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Blech

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Die Bodyguards schielten zum Fernseher hinüber. Ich trank in Gesellschaft von Leuten, die sich in der kriminellen Szene der Stadt gut auskannten. Ungeachtet meiner intelligenten Erscheinung bin ich imstande, die stärksten Typen unter den Tisch zu saufen; drei oder vier Flaschen Wodka am Abend zeigen bei mir keine besondere Wirkung, höchstens dass mir am nächsten Morgen die Haut am Bauch ein bisschen juckt. Diese Besonderheit hat mir mehr als einmal aus der Bredouille geholfen, manchmal aber zu unvorhersehbaren Folgen geführt, wie es letztlich auch in jener Nacht passierte.

Vom Mann an der Macht geht ein überirdisches Strahlen aus. In seinem gebieterischen Antlitz lodert anhaltende Ekstase. Im Saal wimmelt es von Obrigkeit. Betrunkene Geheimdienstler und Militärs, Vizepremiers, Führer und Unterdrücker der Demokratie, Staatsmänner, wichtige Pappnasen, Revanchisten und weitere Kremlschranzen ließen es krachen.

»Mein Blech ist besser als deins!«, waren Stimmen zu hören.

Jeder träumte von Blech.

»Dein Blech ist ja gar kein echtes Blech.«

»Ich hab vier Stück im Monat gekriegt.«

»Wann soll das denn gewesen sein!«

»Und ich habe eins aus Platin«, sagte einer.

Alle verstummten. Und ich fragte:

»Was für ein Blech meinen Sie denn?«

Sie kugelten sich vor Lachen.

»Und du, du hast wohl überhaupt kein Blech?«

»Nee, hab ich nicht!«, sagte ich wütend.

Gegen Morgen wollten sie plötzlich alle zusammen in den Kosmos fliegen. »Fliegt nur, ihr Täubchen«, dachte ich. Sie boten mir an mitzufliegen, als Chronist, und es gab auch noch andere, nicht weniger ehrenvolle Angebote. Es endete damit, dass einer von ihnen – anscheinend der hellste Kopf, der sogar eine Ahnung von Literatur hatte – mit mir ein Gespräch über die verborgene Seite des Lebens in unserem Land anfing.

»Ich hab dich gelesen, und du gefällst mir nicht«, begann er mit der kurz vor Tagesanbruch üblichen Offenheit, die Krawatte verrutscht über dem weißen Regierungshemd. »Aber lass dir gesagt sein: Das ist hier ein verhextes Land.«

Ich grunzte zustimmend.

»Bermuda-Dreieck nichts dagegen. Das hier, das ist viel irrer. Reformen? Bei uns? Vergiss es!«, versicherte mir der führende Reformer.

Ich glaubte ihm schweigend aufs Wort.

»Es gab da die Überlegung, eine verbindende Idee zu suchen. Gefunden haben wir nur, was uns trennt.« Er blickte sich nach allen Seiten um. »Der Alte stört.«

»Finden Sie was Besseres«, sagte ich.

»Das meine ich nicht«, sagte der Reformer, zog den Kopf ein und schickte sich sogar an, unverstanden zu verschwinden, rief aber stattdessen:

»Pal Palytsch!«

Ein gewisser Pal Palytsch tauchte auf, betrunken. Dem Äußeren nach ein Silowik – Militär oder Geheimdienst. Vor lauter bitteren Gedanken hängender Unterkiefer. In Zivil.

»Klär ihn auf über den Alten. Er glaubt’s nicht.«

Der Silowik blickte ängstlich Richtung Obrigkeit.

»Na, red schon, wo du schon mal angefangen hast«, sagte der Reformer nachdrücklich.

»Wir nennen es das wandelnde schwarze Loch«, zierte sich der Silowik. »Oder auch Trichter. Kurz gesagt, ein Eumel.«

»Das Gesetz des Verschwindens von Energie«, erklärte der Reformer.

Gespräche über alle möglichen bösen Kräfte sind mir immer willkommen, nur nicht mit betrunkenen Machthabern.

»Metaphern«, sagte ich.

»Triff dich mit ihm«, schlug der Reformer vor.

»Mit wem?«

»Mit dem Alten. Pal Palytsch organisiert das.«

»Er wird ihn aufsaugen«, sagte Pal Palytsch säuerlich und zeigte seine schlechten Zähne, zwischen denen Gold aufblitzte. »Schlimmer als ein Ufo.«

»Ich arbeite nicht für die Regierung«, warnte ich versöhnlich.

»Das ist eine persönliche Bitte«, unterstrich der Reformer.

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