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„Eine Klage kriegen die an den Hals, dass ihnen vor Angst die Zähne wackeln. Das haben sie dann so auch noch nicht erlebt.“

Theo Voss schrie durch das Zimmer, dass es normalerweise drei Häuser weiter noch die Wände zum Wackeln gebracht hätte, aber der parkähnliche Garten, der die Villa der Familie Voss umgab, schluckte die rhythmisch ausgestoßenen Schallwellen seines längst heiseren Kehlkopfs, zumal eine Reihe hoher Bäume vor der Mauer zur Straße sie abfing.

„Freiheitsberaubung, Freizeitberaubung und Verhinderung der Einhaltung von Fernreiseverträgen! Diebstahl von Erholung, Entwendung von touristischen Leistungen, und, und, und.... oder wie auch immer die Paragrafenminnesänger dieses Fiasko begutachtet haben möchten. Man ist diesen Schlaumeiern ja ausgeliefert. Ohne eigene Rechtsabteilung kann man heutzutage nicht einmal mehr in den Urlaub fahren. So weit ist es in diesem Land schon gekommen. Unterirdisch, unfassbar!“

Sandrine Voss ließ ihren Unterarm mit einer erschlafften Hand kurz in die Höhe schnellen, so als wollte sie einen Einwand ankündigen, doch dann ließ sie es bleiben und griff stattdessen nur plump das letzte Papiertaschentuch aus einer Pappbox, die normalerweise im Badezimmer neben ihrem Schminkspiegel stand und wischte sich ein neues Tränenrinnsal aus ihrem verheulten Gesicht.

„Wenn ich an diesen Heini denke, der die Anlage damals eingebaut hat, der war mir gleich suspekt. Sobald Sie das Haus verlassen, Herr Voss, verwandelt es sich per Knopfdruck in einen Tresor, hatte er mir mit sardonischem Grinsen in die Hand versprochen. Dabei einen sächsischen Stasidialekt abgesondert, der mir noch heute den Magen umdreht.

Jetzt kann ich sein dämliches Grinsen deuten. Der Gauner hatte schon damals gewusst, was bei einer Fehlfunktion passiert. Seine kleinen Sachsenaugen haben gefunkelt wie glühendes Glas, weil er den ahnungslosen Klassenfeind schon in der Falle sah. Gestrahlt hat dieser Schrat vor Freude, weil er wusste, dass auch der Service dann nicht mehr erreichbar sein würde.“

Der ein Meter achtzig Bankier in Reisekleidung probierte zum x-ten Mal sein Handy aus.

„Wieso haben wir alle keinen Handyempfang, das verstehe ich nicht. Sind die nicht unabhängig von der Smart-Home Elektronik? Wieso funktioniert mein Vodafone genauso wenig wie bei euch die Deutsche Telekom?“

Deborah hatte eine extrem nölige Teenagerstimme aufgesetzt, so dass es Theo in der Hand zuckte, seine Wut stellvertretend an ihr auszulassen. Er beherrschte sich aber, schließlich hatte er als moderner Vater seine Tochter noch niemals zuvor geschlagen.

„Ich kann mir das nur so erklären, Debohlein, dass bei geschlossenen Fenstern und Türen sich die Anlage automatisch auch gegen Funkwellen abschirmt, damit keiner von außen mit einer manipulierten Fernbedienung bei uns einbrechen kann. Wenn Du willst, kannst Du darüber im Prospekt der Firma Safetron nachlesen. Ach nein, der war ja nur online abrufbar.“

Unwirsch stapfte Theo wieder in Richtung der auf Ständern platzierten Boxen seiner High-End Audioanlage, um dort wie ein Boxer in seiner Ringecke eine kurze Pause zu zelebrieren.

„Machen wir uns nichts vor, der Urlaub ist gelaufen. Das Flugzeug schwebt jetzt mit unseren leeren Sitzplätzen vermutlich schon über Spanien. Daran lässt sich definitiv nichts mehr ändern.“

Sandrines Brustkorb senkte sich zu einem Schluchzen, dann brachte sie sich in aufrechte Sitzstellung und schnäuzte sich vernehmlich in ihr von Rotz und Tränen getränktes Taschentuch.

„Jammern hilft jetzt nicht mehr. Wir müssen hier raus und dann umbuchen!“

Seit einer Stunde waren das die ersten drei Sätze, die Sandrine hervorzubringen vermochte. Ein Zeichen, dass sie sich langsam wieder erholte und sich mit dem Verlust ihres Traumurlaubs abfand.

Theo, der zwischendurch aus Erschöpfung geschwiegen hatte, zog demonstrativ sein helles Sommerjackett aus, faltete es zusammen und legte es auf ein Sideboard.

„Niemals werde ich begreifen, dass es für diesen Fall keinen Notschalter gibt. Erwarten die allen Ernstes, dass ich mit Hammer und Meißel mein eigenes Haus demoliere, damit wir zur eigenen Tür hinausgehen dürfen? Das ist doch bekloppt! Den Schaden wird uns Safetron ersetzen. Aber den Ärger mit der Reklamation habe ich am Hals. Am besten, wir nehmen zur Beweisführung alles mit meiner Kamera auf.“

Deborah sprang sofort vom Sessel auf, um ihrem Vater zu helfen.

„Soll ich die Werkzeugkiste aus dem Keller holen, Paps?“

Theo schüttelte den Kopf und deutete auf einen großen Rollkoffer aus Aluminium.

„Da drin ist meine Kameraausrüstung. Zahlenschlossnummer drei, drei, drei, bei Issos Keilerei. Kannst Du dir das merken? Dann öffne jetzt den Koffer und bau das Stativ direkt vor dem Panoramafenster auf, während ich das schwere Gerät auswähle. Damit es richtig teuer für diese Halunken wird, gehen wir hier ganz nobel raus. Auf, durch das größte Fenster im Haus!“

Deborah öffnete das Zahlenschloss des Aluminiumkoffers und kramte Theos Kameraausrüstung hervor, während ihr Vater im Keller verschwand. Mit dem Stativ hatte sie Schwierigkeiten, schaffte es erst nach mehreren Versuchen, die Beine des Gestänges auszufahren. Die ganze Zeit über waren ihre Gedanken bei Faruq, der sich immer noch in ihrem Zimmer verbarg.

Minuten später erschien Theo mit einer Metallkiste voller Werkzeug und einer Bohrmaschine, die er wie eine Pistole in der Hand hielt.

„Ich erklär dir die Kamera, Debohlein.“

Er nahm seiner Tochter das Stativ aus der Hand, um die Kamera darauf zu befestigen. Dabei klemmte er sich einen Finger.

„Willst Du die ganze Zeit Zuschauerin spielen, Sandrine?“

Seine Bemerkung wirkte nicht gerade wie ein Kompliment an seine Frau und erzählte Bände, wie es zwischen den beiden stand. Der Familienurlaub sollte eine neue Ebene zwischen ihnen einläuten, aber auch ein fünf Sterne Resort war keine Garantie dafür, dass es funktionierte. Deborah war es inzwischen egal. Sie hatte den andauernden Streit zwischen ihren Eltern schon lange satt und träumte davon, mit achtzehn Jahren auszuziehen.

Sandrine stand auf und stolzierte in ihren neuen Urlaubsschuhen an Vater und Tochter vorüber. Kurz vor der Tür zur Küche blieb sie stehen.

„Sandwiches? Ich habe noch welche tiefgefroren.“

Deborah und Theo nickten. Ihr Angebot, ihnen ein paar Toasts aufzuwärmen, war etwas Besonderes. Es sollte ihnen wohl symbolisieren: „Wir sind eine Familie und halten jetzt alle zusammen“.

Sandrine hasste es, andere zu bedienen, weswegen wochentags eine Küchenhilfe angestellt worden war und sie an Wochenenden an sich in Restaurants speisten. Jedenfalls hatten solche Restaurantbesuche noch stattgefunden, als sie eine glückliche kleine Familie mit einem süßen kleinen Töchterchen waren.

Seit einem Jahr waren gemeinsame Restaurantbesuche immer seltener geworden, weil Deborah für ihre Wochenenden immer neue Ausreden fand, um ihr eigenes Ding zu machen, wie sie sagte.

Das Elterngelaber beim Essen hatten fast alle Teenager satt, wusste Sandrine aus eigener Erfahrung. Aber nun hatte sich der gemeinsame Urlaub in Luft aufgelöst, was vielleicht noch zu verschmerzen wäre, wenn nicht der nächste Familienkrach bereits drohend in den Wolken hing.

Theo ließ einen Hammer gegen die Scheibe des großen Wohnzimmerfensters krachen und schrie anschließend vor Schmerzen laut auf.



Kommissar Katzorke

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