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Kapitel 1: Kindheit

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Der ganze Tag war trüb gewesen. Eigentlich die ganze Woche. So war das Wetter nicht nur im Oktober 1689, sondern fast immer auf der Isle of Skye. Kalt, neblig, grau in grau. Die salzige Luft geschwängert mit Feuchtigkeit, die einem unter die Haut zu kriechen schien. Iains Mutter, die auf einer Farm aufgewachsen war und viele Bauernregeln kannte, hatte ihm erklärt, dass immer dann schlechtes Wetter heraufziehe, wenn die Bienen ihren Stock nicht verlassen, Kühe und Hunde auf der rechten Seite liegen, Regenwürmer an die Oberfläche kommen oder Finken und Spatzen bei Sonnenaufgang zwitschern. Der spillerige Junge mit den zerzausten Haaren hatte daraufhin aufmerksam auf diese Vorzeichen geachtet. Das Wetter war aber auch dann schlecht geworden, wenn er mal einen Hund auf der linken Seite liegen oder Bienenschwärme herumfliegen gesehen hatte. Mit seinen fünf Jahren erinnerte er sich schwach daran, dass es ein einziges Mal hell und warm gewesen war, die Vögel fröhlich gezwitschert und die Sonnenstrahlen auf den blauen Wellen des Firth geglitzert hatten. Das war im letzten Sommer gewesen. Jetzt sagten die Bewohner von Dunvegan Castle, es werde bald Winter.

Iain fröstelte, als er barfuß in seinen Holzpantinen seiner Spielgefährtin Akira hinterher schaute. Die Tochter von Robert McLeod, dem mächtigen Clanchef, dem die trutzige Burg an der Westküste der Isle of Skye gehörte und in dessen Diensten Iains Vater Allan McCrimmon als erster Bagpiper stand, hatte ihr gemeinsames Spiel abgebrochen, weil sie plötzlich gefroren hatte. Dabei trug sie doch ihr neues Wollmäntelchen und sogar dicke Strümpfe in ihren ledernen Spangenschuhen.

„Sie ist eben ein ängstliches kleines Mädchen und nicht so ein harter Bursche wie ich“, dachte Iain und grinste.

Seine Eltern hatten vor kurzem beschlossen, ihm die Gängelbänder von seinen Hemden zu nehmen. Er sei nun groß genug, allein durch die Welt zu marschieren, hatte ihm seine Mum erklärt. Iain hatte es wahrlich genutzt, unbeaufsichtigt im regen Treiben des Schlosses umher zu wandern, während sein Vater in seinem Übungsraum seinen Dudelsack blies und seine Mutter daheim in ihre Näh-, Strick- oder Walkarbeiten vertieft war.

Er hatte eine ganz neue Welt für sich entdeckt, weil er sich ohne die Gängelbänder allen Tieren nähern konnte, vor denen seine Mutter mit ihm bisher immer vorsichtig auf Abstand geblieben war. Federn hatte er gesammelt und dabei zugesehen, wie eine Magd den Hühnerstall ausmistete. Die Hühner ließen ihren Kot überall fallen und der Gestank wurde beißend, als die Magd mit der zerbrochenen Hacke, die dafür zur Verfügung stand, vorsichtig die verkrustete Masse von den Sitzrosten brach, weil sie nicht ein irgendwo verstecktes Ei zerschlagen wollte. Sie hatte den Kot mit bloßen Händen in einen mitgebrachten Holzeimer geworfen und dabei schmerzlich das Gesicht verzogen, weil sich der Kalk des Kots brennend in ihre Handflächen gefressen hatte. Schnell war sie nach draußen in den Gemüsegarten gelaufen und hatte sich etwas Petersilie gepflückt und zwischen ihren Händen zerrieben. Iain hatte sich gemerkt, dass Petersilie anscheinend Hautschmerzen linderte. Da ihm selten jemand etwas erklärte, hatte er es sich angewöhnt, sich jeden Tag etwas Neues einzuprägen, und in seinem kleinen Kopf hatte sich bereits eine Menge Wissen angesammelt. Er hatte im Hühnerstall genug gesehen und war zu den Kühen im Stall geschlichen, wo er die Mägde beim Melken beobachtet und gelernt hatte, dass das richtige Melken mit der Stimulation der Euter beginnt, bei dem die Euter gereinigt und vorgemolken wurden.

An einem anderen Tag waren ihm die Grundbegriffe des Reitens beigebracht worden. Einer der Pferdeknechte hatte ihn einfach auf ein Pferd gehoben und es am Zügel im Burghof spazieren geführt. Iain hatte es genossen, von so hoch oben auf alle herunterzublicken, und es war ihm leicht gefallen, sich dem Rhythmus des Pferdetrotts anzupassen und im Sattel zu bleiben. Jeden Tag machte er neue Erfahrungen, und es war einfach wunderbar, dass er innerhalb der Mauern des Schlosses frei herum laufen konnte und überall gern gesehen war. Fast überall. Einmal hatte ihn der Schlossherr erwischt, als er verträumt im Gang vor dessen privater Stube stand und die durchwirkten Wandteppiche mit den Jagdszenen bestaunte. Robert McLeod hatte ihn am Kragen seines bodenlangen Kleides gepackt, das er wie alle Jungen bis zu seinem siebten Geburtstag tragen musste, ihn hochgehoben, heftig geschüttelt und ihn aus dem Fenster über den Hof gehalten, in dem sein Vater gerade mit seinen beiden Kollegen eine neue Melodie mit den dazu passenden Marschbewegungen einübte.

„McCrimmon, pass er in Zukunft besser auf seine Brut auf!“ hatte der hünenhafte Clanchef dem entsetzt zu ihm aufsehenden Bagpiper zugerufen und dabei dröhnend gelacht. „Das nächste Mal, wenn ich den Burschen erwische, wo er nichts verloren hat, drehe ich ihm den dünnen Hals um und nagele seinen Kadaver ans Hoftor.“

Obwohl sein Vater später den immer noch zitternden Iain in den Arm nahm und ihm beruhigend erklärte, dass McLeod das niemals tun würde und die Drohung nicht ernst gemeint war, hatte Iain seitdem eine heilige Angst vor dem Burgherrn, in die sich aber auch Zorn mischte. Die stumme Demut und Hilflosigkeit, mit der sein sanfter und liebevoller Vater zugelassen hatte, wie McLeod ihn bedrohte, hatten ihm gezeigt, dass er ihn mehr fürchtete als irgendetwas sonst auf der Welt. Und das war eine Schmach, die er dem Clanchef niemals verzeihen würde.

Iain mied seitdem den oberen Trakt des Schlosses und jede Begegnung mit ihm. Stattdessen trieb er sich im Küchen- oder Stallbereich und in den Gemüsegärten herum. Dabei war er eines Tages auf den hinter dichtem Brombeergestrüpp verborgenen Gang gestoßen, dessen dunkle Tiefen er heute mit Akira erkundet hatte. Akira, die ein Jahr älter war als er, durfte ebenfalls ohne Gängelband an ihren Hängekleidchen im Schloss herum laufen. Ihre Mutter, die Schlossherrin von Dunvegan, hatte Iain noch nie zu Gesicht bekommen. Sie war siech, wie ihm seine Mum erklärt hatte, wobei Iain nicht genau wusste, was das bedeutete. Akira nannte sie bettlägerig, mied ansonsten aber jedes Gespräch über ihre Mutter, die für sie keine große Bedeutung zu haben schien. Akira war ein Wildfang, die sich als Kleinkind ohne das wulstige Fallhütchen auf dem Kopf bestimmt einige Male schwer verletzt hätte. Ohne die Fürsorge ihrer Mutter und ihrem grobschlächtigen Vater ausgesetzt, der sie tagtäglich spüren ließ, dass sie besser ein Junge geworden wäre, wuchs sie praktisch alleine auf. Nur eine alte Amme kümmerte sich um sie, der sie allerdings beliebig auf der Nase herum tanzte. Auf dem Schloss konnte sie tun und lassen was sie wollte, da ihr als einzigem Sprössling des Burgherrn keiner der anderen Bewohner etwas zu sagen hatte.

Iain wusste ihren ungestümen Charakter sehr zu schätzen. Außerdem war Akira mutig für zwei. Sofort hatte sie sich ihm angeschlossen, als er heute das erste Mal in die finstere Höhle eingedrungen war. Und gescheit war sie auch.

Nach wenigen Schritten hieß sie ihn anhalten und verschwand, um eine Fackel aus dem großen Speisesaal zu holen. Es war wieder einmal ein großer Vorteil, dass sich niemand traute, ihr etwas zu verbieten. Kurz darauf war sie mit einer brennenden Fackel zurückgekehrt. Im Schein der rußig wabernden Flamme hatten sich die Kinder dann immer tiefer in den unterirdischen Gang geschlichen, in dem sie auf Spinnweben und Rattennester stießen. Bis sie an ein morsches Türchen kamen, das abgesperrt war und sich nicht öffnen ließ.

Akira hatte sich ihre Nase an dem alten Holz platt gedrückt und durch die Ritzen zwischen den Bohlen gespäht.

„Psst“, mahnte sie Iain, der sowieso vor Aufregung gar nichts von sich geben konnte, „da ist das Verlies.“

Sie hatte Iain das Spähloch überlassen und Iain hatte einen Blick auf einen langen Gang werfen können, der spärlich von ein paar Fackeln erleuchtet wurde und von dem links und rechts dicke Holztüren mit Eisenscharnieren abgingen. Bevor er mehr entdecken konnte, hatte Akira ihn an seinem Wollhemd gepackt und einige Schritte mit sich gezogen.

„Hast du das gesehen? Ich war einmal in dem Gang. Mein Vater hat ihn mir gezeigt. Das ist gruselig dort. Hinter den Holztüren hörte ich die ganze Zeit, wie Menschen leise stöhnten und weinten. Schrecklich war das.“<

Iain überlief eine Gänsehaut, als er sich vorstellte, was die Eingekerkerten in diesen dunklen Löchern erleiden mussten. Seine Mum sah immer sehr traurig aus, wenn sein Vater ihr berichtete, das McLeod wieder einmal einen Übeltäter hatte ins Verlies werfen lassen. Schon der Diebstahl einer Scheibe Brot reichte aus, um dort für mehrere Monate eingesperrt und lebendig begraben zu werden, wobei viele diese Zeit nicht überlebten.

„Die armen Seelen“, war der mitleidige Kommentar seiner Mum gewesen, und sein gottesfürchtiger Vater hatte sie in die Arme genommen, um sie zu trösten.

„Er ist nicht nur unser Burgherr, sondern auch der oberste Richter der Insel, also das Gesetz“, hatte er sanft erwidert, „und weil Gott ihm diese Rechte verliehen hat, müssen wir ihn so akzeptieren, wie er ist, auch wenn wir viele seiner Entscheidungen und Handlungen nicht verstehen können. Wie könnten wir Gottes Ratschluss anzweifeln?“

Akira zog erneut ungeduldig an seinem Wams.

„Ich will hier raus. Mir ist auf einmal schrecklich kalt und ich friere. Bitte lass uns von hier verschwinden, Iain.“

Er war natürlich sofort mit ihr gegangen, obwohl es in dem Gang gar nicht so kalt gewesen war. Als sie sich im Hof voneinander verabschiedet hatten und er ihr hinterher blickte, wie sie hüpfend davon eilte, glaubte er zu verstehen, warum sie fror. Es kam irgendwie von innen heraus und er hatte es auch gespürt, als er in den unheimlichen Gang geschaut hatte.

Aber fasziniert hatte er ihn. Iain sah auf die immer noch brennende Fackel in seiner Hand und überlegte, ob er sich noch einmal alleine dorthin wagen sollte. In diesem Moment tauchte Brian aus dem Vorratskeller im Hof auf, der cholerische Küchenchef, der bekanntermaßen eine lockere Hand bei seinen Küchenjungen hatte und dessen laute Flüche allseits gefürchtet waren. Iain wollte ihm auf keinen Fall mit der Fackel in der Hand begegnen und drehte sich rasch um. Er rannte in den Garten hinter dem Stall, um die Fackel loszuwerden, deren Anblick Brian bestimmt zu wildem Gebrüll veranlasst hätte, und das dadurch erzeugte Aufsehen wollte er vermeiden. Schnell steckte er sie kopfüber in einen Haufen am Weg, in dem der Kompost der Gemüseabfälle vor sich hin gärte, um im Frühjahr als neue Erde in die Zwiebel- und Kohlbeete eingearbeitet zu werden.

Inzwischen war es fast dunkel geworden und die Nebelschwaden, die vom Meer zu dem hochgelegenen Schlossberg hinauf waberten, wurden immer dichter. Iain schlich sich an der rückwärtigen Stallmauer entlang zum Gesindetrakt, der direkt an die Brennerei grenzte. Im Obergeschoss eines der Fachwerkhäuser bewohnten seine Eltern einen großen Raum mit einem Alkoven, in dem er seit seinem letzten Geburtstag sein eigenes Bett stehen hatte. Die erste Nacht alleine in einem Bett zu schlafen war ein Meilenstein in seinem Leben gewesen. Jeder Schotte war davon überzeugt, dass ein guter Schlaf die Grundlage für ein gesundes Leben wäre. Deshalb ähnelte das Bett seiner Eltern, in dem Iain die ersten fünf Jahre seines Lebens mehr schlecht als recht an der Seite seines schnarchenden und furzenden Vaters geschlafen hatte, einer kleinen Festung gegen die Kälte.

Es befand sich direkt neben der Feuerstelle inmitten des Raumes und bestand aus einem Holzrahmen, über den Seile gespannt waren. Auf die Seile legte seine Mutter jeden Tag ein frisches Leinentuch. Darauf kamen eine Strohpritsche, eine mit Federn gefüllte Matratze, die sie jeden Morgen zum Lüften an das weit geöffnete Fenster mit den Glasscheiben stellte, und feine Leinentücher. Zudeckte man sich mit warmen Wolldecken und einer mit Daunen gefüllten Tagesdecke. Ein Baldachin und Vorhänge vervollständigten die nächtliche Verteidigungsanlage seiner Eltern. Jeden Abend schlangen sie sich ein Tuch um den Hals, um ihn nachts warm zu halten, weil er das einzige war, was außer dem Gesicht unter den Decken herausschaute. Und genau so eine Bettstatt hatte Iain jetzt für sich alleine und seitdem freute er sich jeden Abend aufs Zubettgehen. Seine Schlafstatt war sein ganz persönliches Reich, in dem er ungestört träumen konnte. Außer den beiden Betten gab es in der Wohnung noch einen roh gezimmerten Holztisch, an dem seine Mutter ihre Handarbeiten machte und das Essen eingenommen wurde, eine Bank, drei Schemel, zwei Truhen und als größten Luxus einen Armsessel, der seinem Vater zum Ausruhen vorbehalten war, nachdem er wieder stundenlang im Stehen für die Unterhaltung des Clanchefs und seiner Gäste gesorgt hatte.

Mum würde bestimmt schimpfen, weil er so lange fortgeblieben war. Vielleicht suchte sie ihn auch schon, denn es war Zeit fürs Abendbrot, das sie immer mit ihm zusammen in der Gesindeküche einnahm, bevor sie in den Speisesaal gingen, um seinem Vater zuzuhören, der dort während der Mahlzeiten des Schlossherren und seiner Gäste aufspielen musste.

Tatsächlich sah er sie, wie sie aus dem Tor der Tenne trat und nach ihm rief. Gerade als er antworten wollte, bemerkte er, wie Robert McLeod von der anderen Seite um die Ecke der Tenne kam. Er richtete sich seine Beinkleider, denn offenbar hatte er an der Tennenwand sein Wasser abgeschlagen. Iain blieb vor Schreck die Antwort auf den Ruf seiner Mum im Halse stecken. Gebannt beobachtete er das weitere Geschehen.

Auch McLeod hatte seine Mutter bemerkt. Er ging geradewegs auf sie zu. Iain dachte an seine Drohung und hielt es nicht für geboten, sich von ihm bei Einbruch der Dunkelheit erwischen zu lassen. Er presste sich gegen die Mauer, um sich so unsichtbar wie möglich zu machen. Doch McLeod hatte nur Augen für seine Mutter, auf die er mit schnellen Schritten zueilte. Iain sah erstaunt, wie McLeod sie mit seinen kräftigen Händen um die Taille packte.

„Darauf habe ich lange gewartet“, hörte er ihn merkwürdig gepresst sagen.

Mühelos schob er die sich heftig Wehrende durch die offene Tennentür in die dunkle Scheune. Iain hörte seine Mutter mit erstickter Stimme „Nein, nicht!“ rufen.

Iain vernahm ein lautes Klatschen. Danach raschelte es nur noch leise. Er hatte keine Ahnung, was der Clanchef mit seiner Mutter anstellte. Trotz seiner Furcht vor ihm wurde er von unbändigem Zorn übermannt, weil er spürte, dass hier etwas absolut nicht in Ordnung war und etwas sehr Gefährliches vor sich ging.

Er nahm allen Mut zusammen, rannte über den Hof hinüber zur Tennentür, die noch immer halb offen stand, und spähte hinein. Nachdem sich seine Augen an die tiefe Schwärze darin gewöhnt hatten, erspähte er McLeod, der im Stroh bäuchlings auf seiner Mutter lag, stöhnte und wild seine Hinterbacken auf – und nieder bewegte. Iain nahm entsetzt die nackten Beine seiner Mutter wahr, die weit gespreizt und seltsam abgewinkelt neben McLeods breitem Gesäß in die Luft ragten. Seine Mutter war sehr bleich, hatte die Augen geschlossen und schien bewusstlos zu sein.

„Er will sie umbringen“, dachte Iain verzweifelt.

Mit einem wilden Schrei rannte er auf die Beiden zu und sprang auf McLeods Rücken. Wütend krallte er sich in dessen langen Haaren fest und zog mit aller Kraft daran. Dem Clanchef wurde der Kopf nach hinten gerissen. Er stöhnte und grunzte, jedoch nicht nur vor Überraschung und Schmerz. Sein muskulöser Arm griff nach hinten, packte Iains dünne Ärmchen und wirbelte ihn durch die Luft. Iain wurde einige Meter weit weg katapultiert, landete hart auf dem festgetretenen Lehmboden und prallte mit der Schulter wuchtig gegen das Rad eines großen Heuwagens. Ein Schmerzensschrei entfuhr ihm und er rief laut und ohnmächtig vor Wut: „Mum, Hilfe!“

Tatsächlich öffnete seine Mum die Augen und blickte verwirrt um sich. Sie erblickte den auf ihr liegenden Clanchef und Iain sah ihr maßloses Entsetzen und den Ekel in ihren Augen. Doch anscheinend erinnerte sie sich an seinen Hilferuf, denn sie sah sich suchend in der Tenne um. Schließlich erblickte sie ihren kleinen Sohn mit schmerzverzerrtem Gesicht vor dem Rad des Heuwagens am Boden liegen. Mit einem zornigen Aufschrei stieß sie mit einer Kraft, die man ihrem schmächtigen Körper niemals zugetraut hätte, den massigen McLeod von sich und sprang auf die Füße. Voller Wut schlug sie wie eine Furie beidhändig auf den sich langsam Aufrichtenden ein und schrie ihn an: „Was hast du mit Iain gemacht, du Schwein?“

Der hünenhafte und kampferprobte McLeod blieb völlig unbeeindruckt von ihren Schlägen. Mit einer kraftvollen Bewegung stieß er sie von sich und sie fiel zu Boden. Während er sich seine Hose über sein immer noch halbsteifes Glied hochzog, lachte er plötzlich dröhnend. „Dein Sprössling ist das also. Der Bursche scheint ein Talent zu haben, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Er kam in genau demselben Moment wie ich, ist das nicht lustig? Aber genug jetzt. Du wirst ihm befehlen, dass er über dieses Geschehen hier kein Wort verlieren darf, ist das klar? Und weil es mir so gut gefallen hat mit dir, wirst du mir ab sofort immer zur Verfügung stehen, wenn ich dich haben will. Wage es nicht, dich meinem Befehl zu widersetzen. Ich bin der Herr und Gebieter über Leben und Tod auf diesem Schloss. Eher verzichte ich auf einen guten Bagpiper als auf dich, merk dir das.“


*

Nichts war nach jenem Abend für Iain je wieder so gewesen wie zuvor. Äußerlich hatte sich sein Leben nicht groß verändert, sah man davon ab, dass er jetzt mit seiner Mutter ein Geheimnis teilte, das niemals zu verraten sie ihm nachdrücklich eingeschärft hatte, wollte er nicht riskieren, dass großes Unglück über seinen Vater und sie alle käme. Auf seine Ehre hatte er ihr versprechen müssen, nie ein Wort über das Vorkommnis zu verlieren. Seitdem sah es in ihm nicht mehr so aus wie früher. Seine kindliche Unbeschwertheit und Vertrauensseligkeit waren verloren gegangen. Er achtete jetzt mit misstrauischen Augen und Ohren auf alles, was die Erwachsenen um ihn herum taten und sagten, weil er vermutete, dass nichts so war, wie es den Anschein hatte. Hinter jedem Lächeln, jeder Geste und jedem Wort schien ein Geheimnis zu stecken, das zu entdecken ihm aber offenbar noch verwehrt war.


Love and Glory - Liebe und Ruhm

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