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Ein wenig über mich

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»Kommen Sie, ich zeige Ihnen mein Familienalbum.«

»Geh mir bloß weg mit deinem Album.«

»Das ist unsere Familie.«

»Lauter Missgeburten.«

»Das ist mein Vater.«

»Man sieht’s an den Augen: ein Lump. Sie sehen Ihrem Vater sehr ähnlich.«

»Das sagen alle.«

»Ihr jüngerer Bruder und Ihre Schwester sehen der Mutter ähnlich. Wie alt ist denn Ihre Schwester?«

»Dreiunddreißig.«

»Ich hätte ihr vierzig gegeben.«

»Nettes Kompliment. Werd ich ihr ausrichten.«

»Und was ist das für ein jämmerlicher Soldat?«

»Das bin ich.«

»Haben Sie im Gefängnis gesessen?«

»Nein. Wieso?«

»Meine Frau sitzt, irgendwo am Arsch der Welt. Sie schreibt, das Essen ist erträglich. Hat aber Heimweh. Nach Hause. Vor lauter Heimweh hat sie angefangen, Gedichte zu schreiben.«

»Wofür sitzt sie?«

»Paragraph 105. Sie hat meine Geliebte umgebracht. Aus Eifersucht. Mit dem Messer. Und mich wollte sie auch abstechen.«

»Tut mir leid für die Geliebte.«

»Geliebte sind nicht zum Bemitleiden da. Und wer ist das?«

»Meine Schwester mit Mann und Kindern.«

»Sie hat zwei Kinder?«

»Wolodja geht zur Schule und Lenotschka in den Kindergarten.«

»Ich würde nie einem Kind was antun. Und Sie?«

»Kommt drauf an, wen man für ein Kind hält.«

»Und der da, der aussieht wie Marschall Budjonny?«

»Großvater. Den haben sie liquidiert. Und das ist Großmutter Klawa. Die haben sie gepfählt.«

»Wie, gepfählt?«

»Eher aus Versehen. Das hier ist Oma Sima.«

»Und was ist mit ihr?«

»Nichts. Sie ist unter eine Vorortbahn geraten. Haben Sie eine große Familie?«

»Frau, ich und Tochter.«

»Haben Sie Fotos dabei?«

»Nein. Ich hasse sie.«

»Beide?«

»Mm. Wenn sie was essen, fällt ihnen immer was aus dem Mund. Nudeln, Gurken.«

»Wie alt ist Ihre Tochter?«

»Siebzehn.«

»Raucht sie?«

»Sie spritzt.«

»Hätte nicht gedacht, dass Sie eine so große Tochter haben. Bald werden Sie Enkel haben.«

»Wir hatten bereits Enkelkinder, Mädchen und Jungen. Bisher hat Nina nicht vor zu heiraten. Sie macht gerade ihre Schule fertig und will dann Fremdsprachen studieren. Ihr Traum ist, Übersetzerin zu werden.«

»Welche Sprache lernt sie?«

»Irgendeinen Mist.«

»Wie heißen Sie?«

»Pawel Andrejewitsch. Ich liebe Sport, vor allem Fußball. Manchmal gehen wir Freunde besuchen oder laden welche zu uns ein. Dann lassen wir uns volllaufen, meine Frau Marina und ich. Sie mit Tequila, ich mit Wodka.«

»Was macht Ihre Frau?«

»Marina ist Kinderärztin. Spezialistin für Abtreibungen. Sie liebt ihren Job und interessiert sich echt für ihre Arbeit. Marina singt gut, sie hat eine schöne Stimme. Einmal in der Woche geht sie ins Haus der Kultur, wo sie im Chor singt. Aber Ihre Großmutter, die, die gepfählt worden ist? Wer war das? Ich kenne auf der Welt nur ein Völkchen, das imstande ist, eine Großmutter zu pfählen.«

»Nämlich?«

»Hab ich nicht Recht?«

»Wie heißen Sie?«

»Wozu wollen Sie das wissen? Below. Ich bin 37 Jahre alt. Ich bin in Moskau geboren und lebe schon mein ganzes Leben hier. Ich neige zu Ehrlosigkeit.«

Enzyklopädie der russischen Seele

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