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Dezenter Abgang

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„Zieh die nassen Klamotten aus!“

Vor Kneippkur und anderen Behandlungsbädern im Tiefgeschoss gab es einen Raum mit Umkleidekabinen, deren Türen Drago nacheinander aufschlug, um dort für Till nach eventuell vergessener Kleidung zu suchen. Bald hielt er ihm einen weißen Bademantel und Badelatschen hin. Der Durchnässte seufzte, als er die kleine Größe des Gewandes sah. Immerhin trocken, um ohne größeres Aufsehen zu verduften.

„Die Backwaren in die Tonne, nasse Klamotten in den Korb!“

Till akzeptierte den Befehlston, in welchem Drago ihn anzischte. Schließlich hatte er wirklich Mist gebaut. Sich von einem Blinden dermaßen übertölpeln zu lassen, das knabberte an seinem Selbstwertgefühl. Wütend biss er von einer der Schrippen ab, bevor er sie im Abfalleimer versenkte.

Danach taperten sie als seltsames Pärchen, Bäcker und Patient, in Richtung Tiefgarage, wo sie sich einen dezenten Abgang durch ein geöffnetes Tor erhofften.

Die Tiefgarage hatte nur eine Ebene, darüber lag der Besucherparkplatz. Die Angestellten der Klinik und ein paar Dauerpatienten hatten ihre Fahrzeuge hier abgestellt. Drago zog Till hinter einen Lieferwagen.

„Im Bademantel kannst Du nicht über die Straße.“

Till blieb nichts weiter übrig, als seine nassen Klamotten auszuwringen, bis sie nicht mehr glitschig an seinem Körper klebten. Drago beobachtete derweil die Zugänge zur Tiefgarage und hielt nach einer Kameraüberwachung Ausschau. Offenbar hatten sie für diese kleine Garage keine installiert, da die Eingänge zur Klinik und die Ausfahrt mit Schranke nur durch Ausweiskarten zu öffnen waren.

„Siehst aus wie ein Schmierlappen.“

Drago war immer noch sauer wegen Tills Tölpelhaftigkeit. Der stopfte Bademantel und Badelatschen in seinen Bäckerkorb.

„Nur een toter Kommissar is een juter Kommissar, wa? Warum hattest Du mir nich erzählt, dass Du ihn killen wolltest? Ick war völlig überrascht, Mann!“

Drago fluchte leise über Tills Dreistigkeit, ihm den Patzer anhängen zu wollen.

„Wenn´s nach meiner Mode läuft, steht Badeunfall auf dem Totenschein. Möglichkeiten verpflichten, hat mal ein Schlauer gesagt. Deine ollen Schrippen im Abfalleimer, Blödmann. Meine sind hier im Korb.“

Nach dieser Standpauke mit für Dragos Verhältnisse ausuferndem Wortschwall, fanden sie die Ausfahrt der Tiefgarage, zwängten sich problemlos an der rotweißen Schranke vorbei und gelangten von dort auf die Straße, wo sie den unauffälligen Wagen geparkt hatten.

„Ick fass es nich, Du hattest gar nicht vor, den umzunieten?“

Till nahm hinter dem Lenkrad Platz und startete den Motor.

„René hat uns das selbst überlassen. Und?“

Das Gesicht von Till war ein einziges Fragezeichen, ein Denkzettel hätte seiner Meinung nach ausgereicht. Nun war es nicht verkehrt, ihr Alibi wasserdicht zu machen. Also lenkte Till zurück zur Paintball-Halle. Während der Fahrt bildeten sich trotz Klimaanlage Schweißtropfen auf seiner Stirn, denn er hatte während der Fahrt das Fenster geöffnet, damit der heiße Fahrtwind seine Kleidung trocknete.

„Man darf uns beim Reingehen nicht zusammen sehen. Jeder für sich in die Umkleide, und danach beim Rausgehen ordentlich Alarm. Damit man uns beim Rausgehen in Erinnerung behält. Klar?“

Drago hatte seinen Befehlston beibehalten und würde sicher so weitermachen, wenn Till ihm keinen Dämpfer verpasste. Mit schiefem Blick musterte der schmächtige Mann am Steuer den kantigen Muskelprotz.

„Kann juut sein, dass ick dir dafür die Fresse poliere. Natürlich nur, um exorbitant uffzufallen. Nimm´s also bitte nich persönlich.“

Drago zeigte wieder sein verschlossenes Gesicht. Daraus war nicht zu erkennen, welche Meinung er zu Tills Ankündigung hatte. Als sie ankamen, war ihr alter Parkplatz zum Glück noch frei. Sie parkten den Honda am selben Fleck. Zeugen würden vielleicht behaupten, der Wagen sei zwischenzeitlich weg gewesen. Aber wie glaubwürdig wäre das vor Gericht?

Sorgfältig beobachtete Drago den Parkplatz und den Eingang zur Halle. Es waren nur wenige Besucher unterwegs, und wie die meisten Stadtbewohner, starrten sie unterwegs ständig auf die Displays ihrer Smartphones. Wenn man sie nicht dabei störte, bemerkten sie einen auch nicht.

Drago nahm seine Sporttasche aus dem Kofferraum, Till folgte ihm in gehörigem Abstand. Beide schafften es leicht, sich am Schalter für den Ticketverkauf vorbeizumogeln. Unbemerkt gelangten sie in die Umkleide. Till schaute auf die Uhr.

„Zwee Minuten noch bis zum Ende von die beeden Tickets. Det nenne ick Maßarbeit.“

Drago knurrte.

Als eine Gruppe von sechs Spielern mit ihren Paintball-Gesichtsmasken in Händen in die Umkleide kam, zog er sich demonstrativ mit einem Kamm vor dem Spiegel seinen Scheitel zurecht. Till föhnte sich derweil die Haare schön.

Sie sahen aus, als wären sie nach einem Shootout soeben mit dem Umkleiden fertig geworden. Fehlte nur noch der inszenierte Streit, damit sich die anderen Spieler ihre Gesichter für ihre Alibis einprägten.

„Wie lange willst Du dir deine implantierten Sackhaare noch föhnen?“

„Geh mal zum Optiker, Atze! Brille gibt´s nicht nur uff´m Klo. Meen Haupthaar is volle Natur.“

Drago lachte spöttisch, Till steckte resolut den Föhn in die Wandhalterung und marschierte auf ihn los. Das sah komisch aus, denn Drago war fast doppelt so breit wie er. Die Gruppe der Paintball Spieler stand still. Gebannt blickten sie zu ihnen herüber.

„Hab dir in der Hölle schon Treffer verpasst. Willst Du noch mehr?“

Breitbeinig aufgestellt erwartete Drago die Attacke von Till. Der war zwar wesentlich schwächer, aber ein flinker Typ und keilte ihm überraschend eine Ohrfeige, die sich gewaschen hatte. Drago rannte wütend mehrere Runden hinter Till her. Beide um eine Bank mit Kleiderhaken herum, doch Drago erwischte den wuseligen Kumpanen nicht. Den anderen Spielern wurde ihr Treiben lästig, sie beschwerten sich laut.

„Was wird das hier? Wir wollen an unsere Schränke, tragt euren Streit gefälligst woanders aus!“

„Ja, haut gefälligst ab!“

Die ebenfalls noch Adrenalin gepushten Paintball Spieler bauten sich drohend vor den beiden auf. Drago stoppte die Verfolgungsjagd, sie hatten ihr Ziel erreicht. Jeder von denen würde sie bei einer polizeilichen Gegenüberstellung sofort wiedererkennen. Ihr Alibi war perfekt.

„Klar, kein Problem, tut uns leid. Mein Kumpel dreht immer durch, wenn ich ihn in der Halle besiege. Zwei Stunden Shootout, aber der Trottel braucht trotzdem noch eine Abreibung.“

Drago deutete mit Unschuldsmiene auf Till, der sich beleidigt seine Sporttasche unter den Arm klemmte und wortlos die Umkleide verließ. Die Gruppe der Spieler kümmerte sich nicht weiter um sie und Drago holte Till ein, als der am Ticketverkauf vorüberlief. Am Ausgang zeigten sie demonstrativ ihre Tickets vor.

Was ansonsten eher unüblich war.

Am Kofferaum des Honda Jazz präsentierte Till stolz ein geklautes Paintball-Rifle.

„Der erinnert sich bestimmt ewich an mich. Ick steh nämlich uff sein Jewehr.“

Drago fasste sich an den Kopf und stieg ein.


Kommissar Katzorke

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