platz mehr für dich."

Also fragte die Liebe den Stolz, der auf einem wunderbaren Schiff vorbeikam. "Stolz, bitte, kannst du mich mitnehmen?"

"Liebe, ich kann dich nicht mitnehmen", antwortete der Stolz, "hier ist alles perfekt und du könntest mein Schiff beschädigen".

Als nächstes fragte die Liebe die Traurigkeit.

"Traurigkeit, bitte nimm mich mit."

"Oh Liebe", sagte die Traurigkeit, "ich bin so traurig, dass ich allein bleiben muss."

Auch die gute Laune fuhr los, aber sie war so zufrieden, dass sie nicht hörte, dass die Liebe sie rief. Plötzlich rief eine Stimme: "Komm Liebe, ich nehme dich mit".

Die Liebe war so dankbar und so glücklich, dass sie vergaß den Retter nach seinem Namen zu fragen.

Die Liebe fragte das Wissen: "Wissen, kannst du mir sagen, wer mir geholfen hat?"

"Ja", antwortete das Wissen, "es war die Zeit."

"Die Zeit?" fragte die Liebe, "Warum hat mir die Zeit geholfen?"

Und das Wissen antwortete:

"Weil nur die Zeit den wahren Wert der Liebe versteht.“

Iain versuchte zu begreifen, was ihm William damit sagen wollte, aber er konnte es nicht verstehen. Der Mönch fühlte seine Hilflosigkeit. Er nahm Ian am Arm und sie setzten sich wieder in Bewegung. Nach wenigen Schritten fuhr William mit seinen Ausführungen fort. Er sprach sehr leise und Iain musste sich konzentrieren, um ihn zu verstehen.

„Die Zeit wird auch dich lehren, was dir deine Liebe zu Akira in deinem Leben bedeutet, mein lieber Iain. Ich will dir etwas Grundlegendes zu erklären versuchen: Hier auf der Erde gibt es nur vier Ebenen, auf denen ein Mensch seine Erfahrungen machen und sich entwickeln kann. Auf der untersten Ebene geht es um Fortpflanzung und darum, ein Dach über dem Kopf zu haben und sich zu ernähren. Die zweite Ebene ist die Ebene der Macht. Die dritte die der egoistischen und die vierte die der bedingungslosen Liebe. Nur etwa fünf Prozent der Menschen befassen sich mit der vierten Ebene, der Rest ist mit den drei anderen beschäftigt. Im Lauf deines Lebens wirst du lernen, die Menschen danach zu beurteilen, auf welcher Ebene sie sich gerade aufhalten.

„Hast du eine Ahnung, was den Unterschied zwischen der Liebe der dritten und der vierten Ebene ausmacht?“ fragte er den gebannt an seinen Lippen hängenden Iain.

Iain dachte an Ross und Finola, das Schäferpaar, das sich sicher keine großen Gedanken über diesen Unterschied machte, weil es ein Dach über dem Kopf hatte und mit seinem Leben zufrieden war. Vielleicht war es um glücklich zu sein einfach besser, nicht zu viel nachzudenken oder zu viel zu wissen. Noch immer stand die Frage Williams im Raum, aber Iain fiel nichts dazu ein. Verlegen schüttelte er den Kopf.

„Das muss dir nicht peinlich sein, denn die Antwort auf diese Frage suchen viele. In der Theorie scheint es ganz einfach zu sein: Die egoistische Liebe der dritten Ebene ist wie ein Geschäft. Einfach ausgedrückt könnte man sie auf die Formel `ich liebe dich, also mach mal das Frühstück´ reduzieren. D.h., die Liebe wird zu einem Vertrag zwischen Geschäftspartnern, der durch die Eheschließung besiegelt wird und mit dessen Schließung sofort Erwartungshaltungen entstehen, die der andere zu erfüllen hat. Ich habe oft darüber nachgedacht, ob nicht einer der Gründe für das in der katholischen Kirche praktizierte Zölibat ist, dass die alten Äbte und Kirchenfürsten erkannt hatten, dass jede Ehe der Tod der Liebe und der Lust ist. In ihr hat jeder Gatte seine genau festgelegten Pflichten, zu denen auch die sexuellen gehören, und es führt automatisch zu Konflikten, wenn einer der Ehepartner diese Pflichten verletzt. Selbst der kleinste Ausbruch kann zu einem Zusammenbruch des gesamten Systems und der sogenannten Liebe führen, weil jemand ent-täuscht ist, d.h., die Täuschung beendet wurde. Stell dir mal vor, was passieren würde, wenn der Müller und seine Gesellen abends hungrig von der Arbeit kommen und die Müllerin und ihre Mägde haben kein Abendessen zubereitet. Egoistische Liebe bedeutet das Ende jeder Freiheit, sie wird zu einem Gefängnis, im besten Fall zu einem goldenen Käfig, in dem eine gefangene Lerche ihre traurigen Lieder singt. Etwas weniger poetisch ausgedrückt, eine unzufriedene Frau ihrem Mann mit ihrer ständigen schlechten Laune das Leben zur Hölle macht und von Liebe, Lust und Wollust nichts mehr übrig bleibt.

Diese egoistische Liebe ist keine wirkliche Liebe, sie ist, wie der Name sagt, Teil des Egos. Und das Ego verlangt immer nach Ruhm und Macht, weil es sich bestätigt sehen will. Deshalb kann eine solche Liebe nur gewalttätig, eine Art von Kampf und Krieg sein. Ehemann und Ehefrau lieben einander nicht, sie sind zu Feinden geworden. Sie kämpfen ununterbrochen und wenn sie einmal eine Pause machen, denken sie, das sei Liebe. Zwischen zwei Gefechten kann es keinen wirklichen Frieden geben, sondern nur einen Waffenstillstand. Die Atempause, die alle Liebe nennen, ist nur die Vorbereitung für das nächste Gefecht. Das ist nicht die bedingungslose Liebe, das ist nur eine Pause zwischen zwei Kämpfen. Wahre Liebe ist nie als Beziehung möglich, sondern nur als Gemütszustand.“

Iain verstand zunächst kein Wort. Aber dann dachte er an die Ehe seiner Eltern, die vielen Streits, wenn sein Vater wegen irgendwelcher Kleinigkeiten unzufrieden mit seiner Mutter gewesen war. Irgendwann hatte seine Mutter aufgegeben und einfach geschwiegen, wenn er wieder einmal schlecht gelaunt von einem Bankett heimgekommen und wegen des Essens genörgelt hatte. Iain hatte ihren unterdrückten Zorn immer gespürt, den sie durch das viele Stricken und ihre Handarbeiten ausgeglichen hatte. Selbst als kleiner Junge war ihm aufgefallen, wie selten seine Eltern sich zärtlich berührten oder sich mit strahlenden Augen angelächelt hatten, und er hatte genau gewusst, dass die scheinbare Harmonie zwischen den Streits sehr trügerisch war. Erst recht natürlich, nachdem er das Eindringen des Burgherrn in den Körper und das Leben seiner Mutter mit bekommen hatte.

William hatte bewusst geschwiegen und ihm Zeit gelassen, seine Worte auf sich wirken zu lassen. Nun blieb er stehen und sah Iain fest an.

„Die bedingungslose Liebe der vierten Ebene ist ein Gemütszustand. Du bist voller Liebe oder du bist es nicht. Wenn du gesund bist, bist du vierundzwanzig Stunden gesund. Du kannst nicht dreiundzwanzig Stunden gesund und eine Stunde krank sein. Gesundheit ist keine Beziehung, sie braucht keinen Partner, sondern ist ein Zustand deines Seins. Und wahre Liebe ist ebenfalls ein Gemütszustand, sie bedarf keiner Beziehung zwischen zwei Personen. Sage ich, dass ich nur dich liebe, hieße das, dass ich keine Liebe empfinde, wenn du nicht da bist. Also bin ich nur dann liebevoll, wenn du mit mir zusammen bist. Das ist nicht möglich. Du kannst nicht einen Moment lieben und im nächsten nicht. Genau das verlangt die egoistische Liebe. Wenn du liebevoll bist, bist du es zu jedermann. Und nicht nur zu Personen, sogar Tieren und Dingen gegenüber. Nur wenn du diesen Zustand erreicht hast, bist du überhaupt zu einer glücklichen Partnerschaft ohne Aggressionen in der Lage. Ein egoistisch liebender Mensch kann sogar eifersüchtig werden auf einen Gegenstand oder ein Tier und den Gegenstand zerstören und das Tier und dich vergiften. Deshalb ist diese sogenannte Liebe der dritten Ebene sehr gefährlich.

Deine wahre, frei Liebe strömt auch zu Tieren und Gegenständen. Selbst wenn du allein bist, wenn niemand da ist, bist du liebevoll. Es ist wie das Atmen. Schwöre ich dir, nur zu atmen, wenn du bei mir bist, bedeutet das meinen Tod. Und in der Ehe wird erwartet, dass du genau das machst: Du darfst kein liebevoller Mensch sein, du sollst nur noch deine Ehefrau lieben. Das macht dich irgendwann ungeheuer aggressiv und du fängst an, deinen Ehepartner zu hassen. Nur aus Gewohnheit bleibt ihr zusammen. Das ist der Wahnsinn der Ehe.

Wenn du die Freiheit hast, zu lieben und liebevoll zu sein, egal zu wem und zu was, dann wirst du einen Sinn fürs Wohlbefinden, eine positive Gelöstheit und Gelassenheit entwickeln. Deine Träume werden zu Poesie. Egal wo du bist, bist du vom Flair der Liebe umgeben.“

Iain versuchte, sich das vorzustellen. Er dachte daran, dass er bisher nur in den Armen und in Gesellschaft Akiras dieses „Flair der Liebe“ gefühlt hatte, von dem William gerade sprach. In diesen Momenten hatte er sich geborgen und verstanden gefühlt und er hätte die ganze Welt umarmen können. Ansonsten war er sich meistens sehr einsam und verloren vorgekommen, voller Misstrauen und ängstlich seine Umgebung und seine Mitmenschen beobachtend und weit davon entfernt, ein liebvoller Mensch zu sein. Er dachte an seine blutige Rache an dem Burgherrn und fühlte zum ersten Mal nicht die Genugtuung, die ihn sonst immer erfüllt hatte, wenn er die Szenen vor seinem geistigen Auge hervorrief.

„Führen alle Beziehungen zwischen Mann und Frau denn immer zur Gewalt?“ fragte er sich. William schien seine Gedanken gelesen zu haben.

„Du musst ein paar grundlegende Dinge verstehen“, fuhr er fort. „Mann und Frau sind einerseits Hälften voneinander, andererseits polare Gegensätze. Diese Gegensätzlichkeit macht sie füreinander so anziehend. Denn je größer der Abstand desto stärker der Zauber und die Schönheit ihrer Anziehung. Darin liegt auch das ganze Problem. Wenn sie sich tatsächlich näherkommen, wollen sie miteinander verschmelzen, wollen eins werden, ein harmonisches Ganzes. Das heißt, ihre individuellen, verschiedenen Persönlichkeiten müssten sich auflösen, denn Harmonie verlangt die Auflösung dieses Gegensatzes, auf dem die ganze Anziehung beruht. Deshalb sind alle Liebenden in Schwierigkeiten. Das Problem liegt dabei nicht auf der persönlichen Ebene, sondern es liegt in der Natur der Sache. Du hast vorhin gesagt, dass ihr Euch eines Tages plötzlich geküsst und ineinander verliebt hättet. Du kannst doch keinen Grund angeben, warum ihr so einen unwiderstehlichen Drang zueinander verspürtet. Ihr seid Euch der dahinterliegenden Ursachen nämlich nicht bewusst. Sie interessieren Euch auch gar nicht wenn ihr zusammen seid. Nur wenn Ihr getrennt seid, fängst du an, dir vorzustellen, was du alles an Akira liebst und allmählich wird sie in deinem Geist zu einer idealen Frau und jeder Gedanke an sie lässt dich lächeln. Deshalb geschieht etwas sehr Seltsames: die glücklichsten Liebenden sind jene, die nie zusammen kommen.“

Iain sah ihn entgeistert an und schüttelte intuitiv heftig seinen Kopf. Alles, was er bisher gehört hatte, verstand er zwar nicht hundertprozentig, aber es erschien ihm logisch nachvollziehbar. Etwas derart Absurdes hätte er aus dem Mund des von ihm so hoch geschätzten Gelehrten nicht erwartet. Bevor er heftig protestieren konnte, sprach William mit leiser Stimme weiter.

„Ich weiß, dass ich dich mit diesen Aussagen überfordere, weil du dich und deine Akira für die absolut einmaligen Ausnahmen hältst. Vermutlich wirst du mich erst in einigen Jahren verstehen, wenn du mehr von der Welt und den Menschen gesehen hast. Zum Schluss möchte ich dich noch auf folgendes hinweisen: Der Mann sieht die Welt völlig anders als die Frau. Er interessiert sich zum Beispiel für weit entfernte Dinge – die Zukunft der Menschheit, ob es Leben auf anderen Planeten gibt und wie es nach dem Tod weiter geht. Die Frau kichert nur über diesen ganzen Unsinn. Sie interessiert sich für einen kleinen, eng umgrenzten Kreis – die Familie, die Nachbarschaft, welche ihrer Freundinnen einen Geliebten hat und welcher Ehemann seine Frau betrügt. Sie interessiert sich für das Nahe, das Menschliche und kümmert sich keinen Deut um das Leben nach dem Tod. Ihre Anliegen sind im Hier und Jetzt. Der Mann ist nie in der Gegenwart, er ist immer irgendwo anders.

Sobald Liebende zusammenkommen, wird gerade der Gegensatz, der einst ihre Anziehung ausmachte, zu einem ständigen Konflikt. In jedem kleinen Punkt weichen ihre Ansichten voneinander ab und gehen ihre Vorgehensweisen auseinander. Sie sprechen zwar die gleiche Sprache, aber sie können einander nicht verstehen. Nur, wenn sich beide Partner darüber im Klaren sind, dass die in ihnen vorhandenen Gegensätze aufeinander treffen, braucht daraus kein Konflikt mehr zu entstehen. Dann ist ihr Zusammensein eine großartige Gelegenheit, um den entgegengesetzten Standpunkt kennen zu lernen, zu verstehen und zu akzeptieren. In diesem Fall können Mann und Frau in ihrem gemeinsamen Leben zu einer wunderbaren Harmonie finden. Ist es nicht eine erstaunliche Tatsache, dass Mann und Frau seit Jahrtausenden zusammenleben und sich immer noch fremd sind? Sie bringen Kinder zur Welt, aber sie bleiben sich fremd.“

„Akira ist mir seit ihrem 4. Lebensjahr eine treue Gefährtin gewesen. Ich kenne sie genauso gut wie mich selbst!“ protestierte Iain heftig. William lächelte erneut und sah den mit hochrotem Kopf vor ihm stehenden Jüngling mit warmem Blick an.

„Das und deine aufrichtigen Gefühle für sie stelle ich doch gar nicht in Frage, lieber Iain. Ich meinte etwas ganz Anderes. Doch genug für heute. Wie ich dir mit der kleinen Geschichte am Anfang sagen wollte, sollte dir ein Trost sein, dass die Zeit ein wunderbarer Arzt in Herzensangelegenheiten ist. Deshalb warte einfach ab und widme dich in den nächsten Monaten umso intensiver deinen Studien.“

Iain war vollkommen verwirrt wegen des gerade Gehörten und zweifelte, ob er jemals seine Liebe zu Akira vergessen würde. Je mehr er an sie dachte, ihr schönes Gesicht vor sich sah und sich vorstellte, wie sie ausgerechnet diesen hässlichen McCullum küsste, desto verzweifelter wurde er. Er fand wenig Trost in den Worten Williams, der sich vor dem Dormitorium von ihm verabschiedete.

*

Um sich abzulenken, stürzte er sich in den folgenden Wochen und Monaten wie wild auf Bücher. Er las jedes Werk, das er in die Finger bekam. Das half allerdings nur bedingt. Zwar entdeckte er den Reiz der Geschichte und der Naturwissenschaften, lernte Latein und Griechisch und konnte bald mit William und seinen Mitbrüdern komplizierte philosophische Themen diskutieren. Besonders Bücher über das Glücksspiel las er mit großem Interesse, weil er sich insgeheim ausmalte, wie er mit geschickten Manövern beim Écarté eine Vermögen gewinnen und Akira von dem reichen Malcolm zurückgewinnen könnte. In seinem Innern loderte unaufhörlich das Feuer der Eifersucht. Sobald er alleine in seinem Bett lag, überkam ihn dumpfe Verzweiflung. Für was nahm er das alles auf sich? Seine gemeinsame Zukunft mit Akira hatte sich in Luft aufgelöst und er fühlte sich, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggerissen.

Außerdem überkam ihn immer wieder nicht nur eine heftige Sehnsucht nach Akira, sondern auch nach seinem Vater und Leslie. Er hatte noch keinen Weg gefunden, ihnen auf sicherem Weg eine Nachricht über seinen Verbleib zukommen zu lassen. Mit der gut funktionierenden königlichen Post ging das auf keinen Fall, da Robert McLeod persönlich alle Briefe entgegennahm, die an die Bewohner von Dunvegan adressiert waren. Woher sollte er einen verlässlichen Boten nehmen, der die Post heimlich abliefern würde, und womit sollte er ihn entlohnen? Er hatte kein Geld, sein Lohn als Novize war die exzellente Ausbildung. Ihm blieb nichts anderes übrig, als auf einen Zufall zu warten. Mit Tränen in den Augen ergab er sich seinem Schicksal.


Love and Glory - Liebe und Ruhm

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