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You smiling! Bellissimo! Bambolotto!

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Rodolfo ist in den allerbesten Jahren, also leicht über sechzig, schwarzer Schnauzbart über blitzenden Zähnen. Er trägt den Kragen seines weißen Hemdes hochgestellt und offen, so dass man die Goldkette sieht, und zur schwarzen Hose trägt er Zugstiefeletten. Den Männern legt er die Hand auf die Schulter, den Frauen macht er Komplimente, er redet laut in krachendem Englisch und singendem Italienisch. Ein italienischer Macho, wie er im Buch steht? Nein, so steht und geht er im Garten seines kleinen Hotels in der Toscana, stärker als jedes Klischee. Falls Rodolfo das Klischee bewusst ist, das die Völker nördlich der Alpen vom feurigen Südländer haben, zieht er es an wie sein Hemd, es beengt ihn nicht, er bewegt sich darin mit Freude.

Schon im Normalfall ist Rodolfo eine Frohnatur, die in die leisen Urlaubergespräche an den Tischen hineinfährt wie ein fröhliches Gewitter, aber seit das Baby da ist, ist endgültig Schluss mit der Ruhe. Denn Rodolfo ist nicht nur Macho in Reinform, sondern auch Babybewunderer, wie alle Italiener. Er hat eine Frau, »my beautiful wife«, wie er sie ruft, und eine schöne Tochter, vielleicht sehnt er sich nach Enkeln. Und da ist nun ein Paar mit einem kleinen Kerl angekommen, sechs Monate alt, den hat er sofort adoptiert. »Ahh!« schreit Rodolfo auf, sobald der Kleine, nennen wir ihn Frido, mit seinen Eltern zum Frühstück erscheint. Es sind Deutsche, eher die stille Sorte, und dem Furor des Wirts machtlos ausgeliefert.

»Ma ciao! Ma ciao!«, ruft Rodolfo und humpelt – Nachwirkung eines Skiunfalls – breit lächelnd zum Tisch. Frido strahlt übers ganze Gesicht, Rodolfo gerät außer sich. »You smiling! Bellissimo! Bambolotto!« Bambolotto heißt »dickes Baby«, in der Tat ist Frido von barocker Statur.«S’warzenegger!”, ruft der Hotelier, das ist noch der geringste der Vergleiche. Am zweiten Tag wird Frido mit George Clooney verglichen, am dritten Tag legt Rodolfo den Kopf schief, sagt »George Clooney? Pfff!« und zeigt mit dem Daumen nach unten: Gegen diesen Bambolotto hat Clooney keine Chance. Er habe, versichert der Hotelier den verlegen lächelnden Eltern, schon viele Babys gesehen, dieses sei das schönste. »Un Angelo!« Und er prophezeit ihm eine Karriere als Playboy.

Für ein Lächeln des Kerlchens tut er alles. Er schiebt tänzelnd und winkend die rote Müllkarre im Kreis herum, die er »my Ferrari« nennt und in die er die Frühstücksabfälle entsorgt. Dem Kleinen entgeht nichts. Ob er liegt oder sitzt, Brei verzehrt oder am Tischtuch zerrt, immer sieht er nach, was sein furioser Bewunderer gerade macht. Neue Gäste führt der Wirt zuerst zu Frido, »bellissima creatura del dio!«, und zwingt sie, ihm zu huldigen, ehe sie ihren Cappuccino bestellen. Einmal weint das Baby. Da macht es seine Mutter wie der Wirt: »Ma ciao! Ma ciao! Bambolotto!« Und tatsächlich, er strahlt. »S’warzenegger«, höre ich den Vater verstohlen seinem Sohn zuraunen. Ich nehme an, nächstes Jahr werden sie alle drei wiederkommen.

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