Читать книгу Widersehen in Berlin - Victoria Benner - Страница 19

Оглавление

5.

Mit gemischten Gefühlen schloss Charlotte ihre Wohnung auf. Kaum im Flur, warf sie die Einkaufstüte in eine Ecke und baute sich vor dem Flurspiegel auf, um sich von oben bis unten zu beäugen.

„Was ist los mit dir?“, fuhr sie ihr Spiegelbild an und legte den Kopf schief, stemmte die Arme in die Hüften und atmete tief aus.

„Was soll das für ein Anfall sein? Hmm? Früher warst du immer happy, wenn du einkaufen warst.“

Sie schenkte der in sich zusammengesackten Tüte in der Flurecke einen raschen Seitenblick.

„Und jetzt das?“, fragte sie sich und reckte ihr Kinn. „Was soll das? Solltest du nicht überglücklich sein? Mit den neuen Klamotten?“ Sie sah sich streng an. Das Spiegelbild blieb ihr eine Antwort schuldig, stattdessen klingelte das Telefon und Charlotte wirbelte herum.

„Wenn das noch mehr Absagen sind, dann flippe ich aus“, sagte sie.

Für einen kurzen Augenblick wollte sie nach dem Hörer greifen, aber dann ließ sie die bereits ausgestreckte Hand wieder sinken, zuckte die Schultern. Sie hatte einen Anrufbeantworter, sollte der sich doch nützlich machen. Es klackte, als das Band anlief.

„Charlotte?“, tönte es aus der Maschine.

Sie drehte sich ruckartig um. „Das kann nicht sein“, flüsterte sie.

„Ich bin´s. Ich glaub nicht, dass ich sagen muss wer ich bin, oder? Hmmm…“, die Stimme verstummte kurz. Dann sagte sie: „Ich wollte nur anrufen, weil ich dachte, du könntest mir weiterhelfen.“

Charlotte starrte ungläubig auf die Maschine. „Hah!“, brach es aus ihr heraus. „Ich dir helfen?“ Sie schnaubte.

„Ich hätte gern eine Stellungnahme von dir. Zu dem, was gestern…“, sagte die Maschine.

Charlotte sprang zum Telefon und riss es an sich. Es klackte, als die Aufnahme stoppte.

„Deine Stellungnahme kannst du dir in die Haare schmieren! Das hättest du wohl gern! Aber das kannst du vergessen!“, fauchte Charlotte in den Hörer.

„Dachte ich mir, dass du da bist“, sagte die Stimme.

Charlotte knirschte mit den Zähen. „Dass du hier überhaupt anrufst! Woher hast du meine Nummer? Und woher weißt du von gestern Abend!“, zischte sie.

„Woher wohl?“, hörte sie die Stimme lachen.

Charlotte überlegte. Es brauchte nur drei Sekunden, dann hatte sie die Antwort. „Das kann doch wohl nicht …“

„Oh doch, warum nicht?“, fragte die Stimme. „Also, was ist jetzt mit der Stellungnahme?“, fragte sie.

Charlotte schnitt eine Grimasse. „Die kannst du dir in die Haare schmieren! Oder noch besser: frag ihn doch! Dann hast du was, worüber du schreiben kannst und weil alles was er sagt so klasse in dein spießbürgerliches Weltbild passen wird, musst du dir noch nicht mal dein armes kleines Hirn zermartern oder in Gewissenskonflikte geraten!“

„So charmant wie immer“, sagte die Stimme. „Aber ich habe ihn bereits gefragt. Und eigentlich dachte ich, ich bin fair und gebe dir auch eine Chance zu Wort zu kommen. Aber wenn du nicht willst und meinst auf so ein Angebot verzichten zu können…“ Charlotte hörte einen tiefen Atemzug. „Bitte, wer bin ich dir, so etwas aufzudrängen? Noch dazu, wo ich mir nachher Gedanken darüber machen müsste, was daran wahr und was falsch ist?“

„Genau, wer bist du schon, mir so etwas anzubieten?“, sagte Charlotte. „Ein Niemand!“

„Ein Niemand, der dir eine Chance geboten hat. Aber da du nicht willst…“ Es klackte.

„Hallo?“, fragte Charlotte, aber da war nur das Besetztzeichen in der Leitung zu hören.

Wütend knallte sie das Telefon in seine Station. Mit einer raschen Bewegung fegte sie den Stapel Papier, der neben der Station lag, auf den Boden.

„Ihr könnt mich doch alle mal!“, zischte sie und betrachtete die Unordnung. Dann drehte sie ihr den Rücken zu und stapfte zu der Tüte in der anderen Ecke des Flurs hinüber. „Von so was werd' ich mich nicht fertig machen lassen“, schimpfte sie und ging ins Wohnzimmer.

***

„Ich hätte es annehmen sollen. Oder?“, überlegte Charlotte laut.

Jackie, die sich neben ihr in bester Laune den Artikel über Tom in der „Stil“ zu Gemüte führte, guckte hoch. „Wozu? So wie du mir die Sache erzählt hast, hätte se dich nur zerrissen. Und denn? Wat hätte dir dit gebracht?“

Es war ein nasskalter Tag. Im Salon, in dem Jackie arbeitete, war nichts los, weswegen Charlotte zum Kaffeetrinken und Kriegsrat halten vorbeigekommen war.

„Stimmt“, überlegte Charlotte. „Sie hätten mich zerrissen. Andererseits, wenn sie Geld geboten hätte… Das hätte ich gut gebrauchen können.“ Charlotte machte ein betretenes Gesicht.

Jackie blickte ihre Freundin streng an. „Ick dachte immer, du hättest Stolz.“

„Schon, aber der macht nicht satt. Jackie, ich brauche einen richtigen Job, mit einem normalen Einkommen. Das Catering reicht nicht“, meinte Charlotte zerknirscht.

Jackie seufzte und vertiefte sich wieder in das Magazin. „Wusstest du, dass dein Tommyboy Anfang nächsten Jahres hier dreht? Babelsberg hat den Zuschlag jekricht“, teilte sie Charlotte mit, die nachdenklich in den grauen Tag starrte und auf ihrer Lippe herumkaute. „Ey! Schneewittchen! Biste noch da?“

Jackie stieß sie an, und Charlotte zuckte zusammen. „Was?“, fragte sie.

„Dein Tommy kommt nach Berlin. Um hier zu arbeiten. Ist doch die Jelejenheit.“

„Ich versteht nicht, was du willst? Außerdem ist er nicht „mein Tommy“, antwortete Charlotte und verdrehte die Augen. „Oder hast du schon vergessen“, sie lehnte sich zu Jackie vor und tippte auf Norahs Bild, „dass er schon eine Freundin hat?“

Jackie winkte ab. „Die is nich mal ne Herausforderung für dich.“

Charlotte zog die Augenbrauen hoch.

„Na und wenn schon, haste nich seine Nummer? Der kann dir sicher nen Job auf´m Set beschaffen", überlegte Jackie und fuhr sich durch die inzwischen schulterlangen schwarze Haare.

„Jackie, das halte ich für keine gute Idee.“

„Wieso nich? Ich mein, frag halt mal. Kostet doch nischt.“

„Jackie, nein.“

„Und wenn du seine Nummer nich mehr hast, fragste eben die Presselady. Wo er die doch immer auf dem Laufenden hält, da hat die die bestimmt“, flötete Jackie und machte ein begeistertes Gesicht.

„Nein. Das mach ich garantiert nicht. Und eben hatten wir es noch mit Stolz“, erwiderte Charlotte.

Jackie zog eine Schnute. „Denn eben nich“, sagte sie, als Charlottes Handy klingelte.

„Hallo?“, meldete sie sich. „Miriam“, flüsterte sie Jackie zu. „Nein, weiß ich nicht. Wie? Ja, den habe ich gelesen, aber…. Was für eine große Chance?“ Charlotte blickte Hilfe suchend zu Jackie, welche ratlos die Schultern zuckend zurückblickte. „Warte mal, nicht so schnell. Miriam, hör auf zu … Was? Echt? BC wird das Catering übernehmen?!“ Charlotte gestikulierte wild in Richtung Artikel, um sich verständlich zu machen. „Das wäre ja Wahnsinn! Weißt du was das heißt?!“

Miriams Triumphgeheul war durch das Telefon deutlich zu hören.

„Ja, schön, das auch. Nein, aber viel wichtiger: Ein halbes Jahr festes Einkommen!“

Jackie spreizte die Finger zum Victory-Zeichen für Sieg auf ganzer Linie!

Charlotte legte auf, grinste übers ganze Gesicht und ließ sich neben Jackie auf einen Stuhl fallen.

„Der Hit! Ihr übernehmt das Catering! Für den Blockbuster!“

Charlotte nickte atemlos. Ja, sie hatte Arbeit und ein regelmäßiges Einkommen, zumindest für die Zeit in der gedreht wurde. Es gab doch noch so etwas wie Glück. Sie könnte ihre Rechnungen bezahlen und sie würde sich nicht andauernd Sorgen machen müssen, vielleicht würde der Chef sogar etwas mehr springen lassen. Himmlische Zustände. Charlotte hätte tanzen mögen.

Jackie studierte sie jedoch mit kritischer Miene: „Du weeßt aber schon wat dit heißt, oda?“

Charlotte schüttelte den Kopf.

„Dit heißt, dass du ihm de facto jeden Tach übern Weg loofen kannst. Meinste du schaffst dit?“ Ihre Freundin sah sie zweifelnd an.

„Für ein festes Einkommen schon“, verkündete sie im Brustton der Überzeugung.

Jackie sagte nichts. Sie kniff nur die Augen zusammen.

Widersehen in Berlin

Подняться наверх