Читать книгу Assassin's Breed - Veit Beck - Страница 30
26.
ОглавлениеEs hätte nicht passieren dürfen, aber natürlich war es passiert. Sie hatte ihn getroffen. In der Kaffeeküche. Und hatte sie es schon als schwierig empfunden, ihre Gefühle im Besprechungsraum zu kontrollieren, so erschien ihr dies nun rückwirkend als leichte Übung. Dort war sie vorbereitet gewesen, geschützt auch durch das Korsett der Öffentlichkeit. Diese Hilfen gab es in der Kaffeeküche nicht, dort war sie ungeschützt, überrascht. Als sie um die Ecke bog, die Gedanken auf den Fall gerichtet und dann so plötzlich in ein Chaos stürzte. Da waren sie wieder, die Gefühle aus der Vergangenheit. Die Begierde war wie ein Tier, hatte das in Sekunden freigescharrt, was sie über Monate zu vergraben versucht hatte. Sofort hatten sich ihre Augen getroffen. Und was sie gesehen hatte oder zu sehen geglaubt hatte, hatte ihre Gefühlswelt in ein noch größeres Chaos gestürzt. Schmerz, Trauer, Hoffnung und Angst, alles in einem Blick, in zwei Augenpaaren.
„Hallo“, hatte sie gestammelt und so ein Gespräch eröffnet, das nicht zu ihrer beider Gedanken und Gefühlen passte. Belangloses Geschwätz über den Fall, um abzulenken von den eigentlichen Gefühlen, um sie zu unterdrücken, nicht gleich zu kapitulieren. Fast war sie froh gewesen, als Strecker hinzukam und die Intimität des Augenblicks sprengte. Überrascht, fast beschämt hatten sie ihre Köpfe gesenkt, den Blickkontakt abgebrochen und begonnen, sich auf ihr Gespräch zu konzentrieren. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit hatte sie dann die Flucht ergriffen. Doch es war zu spät. Es war als hätte eine Harpune ihr Herz getroffen und je weiter sie sich von ihm wegbewegte, desto straffer wurde das Seil, desto schwerer wurde die Last, desto größer wurde der Schmerz.
Jetzt saß sie wieder mit Marten und Strecker im Büro. Doch nur körperlich, ihre Gedanken waren woanders, kreisten um ihn, gleich Trabanten, die ihren Planeten umkreisen, ihn aber nicht erreichen können.
Nur gedämpft, wie durch eine dicke Watteschicht, vernahm sie die weit entfernte Stimme von Kommissar Marten, der versuchte, ihnen die Welt zu erklären. Die Welt der Spiele, die nichts mit ihrem Leben und ihren Gefühlen zu tun hatte. Denn das war kein Spiel.
„Viele Spiele werden heutzutage online gespielt“, erläuterte der Kommissar. „Das impliziert, dass die Spielprogramme nicht auf den Rechnern der Spieler installiert sind, sondern auf den Servern der Anbieter. Bevor Missverständnisse auftreten. ‚Assassin’s Creed‘ ist gar kein typisches Onlinespiel. Die dritte oder vierte Ausgabe hatte zwar eine entsprechende Erweiterung für das Zusammenspiel mehrerer Spieler enthalten, doch andere Spiele setzen deutlich mehr auf Kooperation der Spieler. Aber ‚Assassin’s Creed‘ passt halt gut von der Geschichte her. Eine verschworene Gemeinschaft, die Anschläge ausführt, eben ganz wie in unserem aktuellen Fall. Zusammenarbeit wird am intensivsten in Kriegsspielen genutzt, insbesondere in solchen, in denen kleine militärische Spezialeinheiten schwierige Aufträge durchführen. Typische Vertreter heißen ‚Counterstrike‘, ‚Call of Duty‘. Natürlich gibt es auch Sport- und Rennspiele oder auch Mischformen, wie ‚Grand Theft‘. Es gibt Hunderte solcher Spiele und täglich kommen neue hinzu. Der vermisste Junge hat aber fast ausschließlich Kampfspiele gespielt. Viele dieser Spiele bieten neben dem eigentlichen Spiel Funktionen, mittels derer die Spieler während des Spiels miteinander kommunizieren können. Aber diese spielspezifischen Kommunikationshilfen braucht man gar nicht unbedingt, denn es gibt auch eigenständige Programme, die die Kommunikation zwischen den Nutzern während des Spielens ermöglichen. In der Regel über Chat- oder Sprachkanäle. Das wahrscheinlich meist genutzte Werkzeug heißt ‚Teamspeak‘, aber derzeit boomt ein neues namens ‚Discord‘. Auch diese beiden Programme, das hat die Analyse seines Rechners gezeigt, hat Marc Johann benutzt. Ihr seht, das Feld ist groß und wird täglich größer. Aber Details müsst Ihr wahrscheinlich gar nicht kennen, nur dass man heutzutage jederzeit von jedem Ort mit Internetzugang mit jedwedem beliebigen anderen Spieler zusammenspielen und dabei per Sprache oder Chat kommunizieren kann. Das ist unsere Aufgabe, die der IT-Spezialisten, diese digitale Welt zu durchsuchen und Spuren zu finden. Spuren, die in die reale Welt führen, wo Ihr sie dann weiterverfolgen könnt.“