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Mein Leben als Assistent

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Das Leben mit einem Forscher ist anstrengend. Mit einem, der gerade feststellt, dass die Gegend, die er entdeckt hat, nur das Ufer eines gewaltigen Kontinents ist. Ich bin ihm scheinbar voraus, ich kenne die Grenzen dieses Kontinents, ich kenne die Gegend, in der die Forschungen begannen, aus der Vogelperspektive, und alle anderen auch, die Berge und Täler und Flüsse und Schränke. Aber was weiß ich von der Flora dort unten, vom Teppichland, vom Reiz einer Fluse, ihrem Aroma? Und begriff ich je das Wunder einer Schublade? Man kann sie auf und zu machen, mache ich auch, aber doch ohne die Konstruktion zu bestaunen, immer neu zu überprüfen, wie das fest und beweglich zugleich ist ...

Ich bin der Gehilfe dieses Forschers, ich war einer dieser Typen, die glauben, sie wüssten es besser, aber das wissende Lächeln hat er mir ausgetrieben, ich fange an zu staunen. Er ist eine jener Naturen, die von ihren Interessen so besessen sind, dass man mitunter das Weite suchen möchte, Luft holen, forsch doch alleine! Aber wer weiß, was als Nächstes entdeckt wird, das möchte man nicht verpassen. Außerdem braucht er, wie alle diese Besessenen, jemanden fürs Praktische. Einen, der fürs Essen sorgt, der die Lawinen voraussieht, die der Forscher mit seinen Untersuchungen auslösen kann. Mit bloßer Hand stoppe ich einen herabkrachenden Felsen, will sagen, eine Schublade voller Krimskrams.

So gesehen bin ich mächtig. Ich hätte ja auch längst den Krimskrams aus der Schublade entfernen können. Kostet mich nur einen Handgriff. Aber zugleich einen mentalen Überblick, der des Forschers Interessen alle vorausweiß, und den habe ich nicht. Ich müsste den ganzen Kontinent in Ketten legen, der zu erkunden ist, mit Gießharz einbetonieren. Irgendwas ist aus der Schublade gefallen. Es kommt sofort ins Labor. Das Labor ist der Mund. Dort wird alles überprüft. Forscher! Wo ist die kleine Glühbirne? Mach den Mund auf! Ich muss manchmal rabiat werden. Er hält den Atem an.

Oder kann er nicht atmen? Hat er die Birne im Hals? Ich halte ihn kopfüber. Er brüllt, er hat den Atem nur angehalten vor Wut über die Unterbrechung, die unnötige Panik. Es gibt so viel zu entdecken! Hinter den Hügeln der Schwellen die Küche. Was für Türen, was für glänzende Wunder dahinter! »Töpfe«, lallt der Gehilfe. Raus damit, überprüfen! Und wie soll ich im Basislager das Essen machen, wenn ihm jederzeit ein Topf auf den Kopf fallen kann? Zum ersten Mal greife ich zurück auf Methoden des 19. Jahrhunderts. Ich hole den Laufstall. Der Forscher wird eingekerkert. Schutzhaft.

Es ist ihm recht, er übt Stehen an den Stäben. Demnächst wird er gehen, den ganzen Kontinent wird er erkunden, 145 Quadratmeter, die noch keiner kennt. Ich brauche die Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ich brauche einen Koch, einen Bodyguard, ein Räumungsteam, Minensuchhunde, und ich brauche Schlaf. Viel Schlaf. Morgen um sechs wird er mich wieder hochscheuchen.

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