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DAS DREIEINIGE GEHIRN
ОглавлениеDas dreieinige Gehirn ist eine sehr vereinfachte, aber hilfreiche Darstellung nach Paul D. MacLean, die veranschaulicht, wie zum einen eine gelingende Stressverarbeitung und zum anderen eine erschwerte Stressverarbeitung bei toxischem Stress aussieht. Für das Verständnis von Trauma sind insbesondere drei Bereiche unseres Gehirns wichtig:
das Stammhirn oder Reptiliengehirn
das limbische System oder Zwischenhirn und
das Großhirn beziehungsweise die Großhirnrinde (Neocortex)
Tief im Innern unseres Schädels sitzt der entwicklungsgeschichtlich älteste Teil, das Stammhirn. Häufig wird dieses Hirnareal auch »Reptiliengehirn« genannt, weil es nicht nur bei Säugetieren, sondern auch bei Reptilien zu finden ist. Das Stammhirn ist so etwas wie der Ur-Wächter des Lebens. Es beherbergt unsere Überlebensinstinkte und -reaktionen und ist in diesen völlig zuverlässig und kompromisslos.
Unsere Überlebensreaktionen sind stark und kompromisslos. Sie sind einfach, direkt und zielführend. Und sie sind archaisch.
Als Nächstes, oberhalb des Stammhirns, entwickelte sich das Zwischenhirn mit dem limbischen System. Es ist zuständig für die Steuerung unserer Gefühle und die Erinnerung an emotional geladene Erlebnisse.
Als äußerste Schicht unseres Gehirns entwickelte sich das Großhirn, das unter unserer Schädeldecke die »Krone der Schöpfung« darstellt. Mit unserem Großhirn können wir rational und komplex denken, planen, gezielt handeln und Probleme lösen. Man schreibt dem Großhirn auch den Sitz der Persönlichkeit zu. Mit seiner Hilfe erleben wir uns als ein Individuum mit einem eigenen Selbst. Obwohl hier der Begriff »dreieinig« verwendet wird, sind diese Areale in der Lage, ohne die »Zustimmung« eines anderen Teils zu agieren. Das wird deutlich, wenn die Neurozeption große Bedrohung meldet. In so einem Moment werden Gehirnareale, deren Funktionen nicht unmittelbar überlebenswichtig sind, »vom Netz genommen«. Als Erstes wird das Großhirn mehr oder weniger »ausgeschaltet«, weil komplexes Denken in lebensbedrohlichen Situationen nicht hilfreich, sondern sogar schädlich sein kann. Wenn die Bedrohungssituation nicht endet, werden Teile des Zwischenhirns »heruntergefahren«, die für das Speichern von Erinnerungen zuständig sind. Übrig bleibt der Überlebenswächter Stammhirn, der mit dem autonomen Abfeuern von Überlebensreaktionen die Führung übernimmt. Unter seiner Regie laufen instinkthaft nur jene Muster ab, die dem Überleben unmittelbar dienen: Kämpfen, Fliehen oder Erstarren. Wenn das Stammhirn übernimmt, können wir nicht mehr klar denken und es gibt keinen Spalt mehr zwischen Reiz und Reaktion. Toxischer Stress führt also zu einer derartigen Überforderung, dass notgedrungen das Stammhirn übernimmt. Wir wissen instinktiv, dass gerade etwas aus dem Ruder läuft und uns die Kontrolle über unser Leben zu entreißen droht.
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Das dreieinige Gehirn