Читать книгу Widersehen in Berlin - Victoria Benner - Страница 6

***

Оглавление

Charlotte konnte den direkten Wink kaum ignorieren, auch wenn sie lieber nicht gegangen wäre. Aber sie wusste die Augen ihres Chefs waren überall und es würde Ärger geben, wenn sie eine so direkte Aufforderung übersehen würde.

„Verdammt! Wo ist eigentlich Dimitri wenn man ihn mal braucht!“, fluchte sie leise und machte sich auf den Weg zu der Gruppe. Schon von weitem sah sie seine lange dürre Gestalt aus der Menge ragen, seine rötlich leuchtenden Ringellöckchen, die sie zu Beginn ihrer Bekanntschaft so scheußlich fand. Sie sah ihn gestikulieren, als er sprach, sah wie er sich immer wieder mit einer seiner Hände durch diese Locken oder aber unter den Hemdkragen fuhr. Er war nervös, das konnte sie bis zu dem Platz an dem sie stand spüren. Er war nervös und wollte eigentlich nicht hier sein.

Dann sah sie das Mädchen an seiner Seite. Es war genau so wie Miriam es beschrieben hatte. Blondes Haar, wie gesponnenes Gold, lang bis zur Hüfte und offen. Zierlich und kleiner als er, ungefähr ihre Größe. Sie hätte ihr locker in die wunderbaren, zauberhaften, veilchenblauen Augen sehen können. Sie war eine Trophäe, keine Frage. Sie war die Frau, die er brauchte, um auf den roten Teppichen dieser Welt glänzen zu können.

„Ja bitte?“, fragte Charlotte als sie sich bewusst mit dem Rücken zu Tom stellte und seinen Bekannten fragend ansah. „Was kann ich ihnen bringen?“ Das der Typ bereits ein Glas in der Hand hielt ignorierte sie gekonnt.

Er sah sie grinsend an. „Oh nein, nicht für mich. Ich habe schon“, und wie zum Beweis, dass er bereits versorgt war, hielt er ihr sein Glas unter die Nase.

„Naja aber sie haben doch zwei Hände“, entfuhr es Charlotte, nur um kurz darauf die Zähne zusammen zu beißen. Das hätte sie nicht sagen dürfen!

Aber der Typ nahm es gelassen und lachte schallend über ihren Kommentar. „Na, nicht nur hübsch auch noch amüsant“, pries er sie Tom an, der nur ein schwaches: „Ja, sehr gut Michael“, hören ließ.

„Nein, nein, Tom hier braucht dringend etwas zu trinken“, sagte Michael und drehte Charlotte zu ihm um.

Charlotte starrte fest auf ihr Tablett. Es war eine blöde Situation. „Champagner?“, fragte sie mit leicht zitternder Stimme.

Es war alles so peinlich. Ihre Wangen nahmen langsam aber sicher eine bedrohliche Rottönung an und ihre Hände begannen auf einmal so zu zittern, dass sie Mühe hatte ihr Tablett ruhig zu halten. Alles was sie wollte war nur noch im Boden zu versinken oder den Mut aufbringen, der nötig wäre, um wegzulaufen. Ich sollte nicht hier sein! Ich sollte so was von nicht hier sein, schrie es in ihr.

Aus der Ferne erreichte sie seine ablehnende Antwort. „Nein, danke. Nicht für mich.“

„Aber für mich!“, vernahm sie die zickige Antwort seiner Freundin. Nun, wenn sie dieses Püppchen bedienen wollte, sollte sie zumindest mal sehen, wohin sie das Glas reichte, sonst würde es in einer Katastrophe enden.

Langsam hob sie die Augen und streifte mit ihren Blicken das makellose Dekolletee der Dame, dabei blieben ihre Augen an einem zarten Kettchen hängen, dass um ihren schlanken Hals lag. Es war eine einfache schlichte Silberkette, doch nicht die Kette war das schockierende an der Sache, sondern der Anhänger, der kurz unter ihrer Halsgrube lag, eine silberne Schneeflocke mit einem leuchtenden blauen Stein in der Mitte!

Charlotte konnte ihren Blick nicht von dem Anhänger nehmen und schnappte nach Luft.

„Was ist denn mit der los?“, hörte Charlotte die Blondine fragen.

Charlotte biss die Zähne zusammen. „Mist Mist Mist!“, flüsterte sie leise und verwünschte sich dafür nicht mit dem Zittern aufhören zu können.

„Geht es dir nicht gut? Möchtest du dich hinsetzen?“, hörte sie Tom fragen und es klang so besorgt, dass Charlotte die Zähne noch fester aufeinander biss.

„Der Anhänger…“, presste sie hervor. Sie konnte es nicht fassen! Diese blöde Modelkuh trug ihren Anhänger! Ihren Anhänger!

Charlotte schwirrte der Kopf und ihr Magen krampfte sich zusammen, ihre Beine drohten einzuknicken! Pure Verzweiflung wurde über ihr ausgekippt wie kaltes Wasser aus einem Eimer. Warum trug dieses Weib ihren Anhänger?

„Der ist wunderschön nicht?“, flötete die Blondine völlig ahnungslos.

Wie hätte sie auch wissen sollen was genau sie da um den Hals trug?

„Tom hat ihn mir zu unserem Halbjährigem geschenkt.“

Mit schaudern konnte Charlotte beobachten wie sie den Anhängern nach Beifall heischend in der Runde herum zeigte.

„Nein wie hübsch.“, „Wunderschön.“ und „Was für eine tolle Idee von Tom dir so etwas Außergewöhnliches zu schenken.“, waren die einhelligen Antworten der umstehenden Frauen.

Es rauschte nur so an Charlotte vorbei. Ihre Übelkeit und der Aufruhr in ihrem Magen nahm immer mehr zu. Sie musste dringend von hier verschwinden. Am besten jetzt gleich.

„Und was für ein schöner Stein! Schau nur, der hat die Farbe von seinen Augen! Wie romantisch und aufmerksam das doch ist. So hast du ihn immer bei dir, selbst wenn er wieder zum filmen unterwegs ist. Was ist das für ein Stein?“, ließ sich eine der anwesenden Frauen hören.

„Das ist ein Saphir“, erläuterte Toms Freundin und Charlotte konnte die Selbstzufriedenheit in ihrer Stimme hören. „Ja, ein echter Saphir. Von ihm für mich.“

„Ein Aquamarin“, sagte Charlotte tonlos.

„Entschuldigung, wie bitte?“

„Es handelt sich um einen Aquamarin. Ein Saphir von der hellen Farbe wäre fast nichts wert. Wenn er ihnen also tatsächlich gesagt hat, es sei einer, dann würde ich mir mal Gedanken machen und ihn fragen warum sie ihm so wenig wert sind“, platzte Charlotte heraus, blickte auf und starrte sie und Tom wütend an, zumindest hoffte sie das, denn es wäre ihm recht geschehen.

Tom starrte nur wütend zurück.

„Tom, Darling?“, fragte seine Begleitung, hängte sich an seinen Arm und guckte ihn mit einem Schmollmund aufreizend von unten her an.

„Ja, Tom, was ist es denn nun?“, fragten auch andere.

Doch Tom starrte nur auf Charlotte herunter. „Ein Saphir, Norah Schatz. Das ist das was man mir in dem Laden gesagt hat“, teilte er abwesend seiner Freundin mit.

Charlotte konnte nur noch knurren vor Wut. Sie hätte zu gern gefragt, in welchem Laden er den Anhänger wohl gekauft hatte, denn dieses Stück war eine Einzelanfertigung. Erschaffen für nur eine einzige Person! Nämlich sie!

Norah lächelte sie eiskalt an und Charlotte wurde die ganze Scharade zu viel, als ihre aufgestaute Wut sich die Bahn brach. Sie würde sich nicht wie den letzten Dreck behandeln lassen.

„Was ist nun mit meinem Glas?“, fragte das die Blondine.

Charlotte hob eine Augenbraue. Oh, so war das? Norah Schatz wollte ein Glas haben?

Ruhig nahm Charlotte ein Glas von ihrem Tablett und goss dessen Inhalt auf Toms Schuhe. Dann überreichte sie mit dem freundlichsten Lächeln dass sie zustande brachte und mit der größten Würde zu der sie fähig war, seiner Freundin das Glas.

„Bitte schön“, trotzdem sie es hatte fest klingen lassen wollen, konnte sie nicht verhindern, dass sich ein kleines Schluchzen hineinmischte. „Den Anhänger hat er übrigens nicht gekauft. Nirgendwo. Kann er auch nicht, denn es ist eine Sonderanfertigung. Er ist einmalig auf der Welt und er wurde nur für eine einzige Person gemacht. Und die sind sie nicht. Es ist mein Anhänger. Er hat ihn von mir, weil ich so blöd war ihn in London vor gut einem Jahr zurückzulassen. Wenn sie hinten auf der Flocke nachsehen wollen, werden sie die Gravur „SG für CG“ finden, falls sie mir nicht glauben wollen.“ Damit drehte sie sich um und lief erst langsam, dann immer schneller in Richtung Küche.

Widersehen in Berlin

Подняться наверх