Читать книгу Kommissar Katzorke - Volker Lüdecke - Страница 4

Paintball-Action

Оглавление


Vom sechsspurigen Berliner Stadtring aus bog der schwarze Honda Jazz mit den beiden Männern vorn in die Ausfahrt Siemensdamm ab, fuhr durch den Kreisel in die Siemensallee und dann weiter über Nonnendammallee Richtung Spandau.

Bald tauchten linkerhand die qualmenden Kühltürme des Kraftwerks Reuter auf, was die beiden Männer Mitte dreißig nicht weiter beachteten. Sie dachten über den Aufwand ihres Jobs nach, ihr Budget war begrenzt. Weshalb sie bei der günstigsten Autovermietung ein Fahrzeug der Kompaktklasse gewählt hatten.

Immerhin fuhren sie dadurch einen komplett unauffälligen Wagen, dessen Erscheinen an irgendeinem beliebigen Ort der Stadt wohl keinem Passanten jemals im Gedächtnis bleiben würde. Die Soundanlage des Radios mit ihren klaren Bässen klang hingegen überdurchschnittlich.

Schweigend saßen Till und Drago nebeneinander und lauschten dem Rundfunk von Jazz Radio, während die Klimaanlage auf höchster Stufe gekühlte Luft in den Innenraum pumpte. Als die feinen Jazzklänge aus dem Radio durch Werbung für einen Immobilienhändler unterbrochen wurden, schaltete Till, der am Steuer saß, sofort das Radio aus.

„´ne Runde Paintball, um auf Betriebstemperatur zu kommen?“

Drago nickte und so fuhren sie nicht, wie geplant, weiter geradeaus, sondern bogen rechts in die Daumstraße ab, über die sie direkt zu einer großen Paintball-Halle gelangten, wo für sie alles bereitlag, was für ein fetziges Shootout notwendig war.

Wenig später kamen sie umgekleidet aus den Kabinen und schlenderten lässig in die Halle. Ausgestattet mit Gesichtsmasken und in zerschlissenen Trainingsanzügen lauerten sie sich dort gegenseitig auf, duckten sich hinter farbgetränkte Barrikaden, immer auf einen Fehler des Gegners bedacht, um ihn mit zielgenau abgefeuerten Gelatine-Kugeln am Körper zu treffen.

Nach einer Stunde heftigem Schusswechsel, mit zahlreichen akrobatischen Einlagen und Überraschungsangriffen, nahmen sie schwitzend ihre mit Farbe getränkten Gesichtsmasken ab und schlenderten zurück in den Umkleidetrakt. In einem gekachelten Raum ließen sie heißes Wasser auf ihre strapazierten Muskeln perlen. Um diese Uhrzeit waren sie dort ganz ungestört und von der Action gut entspannt.

„Ballern is einfach geil! Wenn der Boss schlecht zahlt, sollte Arbeit nicht nach Maloche schmecken.“

Till seifte dabei seinen deutlich schmaleren, aber drahtigen Oberkörper ein, neben sich den mit Muskeln und schwarzen Haaren verzierten Body von Dragomir. Der dachte gerade über anderes nach und schwieg.

„Warum René dit jetzt ooch noch braucht, bei seiner angespannten Finanzlage?“

Till ereiferte sich aus Nervosität, so kurz vor der Ausführung ihres Auftrags.

„Vielleicht, weil er Schiss vor Katzorke hat, dem Vollblinden. Hatte ihn seinerzeit in den Bau gebracht. Sechs Jahre Vollpension?“

Sie schauten sich an und mussten lachen. René war in ihren Augen eine kuriose Type. Kettenraucher, immer nervös. Aber mit Humor, ein netter Kerl. Hatte mit den Niederlagen seines Lebens nicht hinter dem Berg gehalten, wie manch andere Kandidaten. Eben viel Pech gehabt.

„Zum Glück ist der neue Coup nicht auf seinem Mist gewachsen. Wetten, der Job heute stammt auch nicht von ihm?“

Drago hielt seinen Kopf schief, damit das Brausewasser wieder aus dem Ohr laufen konnte.

„Finde, manchmal tut René so, als wäre er in Wahrheit der Boss. Diesen Ron würde ick ja gern mal persönlich kennenlernen.“

Till kickte eine leere Shampooflasche weg. Drago schaute gleichgültig, wickelte sich in sein Handtuch und trocknete seinen Körper ab.

„Ja, ick weeß, so läuft det nich. Alle bleiben anonym, außer wir. Kann keener den anderen verpfeifen. Wahrscheinlich heißt der nich ma Ron. Vielleicht Kasimir, oder so.“

Drago hatte immer noch keine Meinung und verschwand barfuß in einer der Umkleidekabinen.

Allein mit sich sammelte Till die leere Shampooflasche vom Boden auf und ließ Wasser von der Dusche in die winzige Öffnung träufeln, schüttelte sie dann und seifte mit dem Rest Shampoo seinen ganzen Körper ein. Wenig später kam Drago angekleidet aus der Umkleide und verzog sein Gesicht. Till stand immer noch unter der Dusche.

„Oh, nee!“

Eine verbale Äußerung von Drago war so selten wie ein freundlicher Busfahrer bei der BVG. Meistens räusperte er sich bloß, während Till ständig das Bedürfnis hatte, sich mitzuteilen. Außer, er hörte Musik oder spielte an einem Automaten. Das rührte daher, dass er als Radiokind aufgewachsen war. Anstelle von anwesenden Eltern hatte er als Kind immer ein Radio bei sich getragen, das er immer mit dem Lautsprecher an sein linkes Ohr hielt, um seine Nerven zu beruhigen. Welche Musik der Sender spielte, war ihm vollkommen schnuppe, Hauptsache, seine Einsamkeit wurde übertönt.

Beim Zocken am lustig klingenden Automaten hatte er Drago kennengelernt, der ein feiner Kerl war, an dessen Seite er sich stark fühlte. Er war breit und kräftig und wirkte zu jeder Tageszeit so, als hätte man ihn gerade aus dem Tiefschlaf geweckt. Er machte ständig ein Gesicht, als müsse er sich neu orientieren und alles übrige würde ihn geradewegs dabei stören.

Drago fand, dass Till sich an ihn drangehängt habe und er ihn dummerweise mit sich herumschleppen musste, während Till fand, dass Drago sich an ihn drangehängt habe, weil er ohne ihn nicht klarkam.

Till fand das nicht schlimm, ihn störte bloß, dass er meistens nicht redete.

„Quatsch keine Opern, Drago!“

Damit verschwand Till in der Umkleidekabine.


Kommissar Katzorke

Подняться наверх