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Der dorsale Vagus

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Der dorsale Pfad hingegen, der die Organe unterhalb des Zwerchfells versorgt, ist dann aktiv, wenn wir in Sicherheit sind und sehr tief entspannen und regenerieren. Er ermöglicht es uns, in angstfreier Bewegungslosigkeit zu genießen, was nur dann geht, wenn wir uns wirklich sicher fühlen, beispielsweise bei einer wohltuenden Massage oder wenn wir in den Armen einer vertrauten Person einschlummern. Auch wenn wir den Ausblick aufs Meer aus der Hängematte genießen oder gemütlich auf dem Sofa sitzend ins knisternde Kaminfeuer schauen. In genau diesen Momenten, wenn der dorsale Vagus unter geschützten Bedingungen aktiv ist, regenerieren wir tief und effizient und erleben ein Gefühl des Geborgenseins und Eingebettetseins in einer Welt, die ein sicherer Ort ist.

Der dorsale Pfad hat jedoch noch mehr zu bieten. Er wird auch dann aktiviert, wenn extreme Bedrohung und Gefahr signalisiert werden, denen der Sympathikus allein durch die Mobilisierung von Energie nicht genügend entgegnen kann, und das System existenziell überlastet ist. Wenn also Flucht oder Kampf nicht gelingen oder aussichtslos sind und wir in einen Zustand der angstvollen Bewegungslosigkeit geraten, entfaltet der dorsale Vagus eine beeindruckende Wirkung. Seine Aktivierung ist eine Art letzter Trumpf, der in einer lebensbedrohlichen Situation ausgespielt werden kann.

Sowohl der Zustand tiefer Entspannung als auch die Überlebensreaktion völliger Immobilität sind Ausdruck des dorsalen Vagus.

Wenn dieser Pfad aktiviert wird, wird das ganze Körpersystem in einen Modus der Immobilität versetzt. Dieser Zustand, auch »dorsaler Shutdown« genannt, zeichnet sich durch eine sehr spezielle Erlebensqualität aus. Es werden andere Hormone und Botenstoffe ausgeschüttet als in der sympathikotonen Reaktion. Endorphine und körpereigene Analgetika (Schmerzmittel) sorgen dafür, dass sowohl das Maß an emotionaler Beteiligung als auch das Schmerzempfinden stark gedämpft werden. Herz- und Atemfrequenz werden gedrosselt und nur das Maß an Energie, das zum Überleben nötig ist, wird aufgebracht. In so einer Situation fühlen wir uns abgetrennt von Verbundenheit und Gewahrsein.

Im akuten Zustand der Immobilität lassen wir uns selbst zurück, um zu überleben.

Auch diese Reaktion stellt einen genialen Überlebensreflex dar, ist in sich vollkommen und gleicht einem Wunder. Dieses Wunder können wir in der Tierwelt beobachten, wenn ein Beutetier, das im festen Fang eines Jägers ins Gebüsch gezerrt wird, völlig regungslos und scheinbar tot daliegt, um dann im nächsten Moment, sobald sich der Jäger ein Stück entfernt hat, kraftvoll aufzuspringen und zu fliehen. Hier schützt die Immobilität, die vom dorsalen Vagus unter der Lebensbedrohung eingeleitet wird, vor dem sicheren Tod und die Mobilisierung durch den Sympathikus verhilft dem Tier dann zur rettenden Flucht.

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