Читать книгу Ein Quantum Zeit - Volkmar Jesch - Страница 20
ОглавлениеÜberall Energie
Die Energie ist tatsächlich der Stoff,
aus dem alle Elementarteilchen, alle Atome und
daher überhaupt alle Dinge gemacht sind,
und gleichzeitig ist die Energie auch das Bewegende.
Werner Heisenberg,
Physiker
Sie war wohl ein wenig eingenickt, als sie jemand fragte, ob sie etwas zu trinken bestellen möchte. Es war kurz nach 15:00 Uhr, wie ihr ein Blick auf die Uhr zeigte. Eine Kellnerin stand vor ihr. Ein wirklich gutes Hotel, dachte sie wiederum. »Ein Orangensaft bitte, mit Eis.«
»Und für mich bitte ein Bier, aber machen Sie den Schaum nach unten, damit ich gleich trinken kann.«
Die Bedienung konnte sich das Lachen kaum verkneifen. »Sehr wohl«, murmelte sie und verschwand. Er war hinter der Bedienung in die Bibliothek getreten und fügte hinzu: »Natürlich nur, wenn Sie damit einverstanden sind, dass ich Ihnen Gesellschaft leiste.«
»Nur allzu gern«, beeilte sie sich, zu sagen, und war hocherfreut. »Ich wusste gar nicht, dass Sie auch in das Hotel gewechselt sind.« Er wusste es von ihr schon, sagte aber dazu nichts, sondern antwortete: »Ich bin nicht gewechselt, ich bin schon länger hier. Ich habe gestern ganz vergessen, mich vorzustellen. Mein Name ist Christopher Dietrich.« Er war offensichtlich ebenfalls entzückt, sie wiederzusehen. Das schmeichelte ihr, war er doch eine sehr imposante Erscheinung.
»Ich war gestern Abend nur in der Klinik, um Untersuchungsergebnisse abzuholen, und habe die Gelegenheit genutzt, dort etwas zu trinken«, fügte er hinzu. Das stimmte zwar nicht, klang aber überzeugend.
Er nahm ihr gegenüber Platz. »Ich hoffe, Ihre Nachtruhe war angenehm, und Sie sind mir nicht böse, dass ich Sie gestern in eine so lange Diskussion verwickelt habe. Aber ich fand unsere Unterredung interessant.« Er war charmant.
»Lea Morgenstern«, stellte sie sich vor. »Ich habe wirklich gut geschlafen, aber die ganzen Untersuchungen heute und die Aussicht, doch länger bleiben zu müssen, als ich angenommen hatte, haben mich wieder ein wenig müde gemacht. Irgendwie habe ich meine ganze Energie verloren, die ich vor Kurzem noch hatte.«
Seine Augen leuchteten, als er das Wort Energie hörte. »Ich möchte Ihnen ja nur ungern widersprechen, aber Energie kann niemals verloren gehen. Sie erinnern sich?«
Sie war sofort hellwach. Ihre Müdigkeit war augenblicklich verflogen. Na wunderbar, dachte sie, lass uns ein Streitgespräch führen. Schluss mit dem Trübsal und der Langeweile. Natürlich meinte er die physikalische Energie und nicht ihre persönliche Kraft, die sie gerade dabei war, wiederzugewinnen.
»Können Sie mir sagen, was ›Energie‹ wirklich ist?«, hörte sie sich sagen.
»Oh, das ist schwer. Was Energie wirklich ist, vermag wohl niemand zu sagen. Sie sprechen gleich ein grundlegendes Problem an.« Sie triumphierte. »Aber ich will wenigstens versuchen, Ihnen den Begriff, oder was die Menschen darunter verstehen, etwas näherzubringen.«
»Und nicht den Begriff der Entropie und die Frage vergessen, warum ein Zeitsprung in die Vergangenheit nicht möglich ist«, sagte sie.
»Sowieso. Aber das wird jetzt ein etwas beschwerlicher Gang. Wollen Sie das wirklich alles hören?«
»Nichts lieber als das«, sagte sie eingedenk der vielen Erkenntnisse, die er ihr gestern verschafft hatte. Eben noch hatte sie darüber sinniert, was sie mit der vielen Zeit anfangen sollte, jetzt würde er ihr helfen, die sich aufdrängenden Fragen zu klären, die mit dem Phänomen der Zeit verbunden waren.